Duisburg. Nach langer Arbeitslosigkeit braucht der Wiedereinstieg in einen Beruf oft Zeit. Deshalb lobt das Jobcenter Duisburg das Teilhabe-Chancengesetz.
Je länger die Arbeitslosigkeit, desto schlechter die Chancen, wieder einen Job zu bekommen. Das Teilhabe-Chancengesetz, 2019 in Kraft getreten, soll möglichst vielen Betroffenen aus diesem Dilemma helfen. Für 1236 Frauen und Männer in Duisburg ist das gelungen. Nach drei Jahren zieht Frank Böttcher deshalb eine positive Bilanz. „Wir haben endlich ein Instrument bekommen, das langfristig wirkt“, sagt der Leiter des Jobcenters. Das übernimmt für die ersten beiden Jahre den Lohn und begleitet die Bewerber.
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Dass die Hälfte der Langzeit-Arbeitslosen bei privaten Unternehmen eine neue Chance bekommen hat, ist für Böttcher eine Bestätigung. Auch die Unternehmen der Sozialwirtschaft haben sich stark engagiert, etwa das Diakoniewerk, das in seinen KaDeDi-Läden Qualifizierung und Beschäftigung anbietet. Nicht alle können dort langfristig arbeiten - aber für viele ist es Wiedereinstieg ins Berufsleben und Sprungbrett in den Arbeitsmarkt.
Firmeninhaber aus Duisburg machte sich nach Arbeitslosigkeit selbstständig
Die eigene Erfahrung mit Arbeitslosigkeit auch für Frank Mayer ein Grund, sich als einer der ersten Arbeitgeber mit einem Jobangebot zu beteiligen. Nach 30 Jahren bei Rüttgers in Meiderich traf ihn 2003 der Personalabbau.
Der Schlossermeister machte sich selbstständig, sein Neumühler Unternehmen HPS ist auf Instandhaltung, Prüfung und Verkauf von hydraulischen und pneumatischen Komponenten spezialisiert. Viele Kunden kommen aus der Binnenschifffahrt: In Duisburg, aber auch in den Häfen von Hannover bis Mainz sind seine Monteure gefragt, wenn es gilt, Bauteile auszutauschen oder Defekte zu beheben.
Eingestellt hat Frank Mayer eine Frau für die Buchhaltung. Die Einarbeitung der gelernten Verkäuferin habe sich zunächst gut angelassen, doch dann hätten die Schwierigkeiten zugenommen. „Ich musste die Reißleine ziehen“, berichtet der 62-Jährige, „aber ich wusste, dass das passieren kann.“ Deshalb hat er sich nicht entmutigen lassen. Seit November gehört nun Heiko Schlizio zum Betrieb. „Ich bin sehr zufrieden mit ihm, er ist engagiert, pünktlich, lernwillig“, sagt sein Chef. Mit dem Rad kommt Schlizio täglich zur Arbeit. „Wenn er einen Führerschein hätte, wäre das toll“, sagt Mayer, „die meiste Arbeit machen wir bei unseren Kunden.“
Auch ÖPNV-Training ist Teil des Coachings der Bewerber durch das Jobcenter
„Mal sehen, was wir machen können“, sagt Michael Synowczyk. Das Coaching, die Begleitung der Bewerber, das Ausräumen von Hürden auf dem Weg zu einem langfristigen Job gehöre mit zum Coaching des Jobcenters, erklärt der Teamleiter. „Das beginnt mit der Begleitung zum Arbeitgeber und der Vorstellung. Bei manchen geht das dann mit einem ÖPNV-Training weiter.“
Der Pool, aus dem die Berater schöpfen können ist groß. Auf rund 18.000 Frauen und Männer schätzt die Michael Synowczyk die Zahl in Duisburg. Tatsächlich passten aber Bewerber und Angebot aus verschiedensten Gründen oft nicht zusammen. „Schon für die 1236 Arbeitsverhältnisse, die zustande gekommen sind, haben wir uns rund 5000 Kandidaten angeschaut“, berichtet der Teamleiter.
Dennoch lohne auch der hohe finanzielle Aufwand – rund 31,7 Millionen Euro hat das Jobcenter in drei Jahren in Lohn- und Zusatzkosten der Vermittelten investiert. „Weitere Arbeitslosigkeit und Folgekosten zu finanzieren, wäre deutlich teurer gewesen“, betont Frank Böttcher. „Es ist besser, Arbeit zu finanzieren, als Arbeitslosigkeit. Noch nie war das so sinnvoll wie mit diesem Gesetz.“
>> SO FUNKTIONIERT DAS TEILHABE-CHANCENGESETZ
- Es gibt zwei Fördermodelle, über die jeweils der Arbeitgeber einen Zuschuss zum Lohn erhält.
- Für Bewerber, die in den vergangenen sieben Jahren sechs Jahre arbeitslos, nur kurzzeitig beschäftigt oder selbstständig waren, zahlt das Jobcenter in den ersten beiden Jahren einen 100-Prozent-Zuschuss zum maßgeblichen Lohn.
- Für jedes weitere Jahr wird um jeweils zehn Prozent gekürzt bis zur maximalen Förderdauer von fünf Jahren.
- Wer mindestens zwei Jahre ohne Arbeit ist, kann einen Zuschuss für 24 Monate erhalten. Er beträgt für das erste Jahr 75 Prozent, für das zweite Jahr die Hälfte des Arbeitslohns.
- Da, etwa für Hilfstätigkeiten, das Jobcenter nur einen Zuschuss in Höhe des Mindestlohns übernimmt, kann der Arbeitgeber bis zum Tarifentgeld aufstocken. „Das erhöht den Anreiz für die Bewerber, die dann auch von ihrer Arbeit leben können“, sagt Jobcenter-Chef Frank Böttcher.