Duisburg-Duissern. Eine Streetart-Künstlerin wollte zu Pandemiezeiten Duisburger Kindern eine Freude machen. Hier kann man ihren Zaunkönig in Duissern entdecken.
Im „Königreich“ Duisburg-Duissern gibt es einen neuen Regenten: Ein Zaunkönig aus Papier, geklebt auf Häuserwänden oder neben Schildern, erobert die Herzen der Passanten. Hinter dem kleinen Vogel steckt, so viel sei verraten, eine Künstlerin, die in Corona-Zeiten vor allem Kindern ein bisschen Spaß bereiten wollte. Aber auch Erwachsene haben ihre Freude an dem frechen Piepmatz.
„Der Zaunkönig ist schon fünf Jahre alt, aber lag lange in der Schublade“, erzählt die Anfang-Vierzigjährige, die während des Lockdowns im Homeoffice gearbeitet und bedauert hat, dass sämtliche Museen geschlossen bleiben mussten. Sie selbst beschäftigt sich auch beruflich mit Kunst, findet aber, dass der Umgang mit alten Meistern vor allem Spaß machen soll. Also bekommt die Mona Lisa in ihrer Version ein Zaunkönig-Konterfei, einer mageren Skulptur reicht der Vogel einen Burger an, und in einer anderen Interpretation lehnt Beuys an einer Wand, während der Zaunkönig einmal feucht den Boden wischt – eine Anspielung auf die Fettecke.
Streetart-Galerie unter der Autobahnbrücke am Duisburger Innenhafen
Für viele ist die Galerie, die sich unter der Autobahnbrücke der A 59 am Innenhafen befindet, der Einstieg in die Welt der kleinen Street-Art-Bilder. Die Motive sind auf Papier gemalt, mit Lack fixiert und werden dann mit Kleister auf Häuserwänden befestigt. „Paste Up“ nennt sich die Form der Straßenkunst. Streng genommen gilt dies als „wildes plakatieren“ und ist somit eine Ordnungswidrigkeit. Dabei sind die Bilder vergänglich. „Wem es nicht gefällt, kann sie ganz einfach wieder abziehen. Ich achte aber auch darauf, dass ich keine frisch gestrichenen Wände nehme“, betont die Künstlerin. „Bisher gab’s aber nur positive Resonanz.“
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Bei Instagram gibt sie Tipps, in welchen Straßen sich neue Bilder befinden. Via sozialer Netzwerke melden sich aber auch Kinder und Familien, an welchen Stellen sie sich einen Zaunkönig wünschen. Manchmal schaut sie sich die Adressen an und überlegt sich dann ein passendes Exemplar. In der Einfahrt zum Neubaugebiet Schreiberstraße lässt sie einen Zaunkönig vorweg marschieren und vier Käfer krabbeln hinterher. „Ein Kind hat noch eine Katze dazu geklebt. Das finde ich toll.“
Auch in anderen Fällen nimmt sie Bezug auf die Umgebung. Unter dem Schaufenster eines Lottoladens, der auch ein Post-Shop ist, schleppt der Vogel ein Paket. In der Werkstatt nebenan schiebt er ein Auto an. Und wenn an der Falkstraße „Fahrrad abstellen verboten“ auf einem Schild steht, haben die Hausbesitzer die Rechnung ohne den Zaunkönig gemacht. Der parkt seinen Drahtesel kurzerhand darunter.
Nachwuchs soll die Kunst entdecken
„Der Zaunkönig ist frech, er probt die Revolte im Kleinen“, beschreibt die Duisburgerin, die immer davon geträumt hat, einmal ein Kinderbuch zu gestalten. Sie mochte als junges Mädchen die Schmöker lieber, in denen die Helden mutig durch die Welt gingen. „Die Diddl-Maus hab’ ich gehasst.“
Sie selbst hat vor einiger Zeit das Alleinereisen für sich entdeckt. Anfangs hatte sie Angst, später hat sie es genossen. „Ich bin ein unruhiger Geist und immer neugierig. Wenn man einmal über den Tellerrand hinaus geschaut hat, kann man nicht wieder dahinter zurück.“ Und so hat sie sich dann auch getraut, mit ihrer Kunst an die Öffentlichkeit zu gehen.
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Damit der Nachwuchs die Kunst entdeckt, sind die Bilder oft im unteren Bereich angeklebt. Doch sie findet ebenso eine Ebene, die Erwachsene anspricht. „Wenn man sich zum Beispiel Janosch anschaut, dann gibt es dort auch bitterböse Stellen, die eher Erwachsene verstehen. Das finde ich gut.
Die Künstlerin ist immer nachts unterwegs – einmal wurde sie ertappt
Streng genommen ist der Zaunkönig eine Nachteule. Während der Woche entstehen neue Werke. Manchmal braucht es drei Stunden, bis ein neues Motiv fertig ist. Die sammelt sie dann und zieht nachts zwischen zwölf und zwei Uhr möglichst unerkannt los. Eine bestimmte Menge Kleister steht immer schon fertig angerührt bei ihr im Kühlschrank.
Nur einmal ist sie bisher entdeckt worden. „In der Großstadt ist man ja nie wirklich alleine auf den Straßen. Ich war gerade dabei, etwas anzubringen, da kam ausgerechnet ein Nachbar von der Nachtschicht.“ Er parkte sein Auto unmittelbar vor der Stelle. „Wegrennen wäre doof gewesen“, erinnert sie sich. Natürlich musste der neugierige Nachbar auch unbedingt nachschauen, was sie dort eigentlich macht. Die Künstlerin hatte Glück – statt sie anzumotzen, reckte er den Daumen nach oben und schaute sie verschwörerisch an. Seitdem ist er einer der wenigen Mitwisser.
Künftig soll Duisburg noch von mehr Zaunkönigen bevölkert werden und die Motive sollen größer werden. „Der Vogel natürlich nicht, aber die andere Teile.“ Die nächste Zehn-Meter-Rolle Papier ist bestellt.
>> Zwei, die sich schätzen und inspirieren
Der Street-Art-Künstler Piranha hat mit seinen Bildern den Anfang gemacht und lässt Raubfische an zahlreichen „Orten des Umbruchs“ durch die Stadt schwimmen. „Die fand ich toll – und er hat mich inspiriert“, erklärt die Zaunkönig-Erfinderin. Auch der Macher von Piranha freut sich, dass die Straßen von Duisburg noch bunter werden und er einige andere Künstler anlocken konnte.
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Da sich der Lebensraum von Piranhas und Zaunkönigen aber nicht kreuzen und beide im Geheimen arbeiten, haben sie sich noch nie kennen gelernt.