Duisburg. Freunde und Angehörige des toten Arbeiters aus Duisburg erheben schwere Vorwürfe. Polizei und Thyssenkrupp geben Einblicke in die Geschehnisse.

Nach dem Todesfall auf dem Werksgelände von Thyssenkrupp-Steel (TKS) in Duisburg-Bruckhausen kursieren in der bulgarischen Community Gerüchte und Spekulationen über die Hintergründe (wir berichteten). An einem Trauermarsch zum Werk beteiligten sich am Sonntag 650 Menschen. In der Nähe des Ortes, an dem der 26 Jahre alte Bulgare ums Leben kam, sprachen Teilnehmer von „Vertuschung“ und „Mord“ – Vorwürfe, denen das Unternehmen und auch die Polizei deutlich widersprechen.

„Nach wie vor gibt es keine Hinweise darauf, dass ein Fremdverschulden zum Tod des 26-Jährigen führte“, unterstreicht Polizeisprecher Jonas Tepe am Montag mit Blick auf den Stand der Ermittlungen. Bei ihren Nachforschungen hätten die Beamten des Kriminalkommissariats 11 „in alle Richtungen“ ermittelt. Das bedeutet: Auch nach Hinweisen auf Fremdeinwirkung und einen Suizid schauten Kripo und Rechtsmediziner – sowohl bei ihrer Spurensuche vor Ort als auch bei der Obduktion.

Thyssenkrupp zum Todesfall: Konzern können sich zurzeit nicht äußern

„Wir sind tief betroffen über den Tod des Mitarbeiters eines auf unserem Werkgelände tätigen Dienstleisters“, erklärte ein TKS-Sprecher auf Nachfrage. Zu Details könne sich das Unternehmen zu diesem Zeitpunkt nicht äußern.

Bei der Demonstration am Sonntag hieß es vonseiten der Freunde, Angehörigen und weiteren Teilnehmern, dass der junge Arbeiter aus Bruckhausen „getötet worden“ sei. Gegen wen sich ihr Verdacht richtet, präzisierten die Kritiker nicht. Misstrauen gegenüber den Ermittlungsbehörden, gegenüber dem Staat und dem Konzern waren spürbar.

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Fakten hatte in der vergangenen Woche die Untersuchung des Leichnams geschaffen. Das Ergebnis besagt, dass der 26-Jährige in dem metertiefen Schlackebecken, in dem er am Montagabend vor einer Woche gefunden wurde, erstickt war. Das Becken war nach Angaben von Unternehmen und Polizei mit einer Mischung aus Wasser und Schlacke gefüllt.

Im Produktionsbereich der riesigen Hochöfen erstickte der 26-Jährige in einem Schlackebecken.
Im Produktionsbereich der riesigen Hochöfen erstickte der 26-Jährige in einem Schlackebecken. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Wie er dort hineingeriet, ist weiter Gegenstand der Ermittlungen. Klar ist: Das Becken befindet sich in einem überdachten Sicherheitsbereich in der Produktionsumgebung der riesigen Hochöfen. Es liegt aber über 100 Meter von den Hochöfen entfernt. Der junge Bulgare war dort zutrittsberechtigt. Denn das Subunternehmen, das im Werk mit der Säuberung von Verkehrsschildern und anderen Reinigungsarbeiten beauftragt war, war auch in diesem Areal aktiv.

Der Mann hatte am Morgen des 14. Oktober um 9.15 Uhr seine Pause in einem Firmenfahrzeug verbracht und war dann verschwunden. „Seine persönlichen Sachen blieben auf dem Werksgelände“, so Polizeisprecher Tepe.

26-Jähriger arbeitete erst seit vier Tagen auf dem TKS-Gelände in Duisburg-Bruckhausen

Ob seine Unerfahrenheit bei dem Unfall eine Rolle spielte, ist noch unklar. Die Polizei bestätigte, dass der Mann erst seit vier Tagen auf dem Gelände arbeitete. Seine Deutschkenntnisse wurden als gering eingestuft. „Grundsätzlich gelten für alle auf unserem Werksgelände tätigen Personen einheitlich hohe Sicherheitsstandards. Wir differenzieren nicht zwischen eigenen Beschäftigten, Partnerfirmen oder Besuchern“, teilte TKS mit.

Untersuchungen durch das Amt für Arbeitsschutz der Bezirksregierung zu dem Vorfall dauern an. Bis diese in einen abschließenden Bericht münden, können nach Informationen dieser Redaktion allerdings noch Wochen vergehen.

Ein weiterer Vorwurf aus der großen bulgarischen Community im Duisburger Norden: Die Leiche müsse schon viel früher entdeckt und dann in dem zähen Schlamm versteckt worden sein. Die Suche hätte sich andernfalls doch keine drei Tage hinziehen können.

In Duisburg-Bruckhausen herrscht Unruhe und Misstrauen.
In Duisburg-Bruckhausen herrscht Unruhe und Misstrauen. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Polizei und TKS betonen dazu unisono: Noch bevor Mitarbeiter des Werkschutzes die Polizei am Mittag des 14. Oktober über das Verschwinden des Bruckhausers informierten, hatte die Werksfeuerwehr mit der Suche begonnen und dabei auch Wärmebildkameras eingesetzt.

Die Suchaktion wurde in den folgenden Stunden intensiviert. Die Polizei setzte dabei auf dem riesigen Industrieareal unter anderem Personenspürhunde, einen Helikopter und Drohnen ein – ohne Erfolg.

Dass TKS-Mitarbeiter den leblosen Körper des 26-Jährigen drei Tage später entdeckten, war ein Zufall. Der Leichnam wurde beim Auffüllen des Beckens an die Oberfläche getrieben.

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Bei den Ermittlungen befragte die Kripo weitere Beschäftigte des Fremdunternehmens. Auch sie kommen aus Bulgarien. Entgegen einem ersten Bericht hatten sie ihren Kollegen trotz seines Verschwindens beim Verlassen des Werksgeländes nicht abgemeldet.

>>Polizei informierte in einer Mitteilung über den Tod

  • Den Fall des 26-Jährigen hatte die Polizei Duisburg zunächst als Vermisstensache behandelt und auch einen Öffentlichkeitsaufruf gestartet.
  • Nach dreitägiger Suche gab es dann die traurige Gewissheit. Am Abend des 17. Oktober informierte die Behörde mit einer Mitteilung über den Tod des Duisburgers.