Duisburg. Polizisten haben einen 13-Jährigen bei einem Einsatz in Duisburg am Boden fixiert. Ein Video kursiert im Internet. Junge und Polizei äußern sich.
Die Polizei hat in der vergangenen Woche in Duisburg-Vierlinden einen 13-Jährigen wegen der Beschädigung eines Wahlplakates festgenommen und ihn dabei am Boden fixiert (wir berichteten). Die Familie des Jugendlichen ist über das Vorgehen schockiert, im Internet kursiert ein Video vom Einsatz. Aber von den Geschehnissen, die im Webvideo nicht gezeigt werden, gibt es unterschiedliche Darstellungen der Beteiligten.
Der Polizeibericht zu dem, was sich am Dienstag, 12. April, auf dem Franz-Lenze-Platz zugetragen hat, beschreibt den Einsatz aus der Sicht der Behörde zunächst nüchtern: Zeugen hätten um 18.45 Uhr die Einsatzkräfte alarmiert, weil dort eine Gruppe Jugendlicher ein Plakat der SPD abgerissen habe. Ein 13-Jähriger habe sich den Beschreibungen nach als Haupttäter herausgestellt. Weil er aber flüchten wollte und eine Beamtin getreten habe, wurde er festgenommen, später an der Wache Hamborn den Eltern übergeben.
Video von Polizeieinsatz in Duisburg zeigt Fixierung am Boden
Nun wird es jedoch emotional: Passanten haben den Einsatz mit dem Smartphone gefilmt. Ausschnitte davon verteilen sich über Facebook und Whatsapp rasend schnell. Die Bewegtbilder zeigen, wie ein Polizist auf dem Schulter-/Halsbereich des 13-Jährigen kniet. Der Junge weint. „Was soll das denn?“, fragt ein Unbekannter aus dem Stimmenwirr im Hintergrund. „Er will wegrennen“, antwortet ein Polizist, der dem Jugendlichen dann mit einer Kollegin Handschellen anlegt, den etwa zehn anwesenden Passanten.
„Muss so ein Vorgehen gegen einen 13-Jährigen sein?“, fragt Mehmet Kurulay, Vorsitzender von „Save my Child“. Das ist ein Verein, der nach eigener Beschreibung „Brückenverbindung zwischen Eltern und Ämtern“ sein möchte. An ihn haben sich die Eltern des Teenagers gewandt, weil sie in dieser Ausnahmesituation überfordert gewesen seien: „Wir sagen, dass das vollkommen übertrieben und unangemessen war.“
Darstellungen über Fluchtversuch und Tritte gehen auseinander
Der Jugendliche erklärt auf Nachfrage der Redaktion, dass er an dem Abend mit drei Freunden unterwegs gewesen sei. Sie hätten sich geschubst, er sei gestolpert und habe dann das Plakat aus Versehen abgerissen, behauptet er gegenüber der Redaktion. Eine Frau habe geschrien und die Polizei alarmiert.
Dann folgen die Momente, die auf den bisher bekannten Videoausschnitten noch nicht zu sehen sind. Auf dem benachbarten Spielplatz trifft die Streifenwagenbesatzung auf den Jungen und nimmt seine Personalien auf – einen Ausweis oder Schülerausweis hat er nicht dabei. Bis dahin gleichen sich die Darstellungen des 13-Jährigen und der Polizei.
Als die Beamten dem Teenager eröffneten, dass sie ihn nun zu den Eltern bringen werden, soll der Jugendliche nach Polizeiangaben versucht haben zu fliehen. „Ich habe nur einen Schritt zurückgemacht“, sagt dagegen der Junge im Gespräch mit der Redaktion. „Danach konnte ich nichts machen, habe mich auch nicht gewehrt“, behauptet er. Und legt nach: Im Polizeiwagen sei vor allem der männliche Polizist aggressiv gewesen.
Keine Disziplinarmaßnahmen, Familie berät sich mit Anwalt
Die Polizei hat den Einsatz am Dienstagmorgen im Beisein des neuen Polizeipräsidenten Alexander Dierselhuis analysiert. Polizeisprecherin Jacqueline Grahl spricht im Anschluss von einem „normalen Prozedere“. Wer sich wehrt oder fliehen möchte, werde festgehalten und fixiert. „Die Beamten können doch nicht wissen, wer ihnen da gegenübersteht und müssen das Gesetz anwenden“, erklärt sie.
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Aus Polizeikreisen wird bestätigt, dass die Fixierung im Hals- und Schulterbereich in diesem Fall dem normalen Vorgehen entsprochen habe. „Aber es sieht natürlich auf Videoausschnitten schlimm aus“, ordnet Grahl ein.
Intern sehe man keinen Anlass, eine Überprüfung oder gar disziplinarische Maßnahmen gegen die beiden Einsatzkräfte einzuleiten. Über das Beschwerdemanagement der Behörde sind Schreiben zu dem Einsatz eingegangen. Diese werden nun bearbeitet. Die Familie des 13-Jährigen berät mit einem Anwalt über rechtliche Schritte. Sollte eine Anzeige gegen die Polizisten gestellt werden, würde die Polizei Düsseldorf als neutrale Behörde die Ermittlungen übernehmen.
13-Jähriger sagt: „Mir geht es richtig schlecht“
Der Vater des Jugendlichen berichtet, dass sein Sohn nach dem Einsatz oft weine und traumatisiert sei. „Mir geht es richtig schlecht“, sagt der 13-Jährige. Der Familie sei wichtig, dass es ihr nicht um Politik gehe und sie die Polizei nicht unter Generalverdacht stellen wolle, betont Mehmet Kurulay. Auch tue der Migrationshintergrund der Familie hier seiner Ansicht nach nichts zur Sache. „Wir glauben einfach, dass zwei Polizisten überfordert waren und falsch gehandelt haben“, erklärt Kurulay.
Abseits der rechtlichen Überlegungen wünscht sich der Vater des Jungen ein Gespräch mit der Polizei. Er möchte nicht, dass sein Kind wegen des Vorfalls Angst vor Polizisten habe. „Er soll nicht die Straßenseite wechseln, wenn er jemanden in Uniform sieht“, sagt der Walsumer.
Die Antwort aus dem Präsidium: „Wir verschließen uns dagegen nicht. Sollte jedoch eine Anzeige gestellt werden, befinden wir uns in einem laufenden Verfahren und müssen das bewerten“, gibt Jacqueline Grahl zu bedenken.
>> Verfahren gegen 13-Jährigen wird eingestellt
- Die Polizei hat Anzeige gegen den 13-Jährigen wegen Sachbeschädigung und Widerstands gestellt.
- Die Staatsanwaltschaft wird das Verfahren allerdings einstellen, da der Jugendliche noch keine 14 Jahre alt und somit strafunmündig ist. „Da ist der normale Gang“, ordnet Polizeisprecherin Jacqueline Grahl ein.