Duisburg. 1940 enthaupteten die Nazis den Hamborner Fotografen und Maler Paul Kempa. Er liegt auf dem Hamborner Abteifriedhof als Märtyrer begraben.
Es geschieht in den frühen Morgenstunden. Am 24. September 1940 um 5.45 Uhr – Vollstreckung des Urteils. Paul Kempa wird von den Nazis enthauptet. Da ist er gerade 34 Jahre alt. Sein Verbrechen: Der Hamborner Fotograf und Maler, ein überzeugter Christ, wollte nicht als Soldat Menschen töten, als am 1. September 1939 mit dem Polenfeldzug der Deutschen Armee der Krieg ausbricht. Höchstens als Sanitäter ist er bereit, in der Armee zu dienen. Diese religiöse Überzeugung ist sein Todesurteil.
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„Wegen Zersetzung der Wehrkraft“, wie es heißt. Er liegt auf dem Hamborner Abteifriedhof als Märtyrer begraben. „Märtyrer sind Menschen, die wegen ihres Glaubens sterben mussten“, erklärt Abt Albert vom Prämonstratenser-Kloster. „Natürlich wird von der Kirche überprüft, ob das tatsächlich so war“, sagt der Abt. Diese Nachforschungen habe man auch bei Wilhelm Paul Kempa gemacht, der sich selbst immer Paul Kempa nannte. „Aber in dem Fall gibt es genügend Schriftstücke, die das belegen und es gab auch Zeitzeugen. Die Mutter und eine Schwester zum Beispiel.“
Duisburger Märtyrer Paul Kempa: Seine Leiche wurde verbrannt
Helmut Moll, ein katholischer Priester und Historiker, ist Beauftragter des Erzbistums Köln und Herausgeber des Verzeichnisses von Deutschen, die als Märtyrer gelten. „Er selbst hat zu Paul Kempa recherchiert.“ Kempas Mutter wurde am Todestag ihres Sohnes schriftlich mitgeteilt, dass „die Exekution am 24. September 1940 um 5.45 Uhr durch Enthauptung vollzogen wurde.“ Die Leiche wurde verbrannt.
Ihr Sohn hatte noch in einem „Handschreiben“ in der Nacht vom 23. zum 24. September geschrieben: „Der Herr gibt und nimmt das Leben, und meiner Erfüllung sehe ich mit dem Einsatz des Lebens ruhig und bewusst entgegen, ich bin mir und meiner Überzeugung treu geblieben.“ Der Präsident der Reichskammer der Bildenden Künste, der Maler und Kunstpolitiker Adolf Ziegler (1892-1959) richtete ein Kondolenzschreiben an die trauernden Hinterbliebenen: „Zu dem schmerzlichen Verlust, den Ihre Familie erlitten hat, bitte ich Sie, mein herzlichstes Beileid entgegennehmen zu wollen.“ Dem Verstorbenen werde immer ein ehrendes Andenken unter den deutschen Künstlern gewahrt bleiben.
Enthauptung von Paul Kempa: Denkwürdige Beerdigung auf Duisburger Friedhof
Die Schwester von Paul Kempa, Bertha, bat am 27. September 1940 die Oberstaatsanwaltschaft beim Landgericht Potsdam um die Urne mit der Asche. Mit Schreiben vom 22. Oktober 1940 antwortete der Vorstand des Anatomischen und anatomisch-biologischen Instituts der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin, es sei die „Urne mit der Asche des Paul Kempa an die Verwaltung des Abtei-Friedhofs in Duisburg-Hamborn, An der Abtei 4, abgesandt worden.“
Pfarrer Karl Stindt (1914-1999), sagt Abt Albert, habe sich in seiner Selbstbiografie an die denkwürdige Beerdigung erinnert. Ein junges Mädchen habe ihn gefragt, ob er nicht ihren im KZ hingerichteten Bruder beerdigen könne. Stindt habe es versprochen. Und so wurde Paul Kempa morgens, als es noch dunkel war, als NS-Opfer beerdigt. „Ich vergesse nie das Bild auf unserem Friedhof, wie die alte Mutter und die Schwester dastanden, als wir die Asche in die Erde senkten“, schrieb Pfarrer Stindt.
Abt Albert aus Duisburg: „Opfer dürfen nicht vergessen werden“
„50 Jahre später, als ich beim Jubiläum der Abtei predigte, drängte sich eine alte Frau an mich heran. Es war das junge Mädchen von damals. Mit zittriger Hand schob sie mir einen Brief zu. Es war meine eigene Handschrift. Ich hatte ihr damals Trost zu geben versucht, und sie sagte danke“, hielt Stindt in seiner Biografie fest, die der Historiker Helmut Moll in seiner Serie über Märtyrer dokumentiert hat.
Die Urne liegt auf dem Friedhof an der Prämonstratenser-Abtei Hamborn. Abt Albert recherchierte intensiv, um die Umstände über 75 Jahre nach Überstellung der Urne von Berlin nach Duisburg zu klären. „Es dürfen die Opfer von Krieg, Terror und Gewalt auf keinen Fall vergessen werden“, sagt er. „Es gibt auch einen jungen Mann, der beim Volkssturm am Ende des Krieges grausam ums Leben kam.“
Duisburger hoffte, dass der Krieg bald vorbei ist
Er war gerade 17 Jahre alt, als Propagandaminister Joseph Goebbels am 21. April 1945 zum „Volkssturm“ aufrief. Wie viele Deutsche hatte auch der Duisburger gehofft, dass der Krieg bald vorbei sein würde. „Am 1. März 1945 feierte mein Bruder mit ein paar Freunden seinen 17. Geburtstag. Die Jungen waren fröhlich und voller Hoffnung. Und ich auch. Bin dann wieder in den Bunker. An diesem Tag sah ich meinen Bruder zum letzten Mal...“, schrieb seine Schwester.
Das war nur wenige Wochen vor der Kapitulation. Der Bruder wollte trotz Einberufung zum Volkssturm flüchten. Er widersetzte sich diesem sinnlosen Befehl und wurde wohl von den sogenannten „Kettenhunden“ der SS oder Gestapo aufgegriffen und ermordet. Dies geschah auf dem Bahngelände um den Meidericher Bahnhof herum, berichtet Abt Albert. „Er liegt nicht hier an der Abtei, sondern auf dem Fiskus-Friedhof. Aber wir wollen, dass die Opfer solcher Verbrechen nicht in Vergessenheit geraten.“
>>>>ABT ALBERT: „VON DER POLITIK IN DUISBURG GIBT ES KEINE UNTERSTÜTZUNG“
- Abt Albert von der Prämonstratenser-Abtei in Hamborn setzt sich seit Jahrzehnten gegen das Vergessen von Terror und Gewalt ein. Zwei Opfern der Nazizeit gibt er ein Gesicht, hat sich um die Aufarbeitung der beiden Schicksale gekümmert. Auf dem Friedhof der Abtei liegt der Märtyrer Paul Kempa begraben, der sterben musste, weil er den Kriegsdienst im Nazi-Deutschland verweigerte. „Aber von der Politik hier in Duisburg gibt es keine Unterstützung.“
- Immer wieder in den vergangenen Jahren habe er den langjährigen Hamborner SPD-BezirksbürgermeisterUwe Heider angesprochen, ob man nicht die Parallelstraße in Hamborn in Paul Kempa Straße umbenennen kann. „Schließlich hat er hier auf der Parallelstraße 23 gewohnt, und nicht zuletzt gibt es vier Straßen in Duisburg mit diesem Namen“, sagt Abt Albert.
- Aber auf Interesse gestoßen, sei er mit seinem Anliegen nicht. „Das gibt mir ein Rätsel auf. Ich kann nicht verstehen, warum man sich einem solchen Anliegen verschließen kann. Ich bin bei der Politik in der Sache immer nur auf Gegenwehr gestoßen.“ Nach wie vor sei es doch wichtig, sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen und sich mit Terror und Gewalt auch öffentlich auseinanderzusetzen.