Duisburg. Mit einem beispiellosen Gründungsboom leitete Hochfeld den Wandel Duisburgs vom beschaulichen Landstädtchen zur Industriestadt ein.

Über 50 Jahre Boom, rund 80 Jahre normales Großstadtviertel und seitdem „Strukturwandel“, Bewältigung der sozialen Folgen der Jahrzehnte zuvor. Das ist die Geschichte von Hochfeld, jedenfalls seit 180 Jahren. Doch Hochfeld ist natürlich älter.

Eigentlich geht es um das hochwasserfreie Gelände westlich des Dickelsbachs (Kleines Hochfeld). Wir betrachten aber auch die Umgebung der Stadtwerke und der alten Feuerwache an der Friedenstraße. Denn der Dickelsbach als Grenze verschwand 1927 in Höhe Grunewald in einem Kanalrohr. Seine Mündung in den Altrhein war die Grenze zur Altstadt. Über Jahrhunderte prägte er die Gegend, seit man ums Jahr 1000 herum begann, einen Teil des dichten Waldes vor den Toren der Stadt zu fällen.

Dickelsbach in Hochfeld: Legendäre Attacke des Kölner Erzbischofs 1145

1250 wird die Werthauser Rheinfähre erstmals erwähnt. Legendär ist der missglückte Versuch des Erzbischofs von Köln mit seiner Truppe, die Duisburg in einer Nacht des Jahres 1445 einnehmen wollten. Nach dem früheren Stadtarchivar Dr. Günter von Roden wurden sie durch das Geschrei aufgeschreckter Vögel auf der Brücke über den Dickelsbach bemerkt und mussten den Rückzug antreten.

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Wo sich Wanheimer Straße und Heerstraße gabeln, weit außerhalb der Stadt, stand ab 1447 ein Siechenhaus. Für Menschen mit ansteckenden Krankheiten. Gleich unterhalb befand sich eine Richtstätte für die eher seltenen Todesurteile.

Im 17. Jahrhundert wurde der Wald weiter abgeholzt. Vom Verkaufserlös hat der Landesherr in Kleve Kriegsschulden beglichen.

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Vergnügungsviertel und Mühlen wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört

Natürlich nutzte man die Wasserkraft des Dickelsbachs: Da gab es die Herbergermühle (Johanniterstraße/Ecke Heerstraße), im 18. Jahrhundert Walkmühle eines Tuchfabrikanten. Sie wich im 20. Jahrhundert einem Vergnügungsviertel, das im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde.

Beim Siechenhaus stand eine Getreidemühle, die Böninger Mühle, später so genannt nach dem Sommersitz der Fabrikantenfamilie. Auch sie ging im Krieg verloren.

Unterhalb des Richtplatzes stand die Mühle der Familie Sgraven. Dort wurde Pflanzenöl ausgepresst.

Drei Bahngesellschaften boten Gleisanschlüsse an

Eigentlich war die Heerstraße die Verbindung nach Köln. Aber 1771 wurde ein Feldweg, die heutige Düsseldorfer Straße, für die Postkutsche ausgebaut. Drei Faktoren lösten dann den Hochfeld-Boom (siehe Tabelle) aus:

• der Ausbau des Altrheins zum Rheinkanal, heute Außenhafen (ab 1827),

• der Bau von Nord- und Kultushafen

• sowie die Konkurrenz von drei Eisenbahnen um die Gunst der Industrie: Köln-Mindener-Eisenbahn (ab 1849), Bergisch-Märkische Eisenbahn (ab 1864) und Rheinische Eisenbahn (ab 1868). Letztere führte erstmals über den Rhein.

Duisburg-Hochfeld: die Kreuzung Düsseldorfer Straße/Kremerstraße/Mercatorstraße im Jahr 1936.
Duisburg-Hochfeld: die Kreuzung Düsseldorfer Straße/Kremerstraße/Mercatorstraße im Jahr 1936. © Stadtarchiv Duisburg

Bunter Branchenmix, aber katastrophale Wohnverhältnisse

Damit setzte ein Wettlauf um das Bauland ein. Den Anfang machte 1838 die Sodafabrik von Matthes & Weber am Rheinkanal. Siemens Energy geht bis auf die Borussiahütte von 1844 zurück (später Teil der Demag). Platzhirsch war ab 1851 die Niederrheinische Hütte mit bis zu 10.000 Beschäftigten. 1876 kam die Duisburger Kupferhütte dazu.

Damals war Hochfeld das, was sich Stadtplaner wegen der Krisenfestigkeit heute wünschen: Es bot einen bunten Branchenmix.

Etwa 1400 Einwohner zählte Hochfeld 1856. An der Wörthstraße wurden die ersten Schulklassen eingerichtet. Viele Arbeitswillige und ihre Familien zogen zu. Die Besiedlung erfolgte zunächst planlos, nah an den Werken. Versuche der Stadt, ordnend einzugreifen, schlugen fehl. Im Rathaus sprach man 1867 von „schreienden Missständen“. Was in aller Eile an Wohnraum errichtet wurde, war für die Arbeiter schon damals unzumutbar. Aber noch hatten sie kein Sprachrohr.

Mit der katholischen Gemeinde St. Bonifatius begann 1872 eigenständiges kirchliches Leben in Hochfeld. Die Zugewanderten waren meist katholisch. Ihre Kirche trat für die Armen ein. Die Evangelischen zogen 1885 mit dem Bau der Pauluskirche nach. Da hatte Hochfeld bereits 11.368 Einwohner, zehn Jahre später 18.380. In der Spitze, nach 1945, sollten es über 33.000 sein. Zum Vergleich: Ende Mai 2021 hatte Hochfeld offiziell 18.260 Einwohner.

Arbeiterstadtteil und bürgerliches Viertel

Langsam kamen auch Einrichtungen fürs Gemeinwohl hinzu: 1893 das Marienhospital als Unfallkrankenhaus für die Werke, 1898 das Hallenbad an der Heerstraße (1944 zerstört, 1954 wieder eröffnet, 1987 geschlossen), 1900 der Vorläufer des Mercator-Gymnasiums, 1904 das Bethesda-Krankenhaus und die Feuerwache (bis 1995), 1921 der Böninger-Park.

Und Hochfeld war nicht nur Arbeiterstadtteil. 1894 entstand am Brückenplatz ein bürgerliches Viertel. Nahe der Düsseldorfer Straße gab es Villen.

Historische Fotos von Hochfeld

Die Borussiahütte am Rheinkanal um 1850. Heute befindet sich hier der Außenhafen.
Die Borussiahütte am Rheinkanal um 1850. Heute befindet sich hier der Außenhafen. © Stadtarchiv Duisburg | N.N.
Die Eisenbahnfähre nach Rheinhausen um 1870.
Die Eisenbahnfähre nach Rheinhausen um 1870. © Stadtarchiv Duisburg | N.N.
Blick vom Grunewald über die Düsseldorfer Straße mit den ersten Fabriken in Hochfeld um 1875.
Blick vom Grunewald über die Düsseldorfer Straße mit den ersten Fabriken in Hochfeld um 1875. © Stadtarchiv Duisburg | N.N.
Blick auf die Fabrik für feuerfeste Steine von H. J. Vuygen & Co. an der Wörthstraße um 1890.
Blick auf die Fabrik für feuerfeste Steine von H. J. Vuygen & Co. an der Wörthstraße um 1890. © Stadtarchiv Duisburg | N.N.
Blick von der Hochfelder Brücke auf den Gleisanschluss der Niederrheinischen Hütte um 1900.
Blick von der Hochfelder Brücke auf den Gleisanschluss der Niederrheinischen Hütte um 1900. © Stadtarchiv Duisburg | N.N.
Flöße auf dem Dickelsbach zwischen Plessingstraße (li.) und Heerstraße (re.) um 1910.
Flöße auf dem Dickelsbach zwischen Plessingstraße (li.) und Heerstraße (re.) um 1910. © Stadtarchiv Duisburg | N.N.
Ein Ausflugsziel: das Restaurant Grunewald im Jahr 1912.
Ein Ausflugsziel: das Restaurant Grunewald im Jahr 1912. © Stadtarchiv Duisburg | N.N.
Auf der Heerstraße herrscht im Jahr 1924 Hochwasser.
Auf der Heerstraße herrscht im Jahr 1924 Hochwasser. © Stadtarchiv Duisburg | N.N.
Die Böninger Mühle im Böniger Park war ab 1924 Duisburgs erste Jugendherberge.
Die Böninger Mühle im Böniger Park war ab 1924 Duisburgs erste Jugendherberge. © Stadtarchiv Duisburg | N.N.
Im Jahr 1929 aufgenommen: Der Löschzug vor der Feuerwache an der Friedenstraße.
Im Jahr 1929 aufgenommen: Der Löschzug vor der Feuerwache an der Friedenstraße. © Stadtarchiv Duisburg | N.N.
Das Foto zeigt die Villa des Konsuls Gottschalk an der Friedenstraße 105 um 1930.
Das Foto zeigt die Villa des Konsuls Gottschalk an der Friedenstraße 105 um 1930. © Stadtarchiv Duisburg | N.N.
Blick auf das Eckhaus Wanheimer Straße/Liebfrauenstraße im Jahr 1932.
Blick auf das Eckhaus Wanheimer Straße/Liebfrauenstraße im Jahr 1932. © Stadtarchiv Duisburg | N.N.
Blick auf die Kreuzung Düsseldorfer Straße/Kremerstraße/Mercatorstraße im Jahr 1936.
Blick auf die Kreuzung Düsseldorfer Straße/Kremerstraße/Mercatorstraße im Jahr 1936. © Stadtarchiv Duisburg | N.N.
Das Foto zeigt die Kreuzung Marientor/Charlottenstraße im Jahr 1939.
Das Foto zeigt die Kreuzung Marientor/Charlottenstraße im Jahr 1939. © Stadtarchiv Duisburg | N.N.
Das Bethesda-Krankenhaus vor dem Ersten Weltkrieg.
Das Bethesda-Krankenhaus vor dem Ersten Weltkrieg. © Stadtarchiv Duisburg | N.N.
Die Aufnahme zeigt das im Zweiten Weltkrieg zerstörte Demag-Werk an der Werthauser Straße.
Die Aufnahme zeigt das im Zweiten Weltkrieg zerstörte Demag-Werk an der Werthauser Straße. © Stadtarchiv Duisburg | N.N.
Nach dem Bombenangriff vom Mai 1944: das Mercator-Gymnasium an der Musfeldstraße. 
Nach dem Bombenangriff vom Mai 1944: das Mercator-Gymnasium an der Musfeldstraße.  © Stadtarchiv Duisburg | N.N.
Trümmerlandschaft am Marienhospital an der Wanheimer Straße mit der Bonifatiuskirche im Hintergrund im März 1945.
Trümmerlandschaft am Marienhospital an der Wanheimer Straße mit der Bonifatiuskirche im Hintergrund im März 1945. © Stadtarchiv Duisburg | N.N.
Die Gaststätte Siechenhaus an der Ecke Wanheimer Straße/Heerstraße wurde um 1965 fotografiert.
Die Gaststätte Siechenhaus an der Ecke Wanheimer Straße/Heerstraße wurde um 1965 fotografiert. © Stadtarchiv Duisburg | N.N.
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Zweiter Boom nach 1945 und ein Musicaltheater als Krönung

1933 entstand die Brücke nach Rheinhausen. Sie wurde 1945 von den Deutschen selbst wieder zerstört, 1950 neu gebaut. Der Wiederaufbau nach 1945 löste einen neuen Boom aus. Sein Abschluss war um 1970 das neue Hochhausviertel an der Plessingstraße.

Wenig später wurden viele Firmen von der Krise der Stahlindustrie erfasst. Tausende von Jobs gingen verloren. Hochfeld schrumpfte.

Die überfällige Sanierung der Arbeiterviertel kam erst seit den 80er Jahren voran. Der Grüngürtel wurde angelegt, die Umgehungsstraße gebaut, später der Rheinpark.

Sozusagen als Krönung kam 1996 das Musicaltheater. Trotzdem ist Hochfeld „Stadtteil mit besonderem Erneuerungsbedarf“. Viele billige Wohnungen waren nur noch für Zugewanderte interessant. Die machen wieder, wie schon vor über 100 Jahren, die Mehrheit aus.