Duisburg-Ruhrort. Allmählich nimmt das erste Fringe Festival für die freie Szene in Ruhrort Fahrt auf. Aber bis zu dem berühmten Vorbild ist noch Luft nach oben.
Nachdem im vergangenen Jahr die Premiere des ersten Fringe-Festivals für die Freie Szene in Duisburg-Ruhrort abgesagt werden musste, findet die Veranstaltung nach dem Vorbild der berühmten Version aus Edinburgh nun statt.
Für Andi Dommen alias Little Dead Boy ist es am Wochenende der erste Bühnenauftritt seit zwei Jahren. Der Gitarrist, Comiczeichner und Geschichtenerzähler schüttelt im ersten Lied irritiert den Kopf. Der Sound klingt irgendwie schräg. Eigentlich möchte er singen, dass das Leben schön ist, aber nicht immer einfach. Aber so geht es nicht. „Entschuldigung, ich wechsele mal die Tonart“, sagt er und stimmt seine E-Gitarre nach. Seine Zuhörer auf dem schönen Ruhrorter Neumarkt unterstützen ihn mit Applaus und geben Rückmeldung, als es besser klingt. Fünfzig Stühle hat Festival-Leiter Daniel Hees mit seinem Team aufgestellt, die sind den ganzen Abend über fast alle besetzt.
Musiker „Little Dead Boy“ glaubt an die Zukunft des Festivals in Duisburg-Ruhrort
Little Dead Boy teilt seine Zukunftsvision. „Edinburgh hat im August wegen des Fringe Festivals doppelt so viel Einwohner wie sonst und auch Ruhrort wird bald aus allen Nähten platzen, wenn erst mal bekannt wird, was hier abgeht,“ ruft er seinen Zuhörern zu. Später singt er eine knappe, aber sehr tragische Geschichte, wie sie nur in einem Bluesstück erzählt werden kann. „Sie brach sein Herz und nahm seinen Sohn, er brach ihr Genick und machte sich davon“. Der Sound sitzt inzwischen.
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Die Besucher gehen gut mit und bedenken den Künstler nach dem Ende seines Programms mit Kleingeldspenden direkt in das mitgebrachte Miniatur-Sarg-Model. In der Pause schlendern die Durstigen zum Itze, einer der Kultkneipen am Neumarkt und dürfen ihr Bier gegen Pfand gerne mit auf den Platz unter die großen Platanen nehmen. „Das Wetter hat gehalten. Das war eigentlich unsere größte Sorge. Die war zum Glück unbegründet,“ freut sich Hees, der am Mischpult sitzt.
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Neben der kleinen Bühne macht sich das Duo „Inklusionsgefahr“ bestehend aus Sahar Raie und Anré Dinter spielbereit. Ihre eigenwillige Mischung von Kabarett und Comedy kommt mit einer Warnung: „Unser Humor ist schon ganz schön brutal manchmal, bitte immer dran denken, das ist alles satirisch gemeint“, erklärt Raie. Sie wird sich später unter anderem in Silvana Smirnova mit schwerem russischen Akzent verwandeln, die kein Blatt vor den Mund nimmt. Die kleine Kinderrasselbande, die ungehütet den Platz bevölkert, jubelt jedes Mal laut auf, wenn „Silvana“ einen anderen Finger hebt, als den Zeigefinger. Oder das F-Wort benutzt, das die Eltern ihren Kindern zuhause vielleicht immer verboten haben.
Duo „Inklusionsgefahr“ mit eher derbem Humor unterwegs
Raie ist von so viel Publikumsreaktion und auch vom Autoverkehr rund um den Neumarkt etwas irritiert und muss mehrfach unterbrechen, um sich neu zu konzentrieren. „Wisst ihr denn, was das genau bedeutet, wenn man den Mittelfinger zeigt?“ baut sie die Kinder schließlich ein. „Nö“, geben die unumwunden zu. „Da bin ich ja erleichtert“, sagt Raie und legt als Silvana noch schnell ein paar derbe Sprüche nach.
Ihr Spielpartner Anré Dinter zitiert dazwischen ein ulkiges Gedicht von Auerhahn und Auerhenne, die scheinbar auch nicht aus ihrer Haut können und sich gegenseitig kräftig vermöbeln. Zuvor hat er mit dem Publikum in drei Stufen das Applaudieren geübt, vom höflichen Klatschen über echte Zustimmung bis hin zum frenetischen Jubel. Für den reicht es am Ende der doch recht zusammenhanglosen Darbietung nicht ganz, aber ein Applaus der Stufe eineinhalb ist ja auch ganz schön. Fringe lebt doch von dem möglichst bunten Angebot der freien Szene, da muss nicht alles jeden Geschmack treffen.
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„Die Ruhrorter haben auf jeden Fall sehr viel Lust rauszugehen und was Neues zu sehen. Das war einer der Gründe, mit dem Festival hier zu starten“, sagt Hees. Auch die vielen möglichen Spielorte des Kreativquartiers haben Ruhrort attraktiv gemacht. Hees sieht als nächstes Etappenziel den ganzen Neumarkt voller verschiedener Künstler und dazwischen ein paar Imbissstände. In Edinburgh hat das Fringe schließlich auch erst mal klein angefangen.
>> Fortsetzung am kommenden Wochenende
Das Fringe-Festival dauert insgesamt drei Wochenenden. Am kommenden Freitag, 27. August, geht es um 19 Uhr mit dem Auftritt des Singer-Songwriter Dominik Poch weiter. Um 20 Uhr ist das Theater ohne Mittel aus Bochum zu Gast. Am 28. August ist ab 18 Uhr Flower Snake, ein Projekt der Essener Singer-Songwriterin Marie Schulten, zu sehen. Um 19 Uhr tritt das von der Schauspielerin, Regisseurin, Performance-Künstlerin und Theaterpädagogin Julie Stearns gegründete junge und internationale Theaterensemble only connect! zu Gast.
Auch für Kinder hat das Fringe-Festival etwas zu bieten. Unterstützt vom „Spielkorb“ der Stadt Duisburg, wird am 29. August Theater gespielt. Ab 11 Uhr präsentieren Susanne Lojewski und Britta Odenthal „Aladin und die Wunderlampe“. Das Märchen wird in einem Bilderschaukasten, dem japanischen Kamishibai-Papiertheater gezeigt.