Duisburg. Mit einer bewegenden Gedenkfeier hat die Stadt Duisburg an die Pogromnacht von 1938 erinnert. Schüler schildern das Schicksal Leon Jessels.

Mit einer bewegenden Gedenkfeier im jüdischen Gemeindezentrum erinnerte die Stadt Duisburg an die Pogromnacht vom 9. November 1938. Am Programm des Abends waren viele Schülerinnen und Schüler zweier Duisburger Gymnasien beteiligt.

Der Bürgermeister Volker Mosblech erinnerte die geladenen Gäste an die brennenden Synagogen, die geplünderten Geschäfte und verwüsteten Wohnungen jüdischer Bürger vor 83 Jahren. Und er sprach Klartext über die Situation in der Gegenwart: „Fortwährend versuchen Antisemiten das Klima in unserem Land zu vergiften.“ Allein im Zusammenhang mit der Pandemie habe eine Studie im vergangenen Jahr 561 antisemitische Vorfälle gezählt, erklärte Mosblech. „Es muss allen klar sein, welches Gedankengut da von Querdenkertribünen verbreitet wird,“ stellte er fest.

Duisburger Pfarrer: Antisemitismus ist christliche Erfindung

Der Antisemitismus sei eine christliche Erfindung, begann der Pfarrer der evangelischen Trinitatisgemeinde und Israelkenner Dirk Sawatzki seinen Festvortrag. Schon in einigen Sätzen des neuen Testamentes klänge eine antijüdische Haltung an. Und der Reformator Martin Luther habe eine späte Schrift hinterlassen, die man geradezu als Anweisung für die Gräueltaten der Nazis am 9. November lesen könnte. „Und auch nach stolzen 1700 Jahren jüdischen Lebens in Deutschland müssen die Synagogen in diesem Land noch immer rund um die Uhr beschützt werden“, sagte Sawatzki und wies in Richtung der Polizeifahrzeuge vor der Türe des Gemeindezentrums am Innenhafen.

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Die feinen Unterschiede, die manche zwischen Israelkritik und Antisemitismus zu erkennen glauben, kann er so nicht feststellen. „Antisemitismus liegt überall da vor, wo immer das Existenzrecht Israels in Frage gestellt wird.“

Schüler erinnern an Schicksal von Leon Jessel

Mit ihrem Vortrag über den Lebensweg des Duisburger Juden Leon Jessel, der 1918 in Wanheim geboren wurde, ließ eine Schülergruppe vom Landfermann-Gymnasium die Ereignisse von vor 83 Jahren lebendig werden.

Volker Mosblech erinnerte in seiner Ansprache an die brennende Synagogen.
Volker Mosblech erinnerte in seiner Ansprache an die brennende Synagogen. © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

Die Schüler hatten gründlich recherchiert. Leon Jessel erlebte die Pogromnacht, er wurde im Laden seines Vaters von SS-Männern gequält. Er kannte Erniedrigung und Mobbing aus der Schule, später wurde er nach Buchenwald verschleppt. Anders als seine Familie überlebte er das KZ und konnte nach England fliehen.

Nach dem Krieg kämpfte er jahrelang um eine lächerlich geringe Entschädigung von 5000 D-Mark. Erst in seinen späten Jahren kam er auf Einladung einige Male in seine Heimatstadt zurück. Illustriert hatten die Schülerinnen ihren Vortrag mit Archivfunden und großartigen Zeichnungen, die im Kunstunterricht entstanden sind. Unterstützt wurden sie bei ihrem Projekt vom Zentrum für Erinnerungskultur, dem Stadtarchiv und der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit.

Ihr Vortrag und die schöne, klagende Musik vom Streichquartett des Hildegardis-Gymnasiums versetzte die Teilnehmenden in eine stille, feierliche Stimmung.

>>Gedenkfeier endet am Mahnmal am Rabbiner-Neumarkt-Weg

Die Gedenkfeier endete am Dienstagabend mit einem Schweigemarsch in Richtung des Mahnmals am Rabbiner-Neumark-Weg. Dort spielte das Vokalensemble des Hildegardis-Gymnasiums, es wurde gemeinsam gebetet.

Den Weg zum Mahnmal hatten Schüler mit Kerzen zu einer leuchtende Spur in den dunklen Straßen werden lassen.