Duisburg. Irene Lubowskji hat an Weihnachten ihren Ehemann verloren. Wie sie sich zurück ins Leben kämpft und wo es in Duisburg Hilfe für Trauernde gibt.

Weihnachten steht für das Fest der Liebe, ein paar ruhige Stunden umgeben von Menschen, die einem bedingungslose Wärme schenken. Bei Familie Lubowskji wird erstmals an Heiligabend ein Stuhl leer bleiben – und es ist genau ein Jahr her, als der Tod mit seiner Macht der Endgültigkeit zuschlug.

„Ich muss täglich an meinen Mann denken und kann es leider nicht abstellen“, sagt Irene Lubowskji. Häufig übermannt sie die Trauer und Einsamkeit, die phasenweise auch all die schönen Erinnerungen aus 43 Jahren Ehe verblassen lassen. Die Geburt des Sohnes, der sie auch zu Großeltern machte. All die gemeinsamen Reisen, etwa in die polnische Heimat. „Er war immer lustig, sehr beliebt und ein guter Tänzer“, sagt die 62-Jährige.

Tod trennt Paar nach 43 Ehejahren: Das letzte gemeinsame Weihnachtsfest

Im August des vergangenen Jahres wird ihr Ehemann Siegfried mit Schmerzen in der Leiste medizinisch untersucht. Sicher ein Bruch oder ein Hüftschaden, glaubt das Paar. Doch die Diagnose der Helios-Ärzte in Duisburg lautet letztlich Krebs im Endstadium. „Ich konnte bei der Besprechung nicht mit reingehen“, sagt die Witwe. Nicht die einzige Einschränkung, die Corona wie einen dunklen Schatten über den Abschied gelegt hat. Viel Zeit verbringt er im Krankenhaus und der Lockdown macht phasenweise Besuche unmöglich. Dem Paar bleibt oft nur der Griff zum Telefon.

An Heiligabend des vergangenen Jahres kommt Siegfried nach Hause. „Die Ärzte haben uns gesagt, wir sollen das Weihnachtsfest so feiern, als gäbe es kein Corona.“ Sie wissen, das Ende ist nah und so wollen sie der Familie noch einen gemeinsamen Moment schenken. „Er war kraftlos, sehr müde“, erinnert sich Irene. Bis 2 Uhr morgens sitzen sie zusammen.

Am 1. Weihnachtstag kommen Geschwister von Siegfried, um ihn zu besuchen – und sich zu verabschieden. Für diese letzten Tage hat der gelernte Schlosser „alle Kraft zusammengenommen“, glaubt die Witwe. Die Nacht zum 2. Weihnachtstag will Siegfried alleine im Bett verbringen, Irene bleibt unten im Wohnzimmer. Als sie um 4 Uhr morgens plötzlich aufschrickt und hoch geht, liegt ihr Mann friedlich im Bett. „Ich konnte nicht bei ihm sein“, sagt Irene und greift zum Taschentuch.

Der Weg aus der Trauer und neuer Lebensmut

„Viele Freunde und Bekannte haben mich unterstützt, mir was zu essen gebracht“, ist Irene dankbar für die Zeit danach. Trotz der helfenden Hände sagt sie aber: „Das Wort Einsamkeit verfolgt einen. Wenn ich nach Hause komme, ist es immer dunkel“, sagt die Bilanzbuchhalterin. Das Fehlen einer Stimme übertönt sie mit dem Radio.

Und es dauert, bis sie die Stille in ihrer Wohnung ertragen kann. „Ich kämpfe jeden Tag, aber ich habe mich für das Leben entschieden“, sagt Irene. Zu groß ist ihr Wunsch, ihre Enkelin aufwachsen zu sehen und Meilensteine wie das Abitur oder die Hochzeit mitzuerleben.

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Im September diesen Jahres bucht sie kurzentschlossen eine Trauer-Gruppenreise auf die Insel Rügen. Alle Teilnehmer haben das gleiche Schicksal hinter sich. 17 Witwen sind vereint, können sich im Rahmen der Reise austauschen. Dabei ist auch eine ausgebildete Trauerbegleiterin, die an jedem Tag der Woche 24 Stunden für Gespräche zur Verfügung steht.

Neue Freundschaft hilft aus der Krise

Irene nutzt die Chance, teilt ihre Sorgen bei Spaziergängen am Strand – und findet eine Seelenverwandte. Es sei ein Geschenk, dass sie „mit über 60 Jahren noch so eine Freundschaft schließen kann“, sagt Angelika Engels, während sie tröstend neben Irene sitzt. Sie hat im vergangenen Jahr ihren Ehemann an der Alzheimer-Krankheit verloren. Gemeinsam schmieden die beiden Frauen Zukunftspläne, wollen etwa wandern gehen. Unterstützung finden sie auch in der 14-tägigen Trauergruppe für Erwachsene beim Verein Young Supporters in Rheinhausen.

Mit einem mulmigen Gefühl blickt Irene Lubowskji auf Heiligabend. „Ich werde bei meinem Sohn sein“, sagt sie. Am festlich gedeckten Weihnachtstisch werden viele liebende Menschen sitzen. Ihre Enkelin und Schwiegertochter etwa. Ein Stuhl wird leer bleiben.

Angelika Engels und Irene Lubowskji haben sich bei einer Trauerreise kennengelernt. Die Witwen teilen das gleiche Schicksal und haben im vergangenen Jahr ihre Ehemänner verloren. Gemeinsam schmieden sie Zukunftspläne.
Angelika Engels und Irene Lubowskji haben sich bei einer Trauerreise kennengelernt. Die Witwen teilen das gleiche Schicksal und haben im vergangenen Jahr ihre Ehemänner verloren. Gemeinsam schmieden sie Zukunftspläne. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

>> HILFE FÜR TRAUERNDE ANGEHÖRIGE IN DUISBURG

  • Der Verein Young Supporters, im Forum Mittendrin an der Händelstraße 16 in Rheinhausen, hilft Menschen jeden Alters, die mit einem schwerkranken oder sterbenden Familienmitglied leben oder um einen Angehörigen trauern.
  • Neben verschiedenen kostenlosen Gruppenangeboten bietet der Verein auch Einzelbegleitungen an. Erreichbar ist das Team unter kontakt@young-supporters.com oder unter 02065 90133417.
  • Der Verein ist in seiner Arbeit auf Spenden angewiesen, ein Konto ist eingerichtet. Mehr Infos unter: young-supporters.com