Duisburg. Mitten im Umbau schließt die Taskforce Problemimmobilien ein Haus in Duisburg-Hochfeld. Warum die Räumung nicht nur den Eigentümer ärgert.

Zwischen Orchideen und blauen Müllsäcken sitzen mehrere kleine Mädchen und schauen auf das Chaos um sich herum: Die Taskforce Problemimmobilien der Stadt Duisburg hat am Mittwoch ein Haus in Hochfeld geräumt und den Familien nur wenige Stunden Zeit gegeben, ihre Habseligkeiten zu packen.

Acht Mietparteien mit zwölf kleinen Kindern wohnen hier gegenüber der Gemeinschaftsgrundschule Brückenstraße. 24 Personen insgesamt, berichtet Stadtsprecher Sebastian Hiedels. Während die einen vor dem Haus auf der Straße Kinder hüten und ein Baby beruhigen, schleppen die anderen Wäscheständer und Hochstühlchen, Taschen, Tüten, Colaflaschen und verfrachten sie in eiligst geliehene Transporter und Laster. Manche der Männer kommen direkt von der Arbeit angefahren, kalt erwischt von der Nachricht.

„Gravierende Brandschutzmängel, baurechtliche Mängel, statische Mängel“

„In dem Objekt wurden eine Vielzahl von gravierenden Brandschutzmängeln, baurechtlichen Mängeln sowie Mängeln nach dem Wohnraumstärkungsgesetz NRW vorgefunden. Dazu zählen nach ersten Erkenntnissen diverse Brandschutzmängel, nicht ordnungsgemäße Elektroinstallationen, statische Mängel sowie illegale An- und Umbauten“, schreibt Hiedels.

„Die Vielzahl der Mängel und vor allem die erheblichen brandschutzrechtlichen Mängel führten zur sofortigen Nutzungsuntersagung, da Gefahr im Verzug festgestellt wurde. Diese gilt sowohl für die Wohneinheiten als auch die Gewerbeeinheit.“

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Seinen Imbiss darf Marwan Saado erst mal nicht mehr betreten. Das Ordnungsamt hat die Türen seines Mehrfamilienhauses in Duisburg-Hochfeld verklebt, weil wegen Brandschutzmängeln „Gefahr im Verzug“ sei.
Seinen Imbiss darf Marwan Saado erst mal nicht mehr betreten. Das Ordnungsamt hat die Türen seines Mehrfamilienhauses in Duisburg-Hochfeld verklebt, weil wegen Brandschutzmängeln „Gefahr im Verzug“ sei. © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

Eigentümer will alles sanieren

Die Begehung sei aufgrund von Hinweisen städtischer Behörden erfolgt, sagt Hiedels. Eigentümer Marwan Saado ist wie vor den Kopf geschlagen. „Ich bin doch seit Monaten am sanieren“, berichtet er. Der Flur scheint frisch verputzt, Gerüste und Leitern warten auf den nächsten Einsatz. Das Treppengeländer der Holztreppe wackelt allerdings ordentlich, die Klingel ist ramponiert, die Briefkästen daneben sind neu. Viel Energie scheint in eine alte Eckkneipe im Gebäude geflossen zu sein. Sie soll ein bulgarischer Imbiss werden. Goldene Embleme hängen an der Decke, mehrere Meter Kühltheke sind aufgestellt, ein Dönerspieß bereits in Endposition gerückt.

Jetzt klebt ein Schild vom Ordnungsamt an der neuen Außentür, ein weiteres kommt an das neue Rollo, das der künftige Betreiber des Imbisses ergeben heruntergefahren hat. Eine kleine Wand habe er hier eingerissen, die sei aber nicht tragend gewesen, erzählt Vermieter Saado: „Das ist hier alles fachmännisch saniert.“ Auf der Straße hockende Mieter loben ihn, weil er bei unpünktlichen Mietzahlungen kulant sei.

Mit einem großen Wagen warten die Wirtschaftsbetriebe darauf, Müll entsorgen zu können. Ordnungsamtsmitarbeiter beobachten die Räumung des Hauses in Duisburg-Hochfeld.
Mit einem großen Wagen warten die Wirtschaftsbetriebe darauf, Müll entsorgen zu können. Ordnungsamtsmitarbeiter beobachten die Räumung des Hauses in Duisburg-Hochfeld. © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

Keine Nutzungsänderung für die alte Eckkneipe beantragt

Dass er für den Umbau eine Nutzungsänderung beantragen musste, habe er allerdings nicht gewusst, so Saado. 2014 habe er das Haus „als Ruine“ gekauft, nach und nach saniert, neue Bäder eingebaut, die Heizung modernisiert. Er möchte es gern zeigen, aber das Ordnungsamt verbietet es.

Dass ihm keine Zeit gegeben wird, das über 100 Jahre alte Haus so in Schuss zu bringen, dass es allen Ansprüchen genügt, will ihm nicht einleuchten. Dass seine Mieter von jetzt auf gleich keine Wohnung haben, findet er herzlos. Wie aufs Stichwort zieht ein Mieter seinen Pullover hoch und offenbart eine große Operationsnarbe über dem ganzen Bauch.

Wo die Familien jetzt hingehen, ist ungewiss. Bis zum Abend konnten sie sich entscheiden, ob sie „Ersatzunterkünfte“ der Stadt in Anspruch nehmen möchten. Da die Stadt viele Geflüchtete untergebracht hat, ist ad hoc nur in den Notunterkünften Platz. Für zwei Bewohner hat der Vermieter selbst Ersatz besorgen können. Dafür ist er auch verantwortlich. Marwan Saado lässt jedoch die Schultern hängen, denn mehr als Platz im Lager für die Habseligkeiten seiner Mieter kann er so schnell nicht herbeizaubern.

Verein fordert Nachsorge für zwangsgeräumte Menschen

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Das Haus an der Gravelottestraße 48 wurde zwar nicht durch die Stadt geräumt, ein Schreibes des Jobcenters legte allerdings einen Task-Force-Einsatz nahe.
Von Annette Kalscheur und Fabienne Piepiora

Vor Ort sind auch Aktive vom Verein für die solidarische Gesellschaft der Vielen in Hochfeld. Sie verteilen Visitenkarten und beobachten, wie die Mitarbeiter der Behörden agieren. „Es gibt keine Nachsorge für diese Menschen“, beklagt Lena Wiese. Der Verein fordert schon lange, dass auch das Kommunale Integrationszentrum Teil der städtischen Taskforce sein müsste.

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Um den von Zwangsräumungen betroffenen Menschen zu helfen, packt der Verein mit an, bietet etwa eine postalische Meldeadresse an. „Die Bewohner werden von Amts wegen abgemeldet und verwirken damit ihren Anspruch auf Sozialleistungen“, erklärt Wiese. Für bulgarische Bürger sei es ohnehin schwer, eine neue Wohnung zu finden, selbst in Duisburg und drei Monatsmieten Kaution zu bezahlen fast unmöglich.

>>TASKFORCE PROBLEMIMMOBILIEN

  • Um gegen Schrottimmobilien vorzugehen, ist in Duisburg seit 2016 die Taskforce Problemimmobilien aktiv.
  • Im Dezernat Wirtschaft, Sicherheit und Ordnung gibt es dafür eine eigene Stabsstelle.
  • Die Stadt Duisburg setzt auf eine behördenübergreifende Zusammenarbeit, zum Beispiel mit Polizei, Stadtwerken, Wirtschaftsbetrieben, Steuerfahndung, Jobcenter und Zollbehörde.