Duisburg. Nach den Häuserräumungen in Duisburg-Hochfeld haben 70 Personen am Mittwoch gegen das Vorgehen protestiert. Betroffene berichten.
Rund 70 Personen haben am Mittwochabend in Hochfeld gegen die erneute Räumung von Häusern durch die Stadt Duisburg protestiert. Diesmal hatte die Stadt am Montag die Gebäude an der Karl-Jarres-Straße 70-82 kontrolliert und anschließend still gelegt. 141 Bewohner, vornehmlich aus Bulgarien und Rumänien, waren dort gemeldet. Die Stadt teilte mit, sie habe mit dem Einsatz auf Beschwerden von Anwohnern reagiert.
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Betroffene waren zwar nicht zur Kundgebung, die vor der Pauluskirche stattfand, gekommen – sie waren damit beschäftigt, neue Bleiben für sich und die Familien zu organisieren.
Unter den Anwesenden war aber eine Familie, deren Wohnung im Februar an der Gravelottestraße geräumt wurde. Der Verein „Solidarische Gesellschaft der Vielen“, der auch die Kundgebung organisierte, hatte der Familie zur Seite gestanden und etwa beim Übersetzen oder bei der Kommunikation mit den Ämtern geholfen.
Häuserräumung in Duisburg-Hochfeld im Februar: Betroffene berichten, wie es für sie weiterging
Die Mitglieder des Vereins wissen: Die Familien müssen in einem Zeitraum von wenigen Stunden ihre Wohnungen verlassen und Unterstellmöglichkeiten für ihre Möbel und sämtliches Hab und Gut finden. Sie sind von jetzt auf gleich obdachlos und im schlimmsten Fall auch noch mittellos. Unter den Betroffenen im Februar war auch Marina mit ihren sechs Kindern. Sie lebte mit ihrer Schwester zusammen. „Es war schwer, etwas zu finden“, berichtet sie – ihre Tochter übersetzt. Zum Glück haben sie nach einigem Suchen etwas gefunden. „Die Wohnung ist größer, aber wir vermissen trotzdem die andere, da haben wir schließlich sechs Jahre gewohnt“, erklärt sie.
Von der Gravelottestraße waren die kleineren Kinder außerdem in ein paar Minuten in der Schule. Die Größere besucht die Gesamtschule Globus am Dellplatz. „Wir gehen alle zur Schule und in den Kindergarten. Wir sind pünktlich und uns ist Schule wichtig“, erzählt eine Tochter. Die Grundschule habe die Familie in der schwierigen Lage ebenfalls sehr unterstützt.
Andy, selbst Roma, übersetzt die Berichte für die Teilnehmer der Kundgebung auf Deutsch – und die Solidaritätsbekundungen der Hochfelder für die Familie. Klaus Steffen fordert stellvertretend für den Verein: „Eine Häuserräumung kann nur das allerletzte Mittel sein, in einem ordnungsamtlichen Vorgang zwischen den Vermietern und den Behörden. Die Behebung von gravierenden Mängeln und die Verhinderung von Wohnungslosigkeit müssen weiterhin im Vordergrund stehen.“ Und weiter: „Wir fordern umfassende Transparenz und eine Informationspflicht über anstehende Räumungen seitens der Behörden: nicht nur an die Vermieter, sondern vor allem an die unmittelbaren Leidtragenden: die Bewohner.“ Diese müssten von der Stadt frühzeitig in ihrer Muttersprache informiert werden.
Die Partei „Die Linke“ unterstützt die Forderungen, war mit zahlreichen Politiker vor Ort an der Pauluskirche und hat in der Vergangenheit auch im Rat der Verwaltung und dem Oberbürgermeister immer wieder kritische Fragen gestellt. In einer Stellungnahme konstatieren sie: „Allein im direkten Umfeld der Gravelottestraße haben innerhalb eines Jahres hunderte Menschen aus Bulgarien und Rumänien – darunter viele Kinder – ihre Bleibe verloren. Es sind Szenen, die erschütternd sind und an die man sich nie gewöhnen wird. Auch wenn sie in Duisburg seit Jahren zum Alltag gehören.“
Erkan Kocalar, Fraktionsvorsitzender der Linken sagt: „Wir sind erschüttert und sprachlos, wie hier mit Menschen umgegangen wird.“ Der Schutz von Leib und Leben und der Kampf gegen „gierige, rücksichtslose und zum Teil kriminelle Vermieter“ sei wichtig und müsse auch in Zukunft weitergeführt werden. „Allerdings rechtfertigt nichts die Vorgehensweise der Stadt Duisburg. Es gibt Alternativen.“
Anfang Mai war zum ersten Mal im Vorfeld eine mögliche Häuserräumung bekannt geworden. Ein Schreiben vom Jobcenter an Bewohner des Hauses Gravelottestraße 48 legte nahe, dass die Personen von der Adresse abgemeldet werden sollten. Da der Vermieter allerdings bereits eine Brandschutztür eingebaut hatte und auch andere Mängel behoben wurden, sagte die Stadt die Begehung ab. Die „Solidarische Gesellschaft der Vielen“ veranstaltete eine Mahnwache und wollte mit der Task Force Schrottimmobilien ins Gespräch kommen. „Allerdings ist der Termin kurzfristig aus Krankheitsgründen abgesagt worden“, erklärt die Vorsitzende Lena Wiese. Sie und die anderen Kundgebungsteilnehmer ahnen: Es werde nicht der letzte Einsatz der Task-Force sein – weiterer Protest wird nötig sein.