Duisburg. Jeden Montag halten Duisburger eine Mahnwache ab, während Impfgegner, Querdenker und Rechte durch Duisburg ziehen. Warum tun sie das?
Mit einer Impfquote wie in Spanien säßen wir jetzt im Café, bedauern sie, stattdessen spreche ich mit den Organisatoren der montäglichen Gegendemonstration gegen Querdenker in Duisburg per Videokonferenz. Matthias Eidens (60), Ratsherr für Die Partei, und Lena Wiese (31) vom Verein für die solidarische Gesellschaft der Vielen in Hochfeld über berechtigte Kritik an der Pandemie-Politik und rechte Einflüsse.
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Warum sind Gegendemonstrationen nötig?
Matthias Eidens: Überall da, wo man Rechte als normale politische Bewegungen laufen lässt, werden sie größer, das beobachte ich seit 40 Jahren. Bei Pegida waren es anfangs auch nur ein paar Spinner. Akteure und Energie sind vergleichbar mit jener bei den Querdenkern. Ich finde die Mobilisierung von Rechtsradikalen in Duisburg gefährlich, die Mobilisierung gegen die Corona-Politik aber verständlich.
Grundsätzlich kann man die Pandemie-Politik der Landes- und Bundespolitik kritisieren. Mit einer guten Impfkampagne – von mir aus mit Bratwürsten für alle oder einer Lotterie – hätte das alles im Sommer beendet sein können. Stattdessen wurden die Impfzentren geschlossen. Da kann man verstehen, wenn Leute zur Regierung sagen, „die spinnen“.
Lena Wiese: Eine Verharmlosung dieser „Spaziergänger“ wäre fatal. Darunter sind Akteure der extremen Rechten, die am Rande der Demo Journalisten bedroht haben und auf Telegram zu Gewalt aufrufen. Am letzten Montag wurde der Hitlergruß gezeigt. Das sind klare Provokationen. Ich wurde aus der Demo heraus von Leuten angesprochen, die gesagt haben, dass sie sich fühlen wie 1933. Dieser Vergleich geht gar nicht, das ist geschichtsrelativierend.
Kritik an Maßnahmen, aber ohne Verschwörungserzählungen
Wie kommt diese Vermischung zustande?
Wiese: Die rechte Szene versucht, Leute mit einem Frustgefühl abzuholen und zu radikalisieren. 2015 war es das Thema Migration, jetzt Corona, demnächst vielleicht das Klima. Es gibt berechtigte Kritik am Management der Pandemie, an der Individualisierung der Bewältigung dieser Krise, aber es ist kein Grund, mit Nazis auf die Straße zu gehen. Deshalb wollen wir ein Gegenangebot machen, um Kritik an Maßnahmen zu äußern, aber auf solidarische Weise und ohne Verschwörungserzählungen und Rassismus, mit Blick auf prekär lebende Menschen, auf Menschen aus Kultur und Gastronomie, auf Alleinerziehende und Vorerkrankte. Und wir wollen mit dem Gedenken an die Coronatoten – damit haben wir vor einem Jahr begonnen – das Leid sichtbar machen, das sich hinter den Zahlen verbirgt. Wir wollen uns nicht daran gewöhnen.
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Eidens: In Duisburg gibt es eine höhere Sterblichkeit bei Corona, das hängt von den schlechteren Lebensbedingungen ab, davon, dass manche Zugewanderte nicht krankenversichert sind. Deshalb werden wir wie im letzten Winter wieder Masken verteilen, speziell in Hochfeld. Masken gehen tierisch ins Geld, 20 Euro im Monat sind für Sozialhilfeempfänger sehr viel.
Auf der Straße stehen und andere Foren schaffen
Wie stehen Sie zum Impfen?
Eidens: Ich habe früher noch Polio-Erkrankte kennengelernt, diese Seuche gibt’s hier nicht mehr. Für mich ist völlig klar, dass man Impfungen mitnimmt, das ist ein solidarischer Akt. Und wenn uns Gentechnik rettet, nehm ich auch das in Kauf. Gerüchte über die Pharmalobby sind übrigens albern, die Pharmalobby hasst Prävention, sie verdient mehr an Erkrankten.
Der Zulauf zu den Gegendemos ist bislang übersichtlich, das war bei den Aktionen gegen Pegida anders. Wie kann’s?
Wiese: Wir sind kein klassisches Bündnis wie etwa die Veranstalter in Moers, wir haben auch nur zurückhaltend „Werbung“ gemacht. Aber es ist wichtig, auf der Straße zu stehen und andere Foren zu schaffen.
Eidens: Wir freuen uns schon, wenn wir bei einzelnen, die mitlaufen, für Irritation sorgen. Zumindest von Linken und Grünen kam zuletzt Unterstützung. Manche trauen sich nicht, teilzunehmen, weil sie Angst vor Ansteckung haben. Viele sind Risikopatienten. Auch für mich ist die Demo eine zusätzliche Gefährdung.
Wiese: Mehr Teilnahme von Gewerkschaftsseite wäre wünschenswert. Und toll wäre, wenn Beschäftigte aus Pflege oder Logistik bei uns zu Wort kommen würden. Allein die Arbeits-Quarantäne für systemrelevante Bereiche, wenn man als positiv Getesteter weiter arbeiten darf, aber abends nicht mehr mit dem Hund raus, wäre eine Debatte wert.
Engagement ist eine Frage der Haltung
Und was ist ihre persönliche Motivation, sich jeden Montag auf die Straße zu stellen?
Eidens: Die Impfverweigerung ist für mich blanker Egoismus, Bösartigkeit, das stößt mich ab. In anderen Ländern der Welt schaut man neidvoll auf uns: Wir bekommen die Impfung umsonst und schätzen es gar nicht. Deshalb stelle ich mich da hin.
Lena Wiese: Neben dem Gegenprotest ist es auch wichtig, die Montage kritisch zu begleiten. Klar hab ich montags besseres zu tun, aber das ist mir eine Verpflichtung und Haltung. In Duisburg gibt es übrigens auch gute Ansätze für Impfkampagnen, ergänzt durch dezentrale Angebote wie durch den Petershof in Marxloh.
Haben Sie Bedrohungen erlebt?
Wiese: Bei den Demos vor Ort erlebe ich verbale Drohungen und Drohgesten. Vor zwei Wochen sind zwei Mitglieder der Rechten durch die Polizei-Abgrenzung zu uns gelaufen.
Eidens: In den sozialen Netzen blockiere ich Menschen, die aggressiv sind. Ins Fraktionsbüro ist mal ein Paket mit Scheiße geschickt worden. In Duisburg war anfangs eine eher brave, bürgerliche Szene auf der Straße. Das hat sich jetzt sehr deutlich geändert. Die Braven haben ausgedient, der offen rechtsextreme Teil hat das Ruder übernommen, wie man den Debatten in den Telegram-Gruppen entnehmen darf.
>>DEMOS AM MONTAG
- Die Demonstration der Gegner der Corona-Maßnahmen beginnt um 18 Uhr hinter dem Rathaus und zieht dann Richtung Hauptbahnhof.
- Die Gegenseite trifft sich um 17.45 Uhr zu einer Mahnwache nach dem satirischen Motto „Impfmücken gegen Impflücken“, gegenüber des Stadttheaters König-Heinrich-Platz / Höhe Casino.