Duisburg. Ein Ehepaar aus dem Duisburger Süden ist ins Visier von Betrügern geraten. Die Frau berichtet von der dreisten Lüge und warum sie so wütend ist.

Sogenannte Schockanrufe sind derzeit die am meisten genutzte Masche der Trickbetrüger. Auch in Duisburg haben die Kriminellen so schon fünfstellige Bargeldbeträge bei Senioren erbeutet. „Die Täter wollen alles“, beschreibt Kriminalhauptkommissar Ralf Schäfer das schonungslose Vorgehen. Ein Ehepaar aus dem Süden der Stadt geriet in der vergangenen Woche in den Focus der Betrüger. Die beiden Senioren beschreiben die Ausnahmesituation.

Die Uhr zeigte gerade 14.03 Uhr an, als bei den beiden Senioren am 19. Januar das Telefon klingelt. Die Ehefrau hebt ab, hört am anderen Ende der Leitung eine schluchzende Frau, angeblich ihre Nichte. Einen Unfall soll es gegeben haben, ihre Nichte habe einen Menschen vorsätzlich mit dem Auto erfasst und dieser sei daraufhin zu Tode gekommen. Die Mutter, ebenfalls mit im Auto, sei auf dem Weg auf die Intensivstation, die Unfallverursacherin müsse jetzt in Haft. „Ich habe mich fürchterlich erschreckt“, erzählt die Duisburgerin, den Blick auf den Wohnzimmertisch vor der Couch gerichtet. „Ich weiß noch, wie aufgeregt ich direkt war“. Ihr Mann gegenüber auf dem gepolsterten Stuhl fühlt mit seiner Frau mit. „Ich war oben und habe geschlafen, als der Anruf kam“, erinnert er sich.

Duisburger Ehepaar erhielt Schockanruf: Plötzlich ging alles ganz schnell

Alles geht ganz schnell: Ehe sie sich versieht spricht die Seniorin mit mehreren Männern, angeblich zwei Polizisten und einem Anwalt. Ohne dass es die Täter wissen, ergibt ihre ausgeklügelte Darbietung tatsächlich Sinn. Eine Stunde bevor das Telefon klingelte, hatte das Paar Besuch von einer Schwägerin und einer Nichte. Zufall? „Ich frage mich auch schon, sind wir hier beobachtet worden?“ fragt der Mann sorgenvoll. Seine Frau kann sich das nicht vorstellen. Sie ist froh, dass ihr Misstrauen während des Gesprächs größer wurde und sie ihre Fassung schnell wiederfinden konnte.

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Was ihr dabei hilft: „Es kam zu einer Verwechslung. Aus der Frau, die angefahren worden war, hatte ein anderer falscher Polizist einen Mann gemacht.“ Da sei sie misstrauisch geworden. Außerdem hätte es das Ehepaar verwundert, dass ausgerechnet sie und nicht die Familie des Opfers über den angeblichen Unfall informiert worden seien. „Und der Anwalt am Ende hat dummes Zeug gequatscht“, erinnert sich die Duisburgerin.

Bei diesem Gedanken entspannt sich ihre Miene erstmals, ein kurzes Lächeln huscht über ihr über bis dahin so ernst schauendes Gesicht. Der Anwalt habe erzählt, dass die Nichte Rache für einen Seitensprung genommen und das Opfer absichtlich mit dem Auto erfasst haben soll. Der Seniorin war das zu viel. „Jetzt hören Sie mal auf mit ihren Märchen!“, antwortete sie und legte auf.

Misstrauen und Rückfragen führten die Betrüger aufs Glatteis

Ihr Misstrauen und ihre ständigen Nachfragen haben die Betrüger irgendwann aufs Glatteis geführt. „Die konnten doch noch nicht im Polizeirevier sein“, erinnert sie sich. „Ich saß nach dem Gespräch da, hab geflattert und war richtig wütend.“

Unverzüglich hätten die Beiden die Schwägerin und die Nichte angerufen, die fassungslos reagierten und versicherten, dass mit ihnen alles in Ordnung war. „Wir kennen ja diese Enkeltricks, aber ich muss gestehen, dass mir das wahrscheinlich genauso ergangen wäre wie ihr“, versichert der Duisburger besorgt, den Blick auf den Wohnzimmertisch gesenkt. Die vier Anrufer hätten schließlich eine „filmreife Leistung“ dargeboten.

Schockanrufer nahmen Duisburger Senioren bereits vor über einem Jahr ins Visier

Der Schockanruf ist eine perfide Masche von Kriminellen, die ahnungslose Seniorinnen und Senioren um Geld, Schmuck und sonstige Wertsachen betrügen wollen. Die Polizei Duisburg warnt eindrücklich vor dieser Betrugsmasche, empfiehlt sofort aufzulegen und die 110 zu wählen. Oft säßen die Betrüger in Callcentern außerhalb Deutschlands. Auch das Seniorenpaar wandte sich an die Polizei, auf dem Wohnzimmertisch in Hüttenheim liegt ein Dankesschreiben des Kriminalhauptkommissars mit Hilfsangeboten.

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Der letzte Schritt der Betrugsmasche wäre wohl die Forderung nach der Hinterlegung einer Kaution gewesen, um die Nichte vor der Haft zu bewahren. Auch eine medizinische Behandlung der verletzten Schwägerin hätte der Grund für eine einmalige Zahlung sein können. Das Paar aus dem Duisburger Süden ist sichtlich erleichtert, dass es soweit nicht gekommen ist.

Dennoch hat der Schockanruf Spuren hinterlassen. „Ich bin nur noch wütend, dass die mich so aus der Reserve gelockt haben“, sagt die Seniorin, die Fäuste auf dem Schoß geballt. Ihr Ehemann nickt, sie sei in den ersten beiden Tagen danach „richtig lädiert“ gewesen. Die beiden sind sich sicher, dass sie in Zukunft vorsichtiger ans Telefon gehen werden.

Denn der Anruf vor einer Woche war nicht der erste Betrugsversuch, den sie erleben mussten. Im Oktober 2020 sei etwas Ähnliches passiert, auch da hätte die Duisburgerin irgendwann aufgelegt und die Polizei gerufen. Auch entfernte Bekannte seien mal angerufen worden, bei einer sei dann ein Sack voll Wertsachen gestohlen worden. „Unsere älteren Freunde und Verwandten haben wir darüber informiert“, sagt sie. „Je mehr man informiert, desto besser ist das.“ Ihrer Wut und dem Schock zum Trotz sind sie aber vorbereitet, wenn wieder einmal das Telefon klingelt und die Betrüger einen neuen Anlauf starten.

>>Schockanrufe: Das rät die Polizei

  • Sei es der Schockanruf mit dem Verkehrsunfall oder die Covid-19-Variante – bei beiden Betrugsmaschen empfiehlt die Polizei, stets misstrauisch zu sein, aufzulegen und 110 zu wählen. Nur dann bekommen Betroffene Gewissheit, ob der Anruf echt war.
  • Die Behörde betont: Die Polizei oder die Staatsanwaltschaft würde niemals Geld für eine Kaution zuhause oder vor einer Bank abholen. Auch eine Kaution gebe es in diesem Sinne im deutschen Rechtssystem so nicht.
  • Weitere Informationen zum Selbstschutz finden Sie auch im Internet unter https://duisburg.polizei.nrw/schockanrufe.