Duisburg. Das gelbe Vorsorgeuntersuchungsheft begleitet die Kindheit. In Duisburg haben Eltern jedoch tausende U-Untersuchungen nicht wahrgenommen.
Ist das Kind gesund? Entwickelt es sich altersgerecht? Vor der Geburt werden die Kontrollen im Mutterpass festgehalten, danach geben die gelben U-Hefte den Takt vor für den regelmäßigen Besuch beim Kinderarzt. Im vergangenen Jahr haben Eltern in Duisburg 3735 Vorsorgeuntersuchungen nicht wahrgenommen.
Seit einer Gesetzesnovelle 2019 gelten fehlende Früherkennungsuntersuchungen aber nicht länger als gewichtiger Anhaltspunkt für eine Kindeswohlgefährdung, sagt Stadtsprecher Falko Firlus. Die ermittelte Wahrscheinlichkeit liege unterhalb einer Zufallsstichprobe (zwischen 0,08 und 0,0012 Prozent). Die Stadt orientiere sich an einer Vorgabe des Landesjugendamtes.
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Duisburger Eltern werden nach einer verpassten Vorsorge-Untersuchung angeschrieben
Über das Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit wird das Jugendamt zwar weiter informiert, wenn eine U-Untersuchung verpasst wurde. Die Sorgeberechtigten werden seit dem 1. Juli 2021 allerdings nur noch einmal schriftlich über den Vorteil der Vorsorge und über die Unterstützungsmöglichkeiten des Jugendamts informiert. Denn verpflichtend sind diese Untersuchungen in NRW im Gegensatz zu anderen Bundesländern nicht.
Entwicklungsverzögerungen oder Verdachtsfälle zur Kindeswohlgefährdung sollen mithilfe diverser Netzwerkpartner in Duisburg dennoch nicht übersehen werden. Da pandemiebedingt nur rund die Hälfte aller Erstklässler zur Schuleingangsuntersuchung kamen, habe das Gesundheitsamt die Kitas noch mal gebeten, Auffälligkeiten zu melden, sagt Firlus. Darüber hinaus seien die Kitas verpflichtet, „im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags und der fachlichen Standards in Fällen von (vermuteter) Kindeswohlgefährdung zu handeln“.
Kinderarzt nennt die Entscheidung des Jugendamtes „katastrophal“
Kinderarzt Dr. Ralf Kownatzki, der Gründer des Vereins Riskid, hält die Entscheidung, bei den U-Untersuchungen von Jugendamts-Seite nicht stärker am Ball zu bleiben, „für katastrophal“. Riskid wurde 2005 in Duisburg gegründet, als in einem Jahr fünf Kinder starben. Die Analyse der Fälle in Kooperation mit der Kriminalpolizei hatte ergeben, dass zwei von ihnen hätten gerettet werden können, wenn es Arztbesuche gegeben hätte, wenn also die U-Untersuchung Pflicht gewesen wäre. Damals wurde eingeführt, dass die U-Untersuchungen nachgehalten werden und der Kontakt zu den Eltern gesucht wird.
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Der Kinderarzt entrüstet sich, dass er von dem neuen Prozedere über die Medien erfährt. Zumal eine weitere Schnittstelle – die Fachärztinnen und Fachärzte bei der Schuleingangsuntersuchung – aufgrund Personalmangels und wegen der Mehrbelastung durch die Pandemie - auch nur noch die Hälfte aller Kinder sehen.
>> So werden Neuzuwanderer auf Untersuchungsmöglichkeiten hingewiesen
- Um die Vorsorgeuntersuchungen auch im Kreis der Neuzuwanderer bekannt zu machen, nutzt das Kommunale Integrationszentrum verschiedene Angebote.
- Neben der Interkulturellen Beratung in verschiedenen Sprachen informiere das Rucksack-Projekt zur Elternbegleitung an Kitas, außerdem Gesundheitskümmerer in Hochfeld, Hochheide und Marxloh. Auch das Projekt EHAP, das mit Mitteln des Europäischen Hilfsfonds Armut und soziale Ausgrenzung bekämpft, macht auf diese Möglichkeit aufmerksam, sagt der Stadtsprecher.
- Die U1 bis U3 finden in den ersten Lebenswochen statt, dann folgen diverse Impftermine, bis das erste Lebensjahr mit der U6 abgeschlossen wird. Es folgen jährliche U im zweiten, dritten und fünften Lebensjahr, dann folgen Impf-Auffrischungen, halbjährliche zahnärztliche Kontrollen und ab dem zwölften Lebensjahr die J1.