Duisburg. Der Besuch in einer Arztpraxis gehört nicht zum Alltag für einen Koala im Duisburger Zoo. Wie Koala Irwin auf die ungewohnte Situation reagierte.

Wenn es zum Tierarzt in die Klinik geht, scheinen viele vierbeinigen Patienten einen sechsten Sinn zu haben. Katzen verkriechen sich nervös in die hinterletzte Ecke ihres Transportkorbes, Hunde ziehen oft den Schwanz ein oder reagieren ruppig und ungehalten. Was also ist von einem nicht domestizierten Tier wie einem Koala zu erwarten, wenn er in eine solche Situation gerät? Für den 14-jährigen Irwin, Chef der Koalas im Duisburger Zoo, stand nun ein Besuch in der Kaiserberg Klinik an, und das stattliche Männchen hat mit seinem Verhalten alle Beteiligten verblüfft.

Koala Irwin beim Augenarzt

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    Koalamännchen leben getrennt hinter den Kulissen des Koalahauses im Zoo Duisburg

    Koalas sehen für die meisten Menschen aus wie lebende Kuscheltiere. Sie tragen ein gesundes Phlegma zur Schau, dösen dauernd vor sich hin, und wenn sie sich mal bewegen, ist das meist nah am Zeitlupentempo. Doch die australischen Beutelbären können auch anders. Besonders die Männchen pflegen einen ruppigen Umgang miteinander, wenn sie mal zusammentreffen, und dann kann es heftig zur Sache gehen. Deshalb leben die einzelgängerischen männlichen Koalas getrennt voneinander hinter den Kulissen des Koalahauses. Dass die scharfen Krallen der grauen Wonneproppen äußerst gefährliche Waffen sein können und wie die Tiere deshalb zu behandeln sind, lernt jeder neue Pfleger im Koalahaus des Duisburger Zoos als erstes. Doch Irwin schlägt da etwas aus der Art.

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    „Unser dicker Irwin“, wie Chefpfleger Mario Chindemi das stattliche Männchen nennt, das immerhin 10,5 Kilogramm Lebendgewicht auf die Waage bringt, ist ein Gemütstier sondergleichen. „Er ist gutmütig und tiefenentspannt“, beschreibt Chindemi seinen Schützling. „Er hat einen ausgeglichenen Charakter und ein ausgeprägtes Vertrauen zu seinen Bezugspersonen.“ Beides war äußerst hilfreich bei dem Arztbesuch, den Irwin nun absolvieren musste.

    Ungewöhnliches Verhalten alarmierte Koala-Pfleger im Zoo Duisburg

    Den Pflegern war aufgefallen, dass Irwin ständig sein linkes Auge zukniff. Ein ungewöhnliches Verhalten, dass nach Abklärung verlangte. Eine Untersuchung durch Zoo-Tierärztin Dr. Kerstin Ternes ergab, dass die Linse getrübt war. „Vor einiger Zeit hatte Irwin eine Verletzung der Hornhaut, die gut abgeheilt ist. Leider kann sich durch solch ein Trauma ein grauer Star entwickeln. Das galt es abzuklären“, begründet Kerstin Ternes, warum die Hilfe der Tierklinik notwendig wurde. Bei Spezialuntersuchungen greife der Zoogerne auf die Expertise der Kolleginnen und Kollegen zurück, die in der Tierklinik eine noch feinere Diagnostik betreiben können als es im Zoo möglich sei.

    Ich schau Dir in die Augen, Kleiner. Dr. Susanne Saers, Spezialistin für Augenerkrankungen, untersucht Irwin in der Tierklinik am Kaiserberg. Und das stattliche Koala-Männchen lässt die Behandlung völlig entspannt über sich ergehen.
    Ich schau Dir in die Augen, Kleiner. Dr. Susanne Saers, Spezialistin für Augenerkrankungen, untersucht Irwin in der Tierklinik am Kaiserberg. Und das stattliche Koala-Männchen lässt die Behandlung völlig entspannt über sich ergehen. © Kerstin Ternes | Zoo Duisburg

    Arm seines Pflegers als Ersatz-Ast gibt Koala Irwin Sicherheit

    Also reiste Irwin in seiner Transportkiste mit Klammer-Ast von der Kaiserberg-Arche zur Kaiserberg-Klinik. Begleitet wurde er von Kerstin Ternes und Mario Chindemi, zu dem er ein langjähriges und ganz besonderes Vertrauensverhältnis hat. Völlig unbeeindruckt von den fremden Gerüchen und Geräuschen sowie der ungewohnten Umgebung ließ sich Irwin von seinem Pfleger auf den Untersuchungstisch heben. Die beruhigende Stimme von Chindemi im Ohr, seinen Arm als Ersatz-Ast umklammernd, ließ sich Irwin völlig entspannt ohne Narkose- oder Beruhigungsmittel von Dr. Susanne Saers, Spezialistin für Augenerkrankungen, tief ins Auge schauen. Und er ließ sich von ihr auch problemlos Augentropfen verabreichen. Lediglich ein leises Zucken seiner puscheligen Ohren verriet Chindemi, dass er das nicht als angenehm empfunden hat. „So kooperative Patienten haben wir nur ganz selten“, lobte denn auch die Ärztin.

    Augenerkrankung beeinträchtigt Duisburger Koala nicht besonders

    Leider bestätigte sich bei der Untersuchung, dass Irwin grauen Star im linken Auge hat. Um es nicht operieren zu müssen, bekommt das Koala-Männchen nun täglich Augentropfen, die ihm seine Pfleger verabreichen. Die Augenkrankheit beeinträchtige ihn aber nicht besonders, erklärt Zoo-Sprecher Christian Schreiner, weil Koalas sich mehr mit ihrer Nase orientieren. Zudem ist Irwins zweites Auge vollkommen gesund.

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    Im Zoo Duisburg sind jedenfalls alle erleichtert, dass Irwin geholfen werden konnte. Und mächtig stolz sind sie auf ihren „Dicken“, dass er sich so großartig verhalten hat. „Einmalig, wie Irwin das mitgemacht hat“, zeigt sich selbst Chindemi überrascht. Und er müsste doch eigentlich wissen, dass Irwin der coolste Koala im Duisburger Zoo ist.

    >>> Grauer Star bei Koalas <<<

    Koalas sehen insbesondere im Nahbereich besser als in die Ferne. Die Nase zählt zu ihren wichtigsten Sinnesorganen. Damit können sie auch genießbaren von ungenießbarem Eukalyptus unterscheiden.

    Aus der Fachliteratur ist bekannt, dass der Graue Star auch bei Koalas vorkommt. In Duisburg ist Irwin der erste Koala mit dieser Erkrankung. Sie ist durch die vorherige Hornhautverletzung entstanden. In der Regel sind beide Augen von der Linsentrübung betroffen.