Duisburg. Der Zuzug Tausender Geflüchteter aus der Ukraine erforderte besondere Maßnahmen. Das Rechnungsprüfungsamt kritisiert Ausgaben der Feuerwehr.

Die Unterbringung und Versorgung geflüchteter Menschen aus der Ukraine war und ist eine große Herausforderung – personell, räumlich, menschlich. Bis Ende September wurden dafür in Duisburg 46 Millionen Euro eingesetzt. Allerdings nicht so sachgerecht, wie es rechtens gewesen wäre, kritisiert das Rechnungsprüfungsamt (RPA).

26 Seiten umfasst der „Bericht über die Prüfung von Maßnahmen im Zusammenhang mit der Ukrainekrise“, und das Fazit ist deutlich: „Lückenhafte Dokumentation, mitunter schwer nachvollziehbare Beauftragungen und Leistungserbringungen, offensichtliche und zum Teil schwerwiegende Verstöße gegen Vergabe- und Haushaltsrecht belasten das im Ergebnis erfolgreiche Handeln der hier federführenden Feuerwehr ebenso wie den Haushalt der Stadt Duisburg. Der Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit wurde vielfach nicht beachtet.“

Rechnungsprüfungsamt Duisburg kritisiert Beschaffungen

Vorgestellt wurde der Bericht, der dieser Redaktion vorliegt, in der nichtöffentlichen Sitzung des Rechnungsprüfungsausschusses Anfang November. Detailliert zeichnet er die Chronologie der Ereignisse nach, umreißt die Verantwortlichkeiten und die vergaberechtlichen Rahmenbedingungen.

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Um während der Ukraine-Krise handlungsfähig zu sein, nutzte die Feuerwehr demnach eine Handkasse, die mit 160.000 Euro gefüllt war. Her kritisiert das RPA, dass die Verwendung der Gelder „nicht dem genehmigten Zweck“ entspreche. Außerdem sei „unklar, wo Barbeträge zwischen 10.000 und 30.000 Euro nach dem Einlösen der Schecks verblieben“ sind. Die Rede ist von Loseblattsammlungen, Aktenordnern mit verschiedensten Belegen und „Fehlbeträgen“ im Kassenbuch. „Großenteils“ seien die Ausgaben für die Verpflegung der Feuerwehr gemacht worden, schreibt das RPA.

Weitere Verwirrung entstand offenbar, weil zum 15. Mai 2022 die Zuständigkeit vom Amt 37 – also dem Feuerwehr- und Zivilschutzamt – auf das Amt 50 (Amt für Soziales und Wohnen) wechselte. Es fehlten Übergaben und Dokumente, so dass einige von Amt 50 nicht anerkannte Rechnungen weiter von Amt 37 bezahlt werden mussten.

Geflüchtete im Zeltdorf wurden bevorzugt behandelt

Das RPA stellt zudem eine ungerechte Behandlung der Geflüchteten fest. Bis Ende Mai erhielten sie Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, ab 1. Juni erhielten sie Sozialleistungen. Wer im Zeltdorf an der Hamborner Straße wohnte, wurde mit Speisen und Getränken versorgt – alle anderen mussten sich selbst versorgen. Da die Feuerwehr langfristige Verträge sowohl mit dem Zeltverleiher als auch mit dem Caterer einging, habe es keine Möglichkeit zu Anpassungen gegeben. Es sei auch nicht ohne erheblichen Personalaufwand möglich gewesen, die Bewohner der Zelte an den Kosten zu beteiligen.

Das Rechnungsprüfungsamt zeigt teilweise Verständnis und betont, dass „keine Unterbringungs- und Versorgungsstandards für vergleichbare Krisensituationen“ existieren. Vor allem in den ersten elf Wochen sei das Vorgehen zur Unterstützung der geflüchteten Menschen als angemessen zu bezeichnen, dennoch sei es wegen der „nicht erfolgten Dokumentationspflicht“ gerichtlich angreifbar.

Das weitere Vorgehen sei allerdings „nicht angemessen“, insbesondere wegen des nicht beachteten Vergaberechts, auch des europäischen. In Stichproben hätten sich zudem „organisatorische und haushaltsrechtliche Unstimmigkeiten ergeben“. So habe das Amt 37 rund 2,2 Millionen Euro für die Zeltmiete an der Hamborner Straße inklusive Auf- und Abbau für sechs Monate angewiesen – allerdings ohne dass eine Rechnung darüber vorlag.

Kritisiert werden außerdem diese Aspekte:

  • Büromaterialien hätten kostengünstiger durch Abrufe aus bestehenden Rahmenverträgen besorgt werden können.
  • Für Beschaffungen zwischen März und Juli wurde „nur in wenigen Einzelfällen ein dokumentierter und somit nachweisbarer Wettbewerb durchgeführt“.
  • Es wurde gegen die Werte des Ethikkodex der Stadtverwaltung verstoßen, der die Achtung der Werte der Transparenz, Engagement, Fairness und Recht umfasst.

Stadt Duisburg will nichtöffentliche Vorlagen nicht kommentieren

Anja Kopka, Leiterin des Amtes für Kommunikation der Stadt Duisburg, erklärt auf eine detaillierte Anfrage, dass man „Sachverhalte aus nichtöffentlichen Sitzungen bzw. nichtöffentlichen Vorlagen des Rechnungsprüfungsausschusses nicht kommentieren“ wolle. „Die Stadt Duisburg war mit der Coronapandemie und den Fluchtbewegungen, die durch Russlands Angriff auf die Ukraine ausgelöst wurden, innerhalb kürzester Zeit zwei Krisen von ganz erheblichem Ausmaß ausgesetzt. In beiden Lagen hat die Stadt Duisburg ihre Leistungsfähigkeit und Krisenfestigkeit eindrucksvoll unter Beweis gestellt.“

Weiter schreibt sie: „Die jüngste Flüchtlingskrise, in der insbesondere Frauen mit ihren Kindern Schutz in Duisburg gesucht haben, erforderte vor allem in der Anfangszeit extrem kurzfristige Entscheidungen. Für den Krisenstab, aber auch für die Duisburger Zivilgesellschaft, stand und steht außer Frage, dass wir den Menschen schnell und unbürokratisch helfen mussten. Den vielfach traumatisierten Menschen, die oftmals nur ihr bloßes Leben retten konnten, den ansonsten üblichen Gang durch die Institutionen und ihre manchmal durchaus komplexen Zuständigkeiten zuzumuten, war und ist aus Sicht des Krisenstabs in dieser Situation keine Handlungsoption. Um dies sicherzustellen, haben wir Entscheidungsprozesse verkürzt und pragmatische Lösungen gefunden.“

Es sei „durchweg gelungen, die Geflüchteten menschenwürdig unterzubringen und ihnen innerhalb kürzester Zeit ein Gefühl der Sicherheit zu geben“. Zur Arbeit des Krisenstabs gehöre jedoch auch, das Krisenmanagement im Nachgang auszuwerten. Das müsse im Kontext der damals akuten Notlage geschehen. Dieser Prozess laufe aktuell.

Anfang Mai, als die ersten ukrainischen Geflüchteten das Zeltdorf bereits bezogen hatten, wurden weitere Großzelte aufgebaut.
Anfang Mai, als die ersten ukrainischen Geflüchteten das Zeltdorf bereits bezogen hatten, wurden weitere Großzelte aufgebaut. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

>> CHRONOLOGIE DER EREIGNISSE

  • Nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine konstituierte sich am 7. März der Krisenstab. Gegründet wurde eine Task Force, um Wohnungen anzumieten.
  • Der „große Zustrom“ machte es erforderlich, dass bestehende Sammelunterkünfte und Hotels genutzt werden mussten. Es wurden Turnhallen im Duisburger Süden bezogen, die Kraftzentrale im Landschaftspark Nord und die Glückauf-Halle in Homberg.
  • Anfang Mai zogen die ersten Menschen aus der Ukraine im Zeltdorf an der Hamborner Straße ein.
  • Inzwischen werden die Zelte dort als Landesunterkunft benutzt. Die letzten Geflüchteten, die Duisburg zugeordnet waren, sind Ende September ausgezogen.

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