Duisburg. Im Lehmbruck-Museum ist jetzt „Ruth Drawing Picasso“ von Rineke Dijkstra zu sehen. Warum die Skulptur eine echte Attraktion für Duisburg ist.

Die Stadt Duisburg ist um eine Attraktion reicher. Zwar nur auf Zeit, doch trotzdem: Die Videoarbeit der niederländischen Künstlerin Rineke Dijkstra strahlt weit über das Lehmbruck-Museum hinaus, wo sie vom 13. Mai bis zum 28. August im Rahmen der Reihe „Sculpture 21st“ ausgestellt ist. Die Videoskulptur „Ruth Drawing Picasso“ ist nämlich in der Glashalle des Museums aufgebaut, die riesige LED-Wand, auf der das Werk zu sehen ist, blickt durch den Kantpark die Düsseldorfer Straße hinunter Richtung Lifesaver.

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Ruth ist eine englische Schülerin, die Dijkstra im Tate-Museum in Liverpool gefilmt hat. Sie sitzt in ihrer Schuluniform auf dem Boden, die Beine von sich gestreckt, und malt für ein kunstpädagogisches Projekt die „Weinende Frau“ von Picasso. Hochkonzentriert, die Unterlippe zwischen den Zähnen, zeichnet sie Picassos Meisterwerk ab und blickt nur gelegentlich auf das Original, das sich hinter der Kamera von Rineke Dijkstra befindet.

Neue Skulptur in Duisburg besticht mit liebevollem Dolchstoß

Und genau dieser Aspekt der Skulptur macht ihre Magie aus. Ruth blickt gleichzeitig am Betrachter vorbei und in ihn hinein, stoisch und natürlich. Das ist ein wichtiger Punkt für die Künstlerin, die zur Vorstellung ihres Werks selbst nach Duisburg gekommen ist. „Ich möchte Leute filmen und fotografieren, die sich der Kamera, soweit möglich, nicht bewusst sind.“

Mit diesem Ansatz schaffte die Niederländerin auch ihren Durchbruch: Mit Fotos von jungen Menschen, die nicht für die Kamera posieren, sondern einfach da sind. Genau wie Ruth.

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Die Konzentration und die innere Ruhe der Schülerin, die durch ihre Fokussierung auf eine einzige Aufgabe zustande kommt, erfassen den Betrachter der Skulptur sofort. Der gelegentliche Blick auf das Werk von Picasso, und damit in die Augen des Betrachters, ist so etwas wie ein liebevoller Dolchstoß. Das Gefühl des Ertapptwordenseins schleicht sich in den Zuschauer – wobei ertappt? Das bleibt ungeklärt.

Ruth malt Duisburg

Von draußen ist Dijkstras Werk ungleich beeindruckender. Eine riesige Ruth scheint auf dem Boden der Glashalle zu sitzen, und ihr Blick zum Gemälde wird zum Blick in die Stadt. Wohin genau Ruth schaut, in den Kantpark, auf den Lifesaver, auf die Duisburger, bleibt der Interpretation des Betrachters überlassen.

Auf jeden Fall gelingt es Dijkstra und den Kuratoren des Lehmbruck-Museums aber, die Stadt selbst zum Teil der Skulptur zu machen – „Ruth Drawing Duisburg“. Ohne das Museum also um seine wohlverdienten Eintrittsgelder bringen zu wollen: Die volle Wucht von „Ruth Drawing Picasso“ entfaltet sich erst außerhalb der Museumsmauern.

Künstlerin Rineke Dijkstra fordert die Duisburger auf, sich Ruth ganz genau anzusehen.
Künstlerin Rineke Dijkstra fordert die Duisburger auf, sich Ruth ganz genau anzusehen. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Das empfindet auch die Künstlerin so. „Bei Dunkelheit sieht es wirklich so aus, als würde Ruth im Museum sitzen“, erklärt Rineke Dijkstra im Gespräch mit Museumsdirektorin Dr. Söke Dinkla. Die Niederländerin fordert alle Betrachter ihrer Skulptur dazu auf, „sich Ruth ganz genau anzusehen“. Es gebe viel zu entdecken, und die überlebensgroße Skulptur mache es einfacher, die Mimik von Ruth zu beobachten. „Außerdem ist es im echten Leben ja unhöflich, jemanden so lange anzustarren, aber hier geht es“, sagt Dijkstra schmunzelnd. Mit „Ruth Drawing Picasso“ habe sie versucht, „etwas Ehrliches einzufangen“. Es ist ihr gelungen.

>> „RUTH DRAWING PICASSO“ IM LEHMBRUCK-MUSEUM SEHEN

  • Das Lehmbruck-Museum, Friedrich-Wilhelm-Straße 40, hat dienstags bis freitags von 12 bis 17 Uhr, samstags und sonntags von 11 bis 17 Uhr geöffnet. Eine Einzelkarte für das ganze Museum mit allen Werken kostet neun Euro, ermäßigt fünf Euro.
  • Die Skulptur „Ruth Drawing Picasso“ wird am 12. Mai um 19 Uhr offiziell eröffnet. Die große LED-Wand bleibt bis zum 28. August im Museum. Mehr Informationen zur Ausstellung und zum Lehmbruck-Museum gibt es im Internet unter lehmbruckmuseum.de.