Duisburg. Kritik vom Apothekerverband an der Impffreigabe trotz Impfstoffmangels für Betriebe wie Thyssenkrupp Steel: Dies bremse Duisburger Hausärzte aus.
Die Betriebsimpfungen, die in Duisburg vor zwei Wochen begonnen haben, verschärfen die Impfstoff-Knappheit in den Hausarztpraxen. Das behauptet der Vorsitzende des Apothekerverbandes Nordrhein, Thomas Preis. Er kritisiert: „Es war ein Fehler, die Priorisierung aufzuheben und die Betriebsärzte mit einzubeziehen, solange nicht genügend Impfstoff da ist“, so Preis auf Nachfrage der Redaktion.
Nun könne es vorkommen, dass junge und gesunde Mitarbeiter von einem Betriebsarzt geimpft werden, während ältere Menschen mit Vorerkrankungen weiterhin vergeblich bei ihrem Hausarzt auf einen Termin warten, sagt der Verbandsvorsitzende und Betreiber zweier Kölner Apotheken.
Wegen Impfneid: Thyssenkrupp Steel will keine konkreten Zahlen mehr nennen
Impfneid ist eine Folge. Ihn nennt auch eine Sprecherin von Thyssenkrupp Steel (TKS) als einen Grund, fortan keine konkreten Zahlen der Impfkampagne des Stahlherstellers zu nennen. Der hat in seinem Bildungszentrum in Bruckhausen ein Impfzentrum zur Immunisierung von rund 13.000 Mitarbeitenden eingerichtet.
Dabei: Statt der bestellten 3000 Dosen für die ersten Woche ab dem 7. Juni bekam auch TKS nur 2500 Einheiten, in der zweiten Woche seien es „deutlich weniger“ als die avisierten 1850 Dosen für das 13-köpfige Impfteam der leitenden Betriebsärztin Dr. Nicole Rosenfeld.
Nur wenige Betriebe buchen bislang im Impfzentrum im TaM
Und auch im Duisburger Impfzentrum, wo Impfstraßen von kleineren und mittleren Betrieben genutzt werden können, die keine eigenen Impfstraßen einrichten, ist der Andrang noch übersichtlich. Nur sehr wenige Betriebe hätten im Theater am Marientor bislang Impfstraßen gemietet, so eine Verantwortliche. Es gebe Anfragen, aber vorerst seien es überwiegend städtische Betriebe wie DVG oder Wirtschaftsbetriebe. Nur 105 Impfungen gab es in der ersten Woche.
Das passt zu der Rechnung die Thomas Preis aufmacht. Für die erste Woche, so berichtet er, sei den bundesweit rund 6000 Betriebsärzten ein Kontingent von 702.000 Impfdosen zugeteilt worden, pro Kopf seien daraufhin 102 Dosen für jeden Arzt zugesagt worden. In der zweiten Woche der Kampagne (14. bis 20. Juni) sank der Anteil der Betriebsärzte auf 602.000 Dosen, macht 84 pro Arzt, die als Mindestmenge garantiert wurden.
Mit 108 Dosen könne jeder impfende Betriebsmediziner in dieser Woche rechnen: Dann stehen zusätzlich zum Biontech-Vakzin auch 234.000 Einheiten von Johnson & Johnson zur Verfügung, berichtet Preis: „Das ist durchaus kritisch zu betrachten, weil dieser Impfstoff nur nach Beratung bei unter 60-Jährigen eingesetzt werden soll.“
Apotheker: Versorgung der Betriebsärzte mit Vakzin geht zu Lasten der Hausärzte
In jedem Fall gehe die Versorgung der Betriebsärzte mit dem knappen Gut Vakzin zu Lasten der niedergelassenen Hausärzte, rechnet Thomas Preis vor. Insgesamt 834.000 Dosen für 6000 Betriebsärzte entsprächen fast 150 Dosen pro Arzt. Für 65.000 Hausärzte gibt’s 3,2 Millionen Dosen, das sind gerade 50 pro Arzt. Preis: „Für eine Gleichverteilung müsste man den niedergelassenen Hausärzten rund acht Millionen Dosen pro Woche geben“, so der Verbandsvorsitzende.
Der Impfstoffmangel sei die Mutter aller Ursachen für den Unmut, den es aktuell allenthalben über die schleppend verlaufende Kampagne gebe. „Wir haben ganz einfach zu viele Parallelstrukturen, deren Bedarf wir derzeit nicht decken können“, sagt Thomas Preis. „Deshalb sind die Impfstraßen keine Autobahnen sondern Trampelpfade.“
IMPFSTOFF: SO LÄUFT DIE VERTEILUNG
- Verwaltet wird die Gesamtmenge des verfügbaren Impfstoffs vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG). Aus Berlin werden die Kontingente für die Bundesländer entsprechend zur Bevölkerungszahl verteilt. In den Ländern geht ein Anteil an die kommunalen Impfzentren, einen weiteren Topf teilen sich niedergelassene Ärzte und Betriebsärzte zu den zuvor vom Bund festgelegten Anteilen.
- Verteilt wird das Vakzin dann über den Arzneimittel-Großhandel, bei dem die Ärzte auch ihre gewünschte Bestellmengen einreichen, an die Apotheken, die am Ende die Ärzte beliefern. Die Betriebsärzte bedienen sich fester Partner für die Auslieferung – für das Betriebsarztzentrum von Thyssenkrupp Steel etwa ist das eine Apotheke in Bergisch-Gladbach.
- Es könne vorkommen, dass in großen Gemeinschaftspraxen und Großunternehmen mit eigenem Impfzentrum mehr Impfstoff verfügbar sei, als ihnen eigentlich zustehe, erklärt Thomas Preis. Das liege daran, dass tendenziell einzelne niedergelassene Ärzte oder einzelne Betriebsmediziner weniger bestellten als die größeren Verbünde.