Duisburg-Neudorf. Der Duisburger Pfarrer Christian Schulte ist von seinen Aufgaben entpflichtet worden. Was das für die Gemeinde Liebfrauen und für ihn bedeutet.
Als Pfarrer Christian Schulte im August bekannt gab, dass er Duisburg verlässt, war die Überraschung groß. Er müsse zum einen mehr auf seine Gesundheit achten und begab sich deshalb in eine Reha. Zum anderen verspüre er, „besonders als sogenannter Spätberufener mein Wunsch, in den nächsten Jahren wieder mehr Zeit für die eigentliche Seelsorge zur Verfügung zu haben.“ An den Weihnachtsfeiertagen wird Schulte beispielsweise in St. Ludger noch Gottesdienste halten. Ansonsten hat er sich schon von vielen seiner Duisburger Wegbegleiter verabschiedet. Im Gespräch lässt er nun die vergangenen sieben Jahre Revue passieren, erklärt aber auch, warum er eine gewisse Erleichterung verspürt.
Wie geht es Ihnen?
Schulte: Besser, ich befinde mich gerade in der Phase der Wiedereingliederung. Am 30. November bin ich von meinen Aufgaben als Pfarrer entpflichtet worden, aber bis Februar bin ich wahrscheinlich noch als Gemeindepastor in Duisburg.
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Fühlen Sie sich jetzt erleichtert?
Es ist mir leichter, aber ich bin auch ein bisschen wehmütig. Wissen Sie, als ich mich vor vier Jahren entschlossen habe, nicht nur als Seelsorger in den Gemeinden, sondern auch als Pfarrer für die Großpfarrei zuständig zu sein und den Pfarreientwicklungsprozess zu begleiten, habe ich mir wahrscheinlich nicht vorstellen können, wie viel Organisation hinter der Aufgabe steckt und wie viele Arbeitstreffen es gibt. Also füllt sich der Terminkalender und wenn dann etwas Ungeplantes passiert, wollte ich für die Gemeinde ebenso da sein. Das ist auf Dauer aufreibend. Aber in der Heiligen Schrift steht eben auch: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ In der Reha habe ich gelernt, mit bewusst Pausen in den Kalender einzutragen.
Marketing-Erfahrung kam den Duisburger Pfarrer zugute
Pastor Christian Schulte ist ein Spätberufener. Zwar war er als Jugendlicher Messdiener und engagierte sich in der Kirche. Bevor er allerdings den Weg in ein Kirchenamt einschlug, studierte er nach dem Abitur Wirtschaftswissenschaften und arbeitete bei Mobilfunk-Konzernen im Marketing. Als allerdings ein so genanntes Kid-Phone eingeführt werden sollte, konnte sich Schulte mit seinem Job nicht mehr identifizieren. Es war Anfang der 2000er. Die Zeit, als noch nicht jeder Grundschüler mit einem Handy herumlief. Schulte kündigte und entschied sich mit 38, doch noch einmal zu studieren. Er schrieb sich für Theologie ein. Als vor vier Jahren nicht nur ein neuer Pfarrer, sondern auch ein Nachfolger für den Stadtdechanten Lücking gesucht wurde, übernahm Pfarrer Roland Winkelmann diesen Posten. Schulte wollte nach seinem Manager-Job in der freien Wirtschaft nicht einen kirchlichen Manager-Posten. Gleichwohl kamen ihm seine Erfahrungen zu Gute. Während der Corona-Zeit modernisierte sich die katholische Kirche in Duisburg quasi im Vorbeigehen und auch als eine neue Marketing-Kampagne für die Pfarrei Liebfrauen ausgerollt werden sollte, wusste Schulte um die Wirkung von einprägsamen Slogans und starken Bildern. Bei Bekanntwerden seines Abschieds im August, war die Überraschung groß. Er müsse zum einen mehr auf seine Gesundheit achten und begab sich deshalb in eine Reha.
St. Elisabeth in Duissern, St. Joseph im Dellviertel und St. Michael in Wanheimerort – in der Pfarrei Liebfrauen wurden in diesem Jahr viele Abschiedsgottesdienste gefeiert. Das ist bei vielen Gemeindemitgliedern mit Enttäuschung und Trauer verbunden.
Das stimmt. Aber ich wehre mich gegen die Formulierung, dass wir Kirchen geschlossen haben. Wir suchen für jeden Standort eine neue Perspektive. Es sind uns zwar für das eine oder andere Projekt auch Investoren abgesprungen. Aber zum Beispiel in Duissern ist es uns gelungen, dass das Gotteshaus von der Christusgemeinde weiter genutzt wird. Es bleibt also eine Kirche. Ganz besonders freue ich mich, dass die Jugendkirche Tabgha nach Duisburg gekommen ist und ganz neue Impulse mitten in der City setzt. Ich würde mir wünschen, dass die Gemeinde diese Entwicklung auch als Chance begreifen kann.
Und tut Sie das?
Machen wir uns nichts vor – an der einen oder anderen Stelle knirscht es im Gebälk.
Nach Schließungen „Einige sind mitgekommen, aber viele haben wir auch verloren“
Für die Gläubigen aus Duissern ist beispielsweise vorgesehen, dass sie in Neudorf den Gottesdienst besuchen. Wie viele machen sich wirklich auf den Weg?
Wir haben uns bei den Gottesdiensten, die wir nun in Ludger anbieten, auch an den Zeiten von St. Elisabeth orientiert. Einige sind mitgekommen, aber viele haben wir bei diesem Prozess auch verloren.
Ist schon ein Nachfolger von Ihnen in Sicht?
Momentan noch nicht und wenn ich mir die Personallage im Bistum Essen anschaue, dann wird das schwierig. Zu Liebfrauen gehören immerhin rund 26.000 Gemeindemitglieder. Derzeit gibt es einen Administrator, der die Leitung übergangsweise übernimmt. Bernd Wolharn leitet die City-Pastoral in Essen und wird fürs Erste Ansprechpartner sein. Vielleicht wird es künftig auch so sein, dass eine Person für zwei Pfarreien zuständig ist. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, dass sich die Gemeinde von sich aus Gedanken macht, wie sich Kirche verändern und welche Angebote es geben soll. Ich finde es zum Beispiel toll, dass sich in St. Gabriel in Neudorf viele Familien gefunden haben, die dort ihren Schwerpunkt sehen. Künftig werden Laien und Ehrenamtliche mehr einbezogen werden.
Nachwuchs für kirchliche Berufe ist schwer zu finden. Kommt dadurch den Ehrenamtlich eine größere Verantwortung zu?
In jedem Fall. Im Bistum Essen wurde gerade freigegeben, dass neben Priestern und Diakonen künftig auch Pastoral- und Gemeindereferent:innen taufen dürfen. Mit den ehrenamtlichen Beerdigungsleitern haben wir bereits gute Erfahrungen gemacht.
Pfarrer Schulte hat um Versetzung gebeten
Sie selbst haben um eine Versetzung gebeten, um künftig wieder verstärkt in der Seelsorge zu arbeiten. Wie darf ich mir das vorstellen - geht man zu Bischof Overbeck oder zum Personalchef des Bistums und sagt: „Chef, ich möchte mich gerne verändern“?
Nein, so läuft das nicht. Ich habe meine Gründe vorgetragen und habe grundsätzlich dafür Verständnis erhalten. Nun wird geschaut, wo es neue Aufgaben gibt oder der Engpass besonders groß ist und dann werde ich vom Bistum dort eingesetzt.
Was könnte Ihnen da blühen?
Örtlich geht das Gebiet bis Wattenscheid, Gelsenkirchen und Gladbeck. Ich bin ja aus dem Ruhrgebiet und mit der Mentalität vertraut. Und in der Regel sind die Menschen froh, wenn es erst einen Engpass gab und dann kommt jemand, der vor Ort wieder mitarbeitet.
Wie waren die Reaktionen in Duisburg, als bekannt wurde, dass Sie gehen werden?
Viele fanden es schade, dass ich mich verabschiedet habe. Besonderen Spaß machen mir die Begegnungen mit Menschen. Wir haben am Montag das Friedenslicht aus Bethlehem in der Innenstadt an Passanten verteilt. Viele sind überrascht, wenn man ihnen eine Kerze schenkt. Dabei ist es genau das: Wir erzählen etwas vom Glauben.
Freuen Sie sich eigentlich auf Weihnachten?
Ich fühle mich gerade nicht besinnlicher als sonst. Immerhin dürfen wir uns in diesem Jahr auf Abstand wieder persönlich begegnen. Wer zu einem Gottesdienst kommen möchte, muss sich allerdings anmelden und es gelten die 2G-Regeln.