Duisburg. Der Rhein führt Niedrigwasser. Was Experten aus Duisburg prognostizieren und wie Schiffer und Unternehmen auf die Situation reagieren.
Christian Hellbach vom Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt (WSA) Rhein bringt es auf den Punkt: „Wir brauchen dringend Niederschläge“. Von seinem Büro in Duisburg-Homberg aus hat er einen tollen Ausblick auf den Rhein und den gegenüberliegenden Ruhrorter Hafen. Zu sehen ist so auch das trocken gefallene Ufer, das um diese Zeit sonst noch zum Flussbett gehört und Wasser führt.
„Niedrigwasser ist um diese Zeit schon ungewöhnlich“, erklärt der Schifffahrtsexperte. „Niedrige Wasserstände haben wir in jedem Jahr“, fährt Hellbach fort, „aber so früh noch nie, normalerweise muss man damit eher im September rechnen“.
Grund für den jetzt schon niedrigen Wasserstand des Rheins ist die lang anhaltende Trockenheit, die auch anderweitig vielfach für Probleme sorgt. Auch die Schneeschmelze in den Alpen hat in diesem Jahr nicht genug gebracht, dass dem Rhein Wasser in den sonst üblichen Mengen zugeführt wurde.
Derzeit zeigt der Ruhrorter Pegel einen Stand von 197 Zentimeter an (Stand Montagnachmittag), ein Wert, der sich nach der aktuellen Wetterlage noch für einen längeren Zeitraum auf niedrigem Niveau einpendeln wird, vermutet der WSA- Sprecher: „Regnen muss es in Süddeutschland, und das kräftig und über einen längeren Zeitraum. Nur so werden auch die Nebenflüsse des Rheins gefüllt, die für den dringend benötigten Wasserzufluss des Rheins sorgen.“
Niedrigwasser im Rhein: Binnenschiffer fahren eigenverantwortlich
Das letzte gravierende Niedrigwasser gab es 2018, der Ruhrorter Pegel zeigte vor vier Jahren mit 153 cm einen Negativ-Rekord an, der zu einer starken Behinderung des Schiffsverkehrs führte. Damals waren die Auswirkungen für die Wirtschaft beträchtlich. Kein Wunder, denn zum Beispiel im Jahr 2019 betrug das gesamte Transportvolumen auf der Strecke zwischen Rheinfelden und der niederländisch-deutschen Grenze 150 bis 170 Millionen Tonnen. Bei Niedrigwasser können die Schiffe nicht mehr voll beladen werden, die Transportkosten verteuern sich erheblich.
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Die für die verschiedenen Rhein-Abschnitte zuständigen WSA-Behörden haben den Auftrag, eine Fahrrinnentiefe vorzuhalten, die das Befahren des Rheins auch bei schwierigeren Wasserstandshöhen noch ermöglicht. So können die Binnenschiffer im Gültigkeitsbereich des Ruhrorter Pegels mit einer Fahrrinnentiefe kalkulieren, die knapp 50 cm über dem aktuellen Pegelwert liegt. Bei einem Pegelstand von 190 Zentimeter können die Schiffsführer demnach von einer befahrbaren Tiefe von noch 240 Zentimeter ausgehen, wie Christian Hellbach erläuterte.
Die Duisburger Außenstelle des WSA Rhein kontrolliert dabei den Streckenabschnitt zwischen der niederländischen Grenze und Düsseldorf. „Wir sind mit unseren Booten ständig draußen, und überprüfen die Fahrrinne auf auftretende Untiefen“, denn: „Wenn sich ein Schiff festfährt, haben wir ein Problem“ macht Hellbach deutlich.
Er betont, dass es bei Niedrigwasser – anders als beim Hochwasser – keine Einschränkungen des Schiffsverkehrs gibt: „Da fährt jeder Binnenschiffer eigenverantwortlich, die kennen aber auch den Rhein ganz genau und finden in der Regel den geeigneten Weg.“
Binnenschiffer kann seine MS Annabell nur mit 50 Prozent beladen
Einer der Binnenschiffer, die derzeit auf dem Rhein unterwegs sind, ist Peter Rohling. Er ist Eigner der 105 Meter langen MS Annabell, die in diesen Tagen auf dem Weg von Metz im Norden Frankreichs mit einer Ladung Sonnenblumenkerne nach Neuss ist. Sonst fährt er hauptsächlich Kohle, Schrott und Baustoffe. Das Ladevolumen seines Schiffs beträgt 2380 Tonnen.
Mit der Aussage „Ein Lkw kann in der Regel 25 Tonnen transportieren“ macht der Binnenschiffer auch deutlich, wie umweltfreundlich seiner Ansicht nach der Transport von Waren per Schiff ist. Rohling befährt den Rhein und seine Nebenflüsse je nach Auftrag von Süddeutschland bis zu den Seehäfen Rotterdam, Amsterdam und Antwerpen.
Derzeit kann auch er sein Schiff nur maximal bis zu 50 Prozent beladen. Das ist noch ein guter Wert, vielfach sind die Schiffe auf dem Rhein nur zu 30 Prozent befüllt. Auch wenn das Niedrigwasser erhöhte Aufmerksamkeit erfordert, ganz unglücklich ist Rohling über die Situation nicht, denn: „Die Frachtraten befinden sich aktuell auf Höchstniveau.“
Das liegt an der großen Nachfrage nach dem knapp gewordenen Frachtraum. Die treibt den Frachtpreis in die Höhe. Partikulier Rohling gibt zu bedenken, dass die Schiffsführer immer ihre gesamte Route im Auge haben müssen, wenn sie bei Niedrigwasser Güter transportieren: „Maßgeblich für das Beladen ist immer der Bereich mit der geringsten Fahrrinnentiefe.“ Da ist der Mittelrhein bei Kaub eine besonders kritische Stelle. Dort wird aktuell ein Pegel von 71 cm angezeigt, der zu besonderer Wachsamkeit Anlass gibt.
Rohling muss bei seinen Aufträgen gut rechnen und die unterschiedlichen Wasserstände des Rheins ständig im Blick haben, um die Güter sicher zum Zielort zu bringen. Er kennt seine Annabell gut, er weiß genau: „Ich brauche 30 Zentimeter Wasser unterm Schiff, um noch fahren zu können.“
Frachtpreise auf einem hohen Niveau
Guido Le Large vom Duisburger Logistikunternehmen Mercator-Shipping, das auf die Befrachtung von Binnenschiffen spezialisiert ist, erläutert die Situation aus Sicht der Kunden. „Die Frachtpreise befinden sich derzeit auf einem hohen Niveau. Das liegt an der durch das Niedrigwasser stark verringerten Ladekapazität der Schiffe, die Nachfrage nach Schiffsraum ist entsprechend groß. Um die geringere Auslastung der Schiffe ausgleichen zu können, werden Kleinwasserzuschläge gezahlt.“
Das ist aber noch nicht alles, wie der Befrachtungsexperte erklärt: „Zusätzlich zu den Zuschlägen verursacht die erhöhte Nachfrage Kosten für die Ladungsgeber, die weit darüber hinausgehen.“
Le Large macht klar, dass Kunden oft mit dem Transport nicht auf finanziell günstigere Zeiten warten können, da viele Güter „just in time“ an ihren Bestimmungsorten erwartet werden. Das sei insgesamt eine große Belastung für viele Unternehmen, mittlerweile sei die Reise eines beladenen Binnenschiffes doppelt so teuer wie noch vor einem Jahr. Da aber die Schiffe nur zum Teil beladen werden können, bedeute das für den Frachtzahler, „dass der Transport der Ladung insgesamt viermal so teuer wie vor einem Jahr“ sein kann.
>>Die letzten Pegelstände
- Mo., 1. August, 13 Uhr: 197 cm
- So., 31. Juli: 191 cm
- Sa., 30. Juli: 191 cm
- Fr., 29. Juli: 194 cm
- Do., 28. Juli: 194 cm
>>Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt (WSA) Rhein
- Das WSA Rhein mit Sitz in Duisburg-Homberg geht aus den ehemalig selbstständigen Wasserstraßen- und Schifffahrtsämtern Bingen, Köln und Duisburg hervor. Um weiterhin möglichst ortsnah erreichbar zu sein, bleiben die drei Standorte in Bingen, Köln und Duisburg auch nach der Neuorganisation im Jahr 2020 erhalten.
- Das WSA Rhein ist für den circa 370 km langen Abschnitt des Rheins zwischen Mainz und der deutsch-niederländischen Grenze Rhein zuständig.