Duisburg. Immer mehr Menschen verlassen die katholische Kirche – auch in Duisburg. Stadtdechant Winkelmann redet offen über die Gründe. Was er nun fordert.
Die katholische Kirche in Deutschland verzeichnet eine Rekordzahl an Austritten. Die Entwicklung macht auch vor Duisburg nicht Halt. Stadtdechant Roland Winkelmann redet schonungslos offen über die Gründe, spricht über seine eigene Hilflosigkeit und stellt klare Forderungen.
Duisburg- So viele Katholiken wenden sich von der Kirche abDer jahrzehntelange sexuelle Missbrauch an Kindern und Jugendlichen und der Umgang der katholischen Kirche mit diesen „unvorstellbaren Vorgängen“ habe sicher zur Austrittswelle beigetragen. „Die Verantwortlichen haben mehr auf den Ruf der Institution geachtet als auf den Beistand und die Hilfe für die Opfer“, so Winkelmann. „Das ist der Skandal nach dem Skandal. Dazu gehört auch, dass die Betroffenen immer noch darum kämpfen müssen, zu ihrem Recht zu kommen und wahrgenommen zu werden.“
„Wir verlieren in Duisburg mittlerweile viele Mitglieder aus dem Kern der Gemeinden“
Und weiter: „Wir verlieren in Duisburg mittlerweile viele Mitglieder aus dem Kern der Gemeinden“, so der Stadtdechant. Es sind jene, die der Kirche lange nah standen und sich jetzt „enttäuscht und verzweifelt“ abwenden. „Wir verlieren viele gute Menschen, die mir sagen, dass sie es vor ihren Kindern oder Enkeln nicht mehr verantworten können, dieser Institution anzugehören“, sagt Winkelmann. „Das richtet sich nicht gegen die Akteure vor Ort, sondern da geht es um die kirchliche Großwetterlage.“
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Er spüre dann sehr oft eine große Hilflosigkeit, „weil ich dem, was die Menschen sagen, nichts entgegenzusetzen habe“, so der Stadtdechant. „Manchmal werde ich schon müde, weil ich mich frage, wie es weitergehen soll. Wie sieht es in fünf Jahren aus? Wer ist dann überhaupt noch dabei?“
Er ärgere sich aber darüber, dass „jedes Bistum nun alle vier Wochen ein eigenes Gutachten zum Missbrauchsskandal vorstellt“, erklärt der 58-Jährige. „So etwas muss einmal bundesweit aufgearbeitet werden, sonst bleibt es natürlich medial ein Dauerthema.“
Umgang mit Homosexuellen und Geschiedenen
Dabei gebe es darüber hinaus noch weitere Aspekte, die die katholische Kirche aus seiner Sicht belasten. Da gehe es zum Beispiel um die Wertschätzung der Frau mit Blick auf kirchliche Ämter oder den Umgang mit Homosexuellen und Geschiedenen. „Das müssen wir alles ändern.“
Die katholische Kirche stecke längst in einer ganz existenziellen Krise und werde zurecht oft mit einem schweren Tanker verglichen, der sich nur ganz langsam bewege. Mut machen dem Stadtdechanten „die Menschen, auch junge, die sich immer noch engagieren“.
Lob für den Kurs von Bischof Franz-Josef Overbeck
Außerdem befürwortet er den eingeschlagenen Kurs von Bischof Franz-Josef Overbeck im Bistum Essen. „Mir gefällt nicht nur sein Umgang mit dem Missbrauchsskandal. Er hat sich zum Beispiel auch dafür eingesetzt, dass Gemeindereferentinnen taufen oder ehrenamtliche Beerdigungen durchführen können.“
Trotzdem macht sich der Stadtdechant nichts vor: „Alles, was wir jetzt tun, wird die Austrittswelle zunächst nicht abbremsen können“, so Winkelmann. „Da müssen wir jetzt durch. Aber ich habe die Hoffnung, dass wir am Ende eines Läuterungsprozesses den Glauben wieder leben und missionarisch unterwegs sein können, um Menschen wieder für die Kirche zu begeistern.“