Duisburg. Matthias Eidens und sein Team ziehen für „Die PARTEI“ in Duisburg in den Wahlkampf. Ein Gespräch über satirische und ernsthafte Forderungen.
Matthias Eidens hat sich schon früh für Politik interessiert – kein Wunder, ist er doch am gleichen Tag geboren wie Barack Obama. „Wahrscheinlich war das ein Anreiz für ihn, US-Präsident zu werden“, sagt er lächelnd. Der gebürtige Duisburger hingegen engagierte sich in den 1980er Jahren gegen Atomkraft und den Nato-Doppelbeschluss. Als Diplom-Sozialarbeiter machte er seinen Abschluss im zarten Alter von 38 Jahren, zuvor arbeitete er in verschiedenen Jobs im sozialen Bereich. Zudem ist Eidens Theaterpädagoge und war Komparse in einer Schlingensief-Inszenierung bei der Triennale. Eine größere Rolle schlug er aus, weil er gerade einen festen Job angenommen hatte.
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Es brauchte allerdings eine Lesung von Martin Sonneborn, dem Vorsitzenden von „Die PARTEI“, die Eidens dazu brachte, in seiner Freizeit ins politische Fach zu wechseln. Am 20. Dezember 2011 gründete er den Duisburger Ortsverein von „Die PARTEI“. Die Anfangsbuchstaben des Namens stehen für „Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative“. Nun tritt er mit einer Kern-Mannschaft von 15 Ehrenamtlern bei der nächsten Kommunalwahl für Rat und die Bezirksvertretungen an. Ein Gespräch über Ernsthaftes und Satirisches in der Duisburger Stadtpolitik. Treffpunkt ist eine türkische Bäckerei in Hochfeld.
Warum treffen wir uns hier?
Weil man guten Tee trinken und Leute beobachten kann. Ernsthaft: In Hochfeld ist Duisburg noch lebendig.
„Duisburger Groko-Speichellecker-CDU braucht niemand“
Haben Sie, bevor Sie „Die PARTEI“ in Duisburg mitgründeten, über den Eintritt in eine andere Partei nachgedacht?
Nicht ernsthaft. Die Grünen sind nach Agenda 2010 verbrannt, bei der alten Tante SPD gibt es ja ganz ehrenhafte Leute, die ich während der Flüchtlingskrise zu schätzen gelernt habe, aber diese paternalistische Haltung der Beton-SPD in Duisburg und im ganzen Ruhrgebiet geht mir gegen den Strich. Bei Jupp Krings fanden das alle super und OB Sauerland hat das in Teilen ja übernommen. Eine Groko-Speichellecker-CDU braucht auch niemand.
Mit welchen Forderungen gehen Sie in die Kommunalwahl?
Wir fordern, dass Rheinhausen, besser bekannt als Rhijnhusen, und der ganze linke Niederrhein wieder mit dem Königreich Niederlande vereinigt wird. Außerdem wollen wir, dass die Cölve-Brücke zum exterritorialen Gebiet erklärt wird, es kümmert sich ja ohnehin niemand um die Brücke. Und der Hauptbahnhof soll zum Weltkulturerbe erklärt werden – ohne Gaffa-Tape erkennt den ja keiner wieder. Insgesamt gehen wir mit einem Zehn-Punkte-Plan ins Rennen.
Ich hab mir Ihr Parteiprogramm angeschaut. Da identifizieren Sie zum Beispiel das Rotlicht-Milieu als schnell wachsende Branche und werben für eine sorgfältige Ausbildung als „Fachkraft Sexgewerbe mit Weiterbildung zur Sexarbeiter/in oder Rocker/in im Berufskolleg ums Marientor-Süd, kurz Bums“. Nun ist allerdings Corona dazwischen gekommen. Ist es nicht so, dass die Wirklichkeit die Satire oft genug überholt?
Da müssen wir in der Tat nochmal drüber schauen. ,Die Wirklichkeit holt die Satire ein’ - das sagt man immer so. Die SPD wirbt mit einem Kandidaten, der noch nicht mal zur Wahl steht. Das ist Satire. Was Corona angeht: Wir haben im Januar eine Wahlversammlung gemacht und mussten diese wegen geänderter Gesetzte wiederholen. Dadurch kamen wir mit dem Wahlkampf in den Lockdown. Ich persönlich bewege mich erst seit drei Wochen wieder in der Öffentlichkeit, weil ich zur Risikogruppe gehöre und Angst hatte, mich anzustecken. Wir haben die Wahlkreise analysiert, in denen es sich für uns bei kurzer Zeit und wenig Leuten lohnt, Kandidaten aufzustellen und uns dann auf diese Bereiche konzentriert. Wir treten an in den Bezirksvertungen Mitte und Homberg/Ruhrort/Baerl an. Für den Rat ist zum Beispiel Neudorf interessant für uns, die Innenstadt, aber auch Walsum, Meiderich, Ruhrort, Rheinhausen und Großenbaum/Rahm. Dort hat unser Kandidat in wenigen Tagen die erforderlichen Unterschriften zusammen gehabt.
„Die PARTEI“ strebt in Duisburg 100 Prozent plus x an
Gibt es eine Grenze, welche politischen Themen sich für Satire verbieten?
Für mich tritt Satire immer von unten nach oben und wird von den Bürgern sehr wohl verstanden. Mich ärgert die heraufkeimende Verrohung, wenn zum Beispiel der OB sagt ,asozial bleibt asozial’ und davon spricht, dass ihm Flüchtlinge lieber seien als Zugewanderte. Wir fordern zum Beispiel Bierbrunnen für Duisburg, die auch Wasser spenden. Das mag zwar satirisch klingen, hat aber einen ernsten Hintergrund. Zum einen: An einem Trinkwasserbrunnen kann man auch mal einen Schluck Wasser trinken. In Kombination mit mehr öffentlichen Toiletten würde das vielen Menschen, etwa Obdachlosen das Leben erleichtern. Wenn es Pater Oliver nicht gäbe, würden noch mehr Bedürftige und Obdachlose auf der Straße verrecken. Ebenso die Gesundheitsversorgung von Unversicherten: Die öffentliche Daseinsfürsorge hat die Stadt auch in diesem Punkt komplett aufgegeben.
Sind Ihnen Forderungen wie Sicherheit und Sauberkeit zu profan?
Das sind auf jeden Fall sehr deutsche Themen. Wenn man sich mal anschaut, wo in Duisburg-Hochfeld Müll herumliegt - dann ist das entweder in der Nähe von Mülltonnen, die voll sind. Oder es steht Müll vor den Häusern, in denen der Vermieter Tonnen für zehn Bewohner gemeldet hat, allerdings leben in den Häusern 70 Leute. Denen bleibt ja gar nichts anderes übrig, als den Abfall daneben zu stellen. Statt nun gegen die verbrecherischen Vermieter vorzugehen, werden die Menschen, die dort wohnen, kritisiert.
Welches Stimmenergebnis halten Sie für „Die PARTEI“ bei der Kommunalwahl für realistisch?
Ganz klar, 100 Prozent plus x.
„Die PARTEI“ zählt in Duisburg aktuell 188 Mitglieder. Um auf sich aufmerksam machen, sollen rund 300 Plakate aufgehängt werden.
Der Wahlkampfauftakt findet am Samstag, 8. August, in der Zeit von 11 Uhr bis 13 Uhr auf dem Neumarkt in Duisburg-Ruhrort statt.