Duisburg. Als erste Premiere der Saison hat die Rheinoper „Masel Tov! – Wir gratulieren“ gezeigt. Warum diese Corona-Produktion eine gelungene ist.
Zu Lebzeiten wurde der 1996 verstorbene Mieczyslaw Weinberg in Westeuropa nicht gespielt. Erst seit der Aufführung seiner KZ-Oper „Die Passagierin“ im Jahr 2010 in Bregenz werden seine Symphonien, Konzerte und Opern wiederentdeckt. Seine Kammeroper „Masel Tov! – Wir gratulieren!“ ist aber immer noch ein Geheimtipp. Im Rahmen des Corona-Spielplans der Deutschen Oper am Rhein kam das Stück im Oktober letzten Jahres bereits in Düsseldorf heraus. Nun wurde die Inszenierung von Philipp Westerbarkei als erste Saisonpremiere auch nach Duisburg übernommen.
Niemand geringeres als der jüdische Autor Scholem Alejchem, der auch die Vorlage zum Musical- „Anatevka“ verfasste, schrieb das Schauspiel „Masel Tov!“, das sich Mieczyslaw Weinberg zu einem Libretto einrichtete. Komponiert wurde die Oper 1975, kam aber erst 1983 in Moskau zu Uraufführung. Die deutsche Erstaufführung fand 2012 im Berliner Konzerthaus statt.
Erzählt wird eine scheinbar banale Geschichte aus der Küche eines herrschaftlichen Hauses in Odessa. Während eine große Verlobungsfeier stattfindet, klagt die Köchin Bejlja über ihren anstrengenden Job. Als dann der fliegende Buchhändler Reb Alter vorbeikommt und mit der Köchin zu flirten beginnt, bessert sich deren Laune langsam. Später gesellen sich das Dienstmädchen Fradl und ihr Verehrer Chaim, der im Nachbarhaus als Diener arbeitet, dazu. Es wird über Literatur, Kochen und die soziale Lage diskutiert. Die Schimpfkaskade der Hausherrin, die erst am Ende der Oper in die Küche kommt, macht da wenig Eindruck.
Regisseur inszeniert Oper in Duisburg so, dass sie jeder versteht
Regisseur Philip Westerbarkei inszeniert sonst bekannte Opern wie „La Boheme“ und „Roméo et Juliette“ so, dass sie kein Zuschauer mehr wiedererkennt. Diesmal zeigt er sich aber milde gestimmt und inszeniert die Weinberg-Oper, die zum ersten Mal in Duisburg gespielt wird, so, dass sie jeder versteht.
[Nichts verpassen, was in Duisburg passiert: Hier für den täglichen Duisburg-Newsletter anmelden.]
Ausstatterin Heike Scheele lässt das Stück tatsächlich in der vom Libretto vorgeschriebenen Küche spielen und nicht in einer Psychiatrie oder einem Bunker. Unter Westerbarkeis Personenführung werden aus den Opernsängern starke Schauspieler, die beschwingt und glaubhaft agieren. Sehr schön beleuchtet die Regie die gegenseitige Anziehungskraft zwischen den Figuren. Eigene Akzente setzt die Inszenierung, wenn Köchin Bejlja gelegentlich Rattengift ins Essen streut und die Hausherrin am Ende tatsächlich tot in ihrem Stuhl niedersinkt.
Weinbergs Oper beginnt mit dunklen Bläserklängen, wird aber aufgrund der Annäherung der Figuren und ihren erhöhten Alkoholkonsum immer ausgelassener. Da gibt es viele Melodie, die von Klezmer-Musik inspiriert sind, wie melancholische Klarinettenklänge und spitze Geigentöne.
Dirigent lässt Philharmoniker behutsam aufspielen
Dirigent Ralf Lange arbeitet die Charakterisierung der Figuren durch Orchesterfarben klar heraus. Dabei lässt er die Duisburger Philharmoniker behutsam aufspielen, so dass die Sänger klar im Mittelpunkt stehen und sogar sehr wortverständlich singen können. Die rhythmischen Akzente setzt Lange sehr pointiert und die Tänze lässt er fröhlich ausspielen. Angeführt wird das Ensemble von Tenor Norbert Ernst als Buchhändler Reb Alter. Wenn er die Köchin Bejlja anschmachtet, verströmt er viel Schmelz. Die Dialoge gehen ihm leicht von den Lippen und wenn nötig, kann der Bayreuth-erfahrene Sänger auch groß auftrumpfen.
Mit warmem Mezzo singt Kimberley Boettger-Soller die Köchin Bejlja. Ihre Klage, welche die Oper eröffnet, gestaltet sie mit viel Nachdruck, aber In der hohen Lage kann ihre Stimme besonders aufblühen. Lavinia Dames lässt ihren hellen Sopran als Dienstmädchen Fradl schön aufleuchten und zeigt viel tänzerisches Können. Mit markantem Bariton singt Roman Hoza den Diener Chaim. Die Rheinoper bietet mit dieser Produktion ein starkes Plädoyer für ein selten gespieltes Stück, dass durch seine intelligenten Dialoge und die abwechslungsreiche und die Figuren genau zeichnende Musik besticht. Auch wenn dies eine Corona-Produktion ist, so ist dies aber eine sehr gelungene.
>>Weinbergs erfolgreichste Oper ist „Die Passagierin“
- Mieczyslaw Weinbergs erfolgreichste Oper ist das KZ-Drama „Die Passagierin“, die nach ihrer Bregenzer Premiere auch in Karlsruhe, Frankfurt, Dresden und Gelsenkirchen neuinszeniert wurde. Weltweit gab es Aufführungen in Warschau, London, Houston, Chicago, Moskau und Graz.
- Weinberg, der mit Dmitri Schostakowitsch befreundet war, schrieb 22 Sinfonien und 17 Streichquartette.