Duisburg. Tausende Menschen strömten am 1. Dezember 1948 auf die Königstraße in Duisburg. Das ist die besondere Geschichte hinter dem 74 Jahre alten Foto.
Es war der 1. Dezember 1948, als Duisburgs Innenstadt einen Moment erlebte, der aus heutiger Sicht unvorstellbar erscheint. Die westdeutschen Innenstädte sind noch voller Trümmer, die Versorgung der Bevölkerung ist noch immer schlecht – und trotzdem eröffnet der umtriebige Unternehmer Helmut Horten in Duisburg mit dem legendären „Bau der hundert Tage“ den ersten großen Kaufhausneubau nach dem Krieg.
Die Menschen strömten in Massen zum König-Heinrich-Platz. Dort, wo heute das Einkaufszentrum Forum zu finden ist, stand das sechsstöckige Gebäude, das bei seiner Fertigstellung als Sensation galt. 13.000 Kubikmeter Trümmer wurden im August weggeschafft, sodass im September 1948 der Bau beginnen konnte. Dieser verlief in Rekordzeit.
Horten-Haus in Duisburg und der berühmte „Bau der hundert Tage“
„Duisburg stand in jenen Tagen staunend auf der Königstraße und sah, wie dieser Bau in einem ungeheuren Tempo aus der Erde wuchs“, heißt es in einem Artikel der NRZ, der im Stadtarchiv aufbewahrt wird. Nach 100 Tagen waren das Erdgeschoss und das erste Stockwerk fertig und konnten am 1. Dezember 1948 eröffnet werden. Von einem „Horten-Tempo“ habe man zu jener Zeit in Duisburg gesprochen, wenn etwas in Windeseile erfolgte.
Doch das Kaufhaus war mehr als eine bauliche Sensation. Es war ein Sinnbild für die Zeit des Wirtschaftswunders, für den Wiederaufbauwillen einer Stadt, den Blick nach vorne – und für bessere Zeiten. „Ein Symbol für den Glauben an eine friedliche Zukunft“, titelte die NRZ nach der Fertigstellung.
Horten-Eröffnung in Duisburg: Menschen standen nachts in der Schlange
Der Andrang an jenem 1. Dezember war groß und die ersten Kauflustigen bildeten schon in der Nacht eine Schlange. Erst um 13 Uhr sollte das Kaufhaus eröffnen. Jeder wollte an diesem Tag dabei sein, alle strömten zur Königstraße. Zu Fuß und zu Ross war auch die Polizei anwesend.
„Die Masse der Wartenden verhielt sich gesittet“, hieß es in der Presse. „Übrigens war auch kein Grund zur Aufregung vorhanden, denn wie jeder nach der Eröffnung feststellen konnte – Horten verschenkt nichts“, so stand es in der Rheinischen Post. Doch mit der Währungsreform und der Einführung der D-Mark stieg auch die Kaufkraft der Menschen.
[Duisburg-Newsletter gratis abonnieren + Seiten für Duisburg: Stadtseite + Blaulicht-Artikel + MSV + Stadtteile: Nord I Süd I West + Themenseiten: Wohnen & Immobilien I Gastronomie I Zoo]
Auf 7000 Quadratmetern sollte das Horten-Haus sämtliche Kundenwünsche erfüllen. Mode, Elektroartikel, Bücher und Haushaltswaren – ein Konsumtempel nach amerikanischem Vorbild war entstanden. 74 Jahre später und in Zeiten der kriselnden Kaufhausriesen scheint diese Art des Einkaufs mehr und mehr wie ein Relikt der Vergangenheit.
Impuls für die Königstraße – Entwicklung zur Einkaufsstraße
Damals kam das Konzept unter einem Dach ausgesprochen gut an und in Duisburg begann eine Ära der großen Kaufhäuser. Die Königstraße im Herzen von Duisburg wurde mehr und mehr zu einer Geschäftsstraße, „Bauzaun neben Bauzaun und ein Geschäft nach dem anderen entstand“, hieß es in der lokalen Zeitung.
Auch das Horten-Haus am König-Heinrich-Platz wuchs weiter in die Höhe. Am 30. September 1950 wurde die Inbetriebnahme der sechs Etagen gefeiert. Die Zahl der Beschäftigten stieg von 250 auf 700 an. In seiner Eröffnungsrede erinnert Oberbürgermeister August Seeling: „Wenn wir unsere Erinnerung nur wenige Jahre zurückgehen lassen, dann bietet der Platz, auf dem wir stehen, ein Bild der Kriegszerstörung, ein Bild von Ruinen und Trümmern.“
Wie „Phönix aus der Asche“ habe dann der Neubau des Horten-Hauses einen Wandel eingeläutet. Nur fünf Jahre später übernahm Karstadt das Haus, während Horten an der Düsseldorfer Straße das neue Merkur-Haus baute.
>> HORTEN IN DUISBURG
- Der Name Horten war seit dem Jahr 1936 in der Rhein-Ruhr-Stadt ein Begriff. Damals prangte der bekannte Schriftzug zum ersten Mal an einem Gebäude an der Ecke Münz- und Beekstraße.
- Im Krieg wurde dieses Haus – und zwar am 20. Dezember 1942 – restlos zerstört, in der gleichen Nacht, in der auch das Duisburger Stadttheater den Bomben zum Opfer fiel.
- Helmut Horten, geboren 1909, entschied sich gegen den Willen der Familie zu einer Lehre als Textilkaufmann und arbeitete in Duisburg im Kaufhaus Alberg.
- Als die Eigentümer nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten und im Zuge der Verdrängung der deutschen Juden zu einem Verkauf gezwungen wurden, erwarb Horten das Kaufhaus 1936 zu einem Preis weit unter dem Marktwert. Er entließ alle jüdischen Angestellten und firmierte es in „Kaufhaus Horten“ um.
- Der umtriebige Horten vergrößerte systematisch sein Kaufhaus-Imperium und wurde Eigentümer von mehr als 50 Warenhäusern. Er kaufte etwa die „Merkur“-Kette und die unter dem Namen „Defaka“ geführten Warenhäuser auf.
- Bis 1972 hatte er sich ganz aus dem Warenhauskonzern zurückgezogen. Für den Verkauf erhielt Horten 1,2 Milliarden D-Mark, die aufgrund einer Gesetzeslücke steuerfrei waren.
- Horten galt als Meister der Werbung. In Duisburg hatte Horten vor allem Verbindungen zum Zoo. In einem Stern-Artikel heißt es: „Er wusste genau, was ihn beim Publikum populär macht, zum Beispiel der dicke Elefant, den Horten für 5000 Mark anschaffen ließ.“ Er galt auch als großer Unterstützer des Karnevals.
- 1987 starb Horten in seiner Schweizer Wahlheimat.
- Am 26. Januar 2023 veranstaltet das Stadtarchiv in Duisburg einen Vortrag zum Thema „Das Kaufhaus-Imperium von Helmut Horten und seine Anfänge in Duisburg“. Beginn ist um 18.15 Uhr.