Duisburg. In Kooperation mit Choreograf Emanuele Soavi feierten die Duisburger Philharmoniker Beethovens 250. Geburtstag nach. So war das Programm „Flut“.
Eigentlich sollte 2020 das große Beethoven-Jahr zum 250. Geburtstag des Komponisten werden. Aufgrund der Corona-Pandemie mussten jedoch viele Projekte abgesagt oder verschoben werden. So auch das Tanzprojekt „Flut“ des Kölner Choreografen Emanuele Soavi. Als Koproduktion seiner „Incompany“, der Oper Köln und den Duisburger Philharmonikern ist ein dreiteiliges Programm entstanden, das jetzt zweimal im Duisburger Theater gezeigt wurde.
Musikalisch beginnt das Stück „Flut“ mit elektronischen Klängen von Wolfgang Voigt und Stefan Bohne: Kosmisches Grundrauschen tönt aus den Boxen. Dazu dreht sich eine Tänzerin im Scheinwerferkegel, während über ihre eine Drohne schwirrt. Die Musik wird stampfender und Cellistin Anja Schröder, die am linken Bühnenrand sitzt, spielt geräuschhafte und expressive Einsprengsel.
Duisburger Philharmoniker: Soavis surrealistisches Tanztheater
Das Programmheft verrät, dass Choreograf Emanuele Soavi hier eine „fiktive Archäologie“ betreiben, sich aber auch auf eine „fiktive Entdeckungsreise“ begeben möchte. Ohne diese Gebrauchsanweisung wäre man als Zuschauer ratlos, was da auf der Bühne geschieht, denn der abstrakte Tanz, den die sechs Frauen und zwei Männer hier zu der ebenso abstrakten Klangkulisse vollführen, hat zwar eine meditative Kraft, wirkt aber auch beliebig.
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Ein starkes Finale des ersten Teils gelingt Soavi aber, wenn aus dem Gegenlicht der Hinterbühne eine verschleierte und schattenhafte Gestalt auftaucht und in langsamem Tempo an die Rampe tritt. Zum sphärischen Zirpen der Musik spürt man hier einen Anflug von Theaterzauber.
Im zweiten Teil erklingt das Streichquartett op. 59/2 von Ludwig van Beethoven. Das von Tonio Schibel geleitete Ensemble der Philharmoniker spielt kraftvoll und mit starkem Vorwärtsdrang auf. Musik und Tanz laufen aber über weite Strecken nebeneinander her und gehen nicht Hand in Hand. Soavi lässt in einem verschachtelten Raum, den Darko Petrovic entworfen hat, ein surrealistisches Tanztheater stattfinden, das kaum Bezug auf die Farben, Melodien und Rhythmen der Musik nimmt.
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Symbiose mit der Musik erst bei Beethovens Symphonie Nr. 7
Wie Tänzerinnen in dieser Architektur auftauchen und verschwinden, wie Körper verschmelzen und sich wieder lösen, ist zwar faszinierend anzuschauen, könnte aber zu vielen anderen Kompositionen aufgeführt werden. Auch wie die Compagnie mit Styropor-Platten agiert, sich dahinter versteckt oder Luft zufächelt, ist höchst einfallsreich, hat aber nichts mit Beethovens Musik zu tun.
Der dritte und letzte Teil rettet dann den dreistündigen Tanzabend, denn zur Symphonie Nr. 7 von Ludwig van Beethoven geht Soavis Choreografie wirklich eine Symbiose mit der Musik ein. Die groß besetzten Duisburger Philharmoniker sind auf der Hinterbühne platziert, was eine elektroakustische Verstärkung erfordert, die aber dazu führt, dass die ersten Violinen manchmal geschärft hervortreten und der Gesamtklang eher schwammig ist. Dirigentin Cecilia Castagneto betont den tänzerischen Charakter der Musik und macht klar, welch Stürmer und Dränger Beethoven war.
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Mit zwölf Tänzerinnen und Tänzern entfaltet Soavi ein sehr eigenwilliges und individuelles Bewegungsrepertoire, das ganz aus der Musik entwickelt ist. Nun folgen die Tänzer auch dem Takt der Musik, formen große Bilder und es gibt sogar Tutti-Szenen und kleine Pas de Deux. Im Programmheft verrät Soavi, dass er sich hier hauptsächlich mit der Frage beschäftigen möchte, „was ist rückwärtsgewandt und was ist modern?“ Letztlich ist diese Frage aber egal, weil das, was hier zu sehen ist, optisch beeindruckend und mitreißend ist. Diese Choreographie könnte sogar glaubhaft von anderen Compagnien übernommen werden.
In seiner Konzeption ist dieser Tanzabend „Flut“ zu verkopft, in der Umsetzung entstehen aber viele berührende und faszinierende Momente, so dass der Tanz über die Theorie triumphiert.
>>EMANUELE SOAVI: DREI PROJEKTE MIT DUISBURGER PHILHARMONIKERN
• Sein Tanzkarriere begann Emanuele Soavi an der Opera Roma und am Teatro La Venice in Venedig. Später war er an der Oper Dortmund und bei der niederländischen Compagnie „Introdans“ engagiert.
• Seit 2006 arbeitet er als freischaffender Choreograf. Emanuele Soavi hat drei Projekte gemeinsam mit den Duisburger Philharmonikern gestaltet, nämlich „Verführer und Verführte“ (2014), „Aurea – Variations on Bach“ (2015) und zuletzt „Relics“ (2017).