Duisburg. Viele Erfolge durfte der junge MSV-Fan Tobias Mühlemeier im Stadion nicht bejubeln. Die aktuelle Krise spüre man jedoch deutlicher als je zuvor.
Vom Geschehen auf dem Platz habe ich bei meinem ersten MSV-Spiel im Stadion kaum etwas mitbekommen. Damals saß ich mit meinem Vater in der Fankurve der Duisburger Arena, direkt über den Stehplätzen. Das Problem: Die Zuschauer vor uns sprangen bei jedem Angriff der „Zebras“ von ihren Sitzen auf – mit meinen sieben Jahren hatte ich so kaum eine Chance, einen Blick auf das Spielfeld zu erhaschen. Sportliche Höhepunkte habe ich damals ohnehin nur wenige verpasst: Das Bundesligaspiel gegen Energie Cottbus ging an diesem 4. April 2008 für den MSV mit 0:1 verloren.
Heute kann ich die Heimspiele der „Zebras“ meist ohne Sichteinschränkungen verfolgen. Das liegt allerdings nicht nur daran, dass ich in den vergangenen 14 Jahren ein gutes Stück gewachsen bin – immer öfter bleiben die Sitze um mich herum schlicht unbesetzt. Das Heimspiel gegen den SC Verl wollten gerade einmal 5644 Fans live im Stadion sehen.
Fan: MSV Duisburg hat einiges an Kredit verspielt
Das geringe Zuschauerinteresse mag zum Teil der Corona-Pandemie geschuldet sein. Dennoch ist vielerorts zu spüren, dass der MSV im vergangenen Jahr einiges an Kredit verspielt hat. Bereits der Start ins Jahr 2021 verlief für die Zebras mehr als holprig: Anfang Januar stand der MSV auf dem letzten Platz der dritten Liga. Die Angst vor dem Absturz in die fußballerische Bedeutungslosigkeit war so groß wie lange nicht mehr. Auch unter den Fans machten sich Sorgen und Frust breit: Ein halbes Jahr zuvor hatte man die Rückkehr in die 2. Bundesliga nur hauchdünn verpasst – und nun sollte es abwärts in die Regionalliga gehen?
Was in den folgenden Monaten geschah, hätte der Auftakt einer Erfolgsgeschichte werden können: Unter dem neuen Trainer Pavel Dotchev stabilisierte sich der MSV und kletterte Schritt für Schritt ins Tabellenmittelfeld. Einen wichtigen Beitrag lieferten auch die Fans, die ihr Team in Zeiten der Geisterspiele mit Hupkonzerten vor dem Stadion unterstützten.
Auch wenn der Aufwärtstrend zum Saisonende wieder etwas nachließ: Im Sommer hatte man als MSV-Fan das Gefühl, es könnte in der neuen Saison endlich bergauf gehen.
Das hofften auch die Verantwortlichen: Pavel Dotchev betonte vor dem Saisonstart, der MSV habe bei den Fans „etwas gutzumachen“. Sportdirektor Ivo Grlic und Präsident Ingo Wald bescheinigten der Mannschaft das Potenzial für einen einstelligen Tabellenplatz.
MSV im Krisenmodus: Jeglicher Optimismus ist verflogen
Ein halbes Jahr später ist nahezu jeglicher Optimismus verflogen: Der MSV steht schon wieder fast am Ende der Tabelle. In der Hinrunde haben die Zebras sogar noch einen Punkt weniger geholt als in der vergangenen Saison.
Fast noch schlimmer als die magere Punkteausbeute: Man hat mittlerweile den Eindruck, der MSV hat seine Fans irgendwann in der nicht enden wollenden Krise verloren. Wenn ich heute mit Freunden spreche, die vor einigen Jahren noch ab und an ins Stadion gegangen sind, ist der Tenor meist der gleiche: „MSV? In welcher Liga spielen die eigentlich gerade?“, fragen sie mich mit einer großen Prise Sarkasmus.
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Auch die Stimmung im Stadion wirkte zuletzt eher gedrückt, was mit Sicherheit auch daran liegt, dass ein Teil des harten Kerns der MSV-Anhänger Spiele unter Corona-Bedingungen boykottiert.
So bleibt am Ende eines schwierigen Jahres der Eindruck, dass Duisburg nicht mehr zu 100 Prozent hinter dem MSV steht. Damit sich das ändert, muss künftig wieder eine Mannschaft auf dem Platz stehen, die Leidenschaft und spielerische Qualität vereint – zuletzt war das in der tollen Hinrunde der Saison 2019/20 der Fall. Wenn es der MSV schafft, seine Fans zurück ins Boot zu holen, wird sich auch das Stadion wieder füllen.
Insofern wünsche ich mir momentan nichts sehnlicher, als bei einem Heimspiel endlich mal wieder eingeschränkte Sicht zu haben.
>>Finanzielle und sportliche Misere beim MSV Duisburg
- Seit Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 hat der MSV mit finanziellen und sportlichen Problemen zu kämpfen. In der Vorsaison drohte zwischenzeitlich sogar der Abstieg in die Regionalliga.
- Auch in dieser Saison läuft es für die Zebras nicht rund: In der 3. Liga steht der Club momentan auf dem 18. Tabellenplatz.