Duisburg. Das Schauspiel Duisburg hat nach achtmonatiger Schließung mit „Yvonne, Prinzessin von Burgund“ eine Premiere herausgebracht: eine Groteske.

Ausgerechnet mit einem beängstigend gut gespielten Hustenanfall beginnt die erste Premiere nach achtmonatiger Corona-Pause im Stadttheater. Der Bettler, der hier zum Auftakt über die Bühne schlurft, gehört zu einer der aufwendigsten Eigenproduktion, die das Schauspiel Duisburg bislang zeigen konnte: „Yvonne, Prinzessin von Burgund“ von Witold Gombrowicz.

Der moderne Klassiker, den der polnische Schriftsteller 1935 schrieb und erst 1957 in Krakau uraufgeführt wurde, ist kein leichter Stoff. Gombrowicz hat ein philosophisches Gedankenspiel über die menschliche Gesellschaft entworfen. Keine Figur ist psychologisch gezeichnet, keine handelt nachvollziehbar. Das Stück ist auch eine Parodie auf Shakespeare-Dramen und eine immer noch verstörende Groteske.

Der gelangweilte Hofstaat giert nacht Unterhaltung

Den Hofstaat, der wohl nur wegen seines edlen Klangs Burgund heißt, steht in einer Wand aus Bilderrahmen (Ausstattung: Anja Müller), eine Konstruktion so erstarrt wie die Rituale der Figuren. Auch auf dem Bühnenboden liegen leere Rahmen, abgefallen wie der Kronleuchter dieser längst vergangenen Herrlichkeit.

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Der von der Wiederholung des stets Gleichen zutiefst gelangweilte Hofstaat giert nach Abwechslung, nach Unterhaltung. Die kommt schlurfend und heißt Yvonne. Eine plumpe, farblose junge Frau. Sie wirkt misshandelt, leidend, verängstigt. Und sie schweigt. Hässlich finden sie die Höflinge erstmal, die mit ihren schrillen Frisuren und schwarz geschminkten Augen, mit blanken Männerbrüsten und reizend-reizlosen Kleidern auch keine Augenweide sind.

Warum tut der Prinz das Undenkbare?

Yvonne nehmen sie dankbar als Objekt für ihre hämischen Späße. Man genießt „die modernste Art des Witzes: mobben“. Doch als Prinz Philipp, überdrüssig der immer gleichen Vergnügungen, sich mit Yvonne verlobt, verstummt das verächtliche Gescherze. Dieses apathische Geschöpf wird zur Bedrohung.

Warum tut der Prinz das Undenkbare? „Das Elend hat ihn gereizt“, versucht Königin Margarete eine Erklärung, „Wir legen ihn in Ketten“, droht König Ignaz. Nur eine „normale Extravaganz“, vermutet der Kammerherr. Philipps Motiv ist in diesem Augenblick wohl eher, angesichts dieser Elenden stärker die eigene Großartigkeit zu spüren.

Anfangs genießt Prinz Philipp (Lorenz Grabow) das Entsetzen des Hofstaats für seine Entscheidung, sich ausgerechnet mit Yvonne (Sina Ebell) zu verloben.
Anfangs genießt Prinz Philipp (Lorenz Grabow) das Entsetzen des Hofstaats für seine Entscheidung, sich ausgerechnet mit Yvonne (Sina Ebell) zu verloben. © Schauspiel Duisburg | Sascha Kreklau

Fortan wird in Yvonne, die bis auf wenige kryptische Worte weiter stumm bleibt, so gesehen, wie man es aus ihren Blicken zu erkennen glaubt, die mal als „verschlagene Weisheit“ oder auch „Schamlosigkeit“ interpretiert wird. Ihr Schweigen ist jedenfalls unerträglich für die Liebe heuchelnde Königin, die kichernden Hofdamen verstricken sich wegen Yvonne in einen Zickenkrieg, auch beim König kommt ein dunkles Geheimnis an die Oberfläche.

Doch die Laune des Prinzen ändert sich. Plötzlich verliebt er sich in Hofdame Isa und verstößt Yvonne. Die verharrt, muss aber weg. Und schon schmieden alle an unterschiedlichen Mordplänen. Der vom Kammerherrn vorgeschlagene Weg erscheint dem König am gefälligsten, weil dabei „von oben herab“ gemordet wird. Die Borniertheit zu groß, die Verachtung zu tief, eine Groteske eben.

Zwölf starke Schauspieler

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In der Inszenierung von Martin Schulze wird daraus sinnliches Theater, bei aller Komik aber keine amüsante Unterhaltung, getragen von zwölf starken Schauspielern, die hier auch mal hemmungslos überzeichnen dürfen. Alina Rank als Königin läuft in ihrer „Wahnsinnsszene“ zur Hochform auf, Julia Zupanc darf als Hofdame Isa unsägliche Grimassen schneiden, Kai Bettermann ringt als Kammerherr zwischen Würde und Unterwerfung, Lorenz Grabow als Prinz meistert seine schwankenden Launen leichtfüßig, als sein Freund Zyrill zeigt Adrian Hildebrandt, dass er ihm dabei eher schwerlich folgen kann.

Und wie Sina Ebell mit ihrem stummen Spiel, ihrer kaum beweglichen Mimik und vorsichtig-trägen Bewegungen diese rätselhafte Yvonne zeichnet, fesselt den Blick immer wieder – mögen die anderen um sie herum auch noch so aufdrehen.

>>VORSTELLUNGSBETRIEB BIS 9. JULI

  • „Yvonne, Prinzessin von Burgund“ ist in dieser Spielzeit noch am 24. Juni sowie am 1. und 3. Juli zu sehen.
  • „Bau.Steine.Scherben.“ hat am 23. Juni Premiere im Foyer III und steht am 28. Juni sowie am 5., 7. und 9. Juli auf dem Programm.
  • „Familie Flöz: Feste“ ist nur mit der Premiere am 25. Juni zu sehen. Die letzte Vorstellung hat „Fucking Lonely“ am 4. Juli.
  • Informationen unter www.theater-duisburg.de.