Der Bau neuer Gehege im Zoo ist eine Herausforderung. Die Neubauten müssen den Tieren, den Pflegern und den Besuchern gerecht werden.
Das stelle man sich einmal vor: Während der Magen nach Nahrung grummelt, ziehen die Lieblingsleckerbissen zuhauf vor den Augen auf einem Fließband vorbei und man kommt nicht dran, weil eine bruchsichere Plexiglasröhre sie schützt. So oder so ähnlich dürfte es den kleinen Ameisenbären, den Tamanduas, demnächst im Rio Negro des Zoos Duisburg ergehen, wenn die Blattschneiderameisen ihre neue Behausung in der Tropenhalle bezogen haben. Das Quartier für die emsigen, schier nimmermüden Insekten, soll in diesem Jahr fertiggestellt werden.
Der Neubau für das wuselige Millionenvolk erfordert das Geschick verschiedener Gewerke und muss unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht werden. „Die Anlage soll den Tieren einen artgerechten Lebensraum bieten, Besuchern die Möglichkeit eröffnen, in diesen Lebensraum einzutauchen, und sie muss auch die Erfordernisse der Pfleger berücksichtigen“, zählt Zoo-Sprecher Christian Schreiner auf.
Terrarien in Cola- und Spielautomaten
Zusätzliche Herausforderung war es, einen neuen Lebensraum in einem bereits bestehenden zu schaffen und ihn so zu gestalten, dass er sich harmonisch einfügt und nicht wie ein Fremdkörper wirkt. „Unser Ziel war es auch, die Besucher dazu anzuregen, die vielen kleinen Schätze auf verschiedenen Ebenen zu entdecken, so dass sich die Menschen länger hier aufhalten und besonders Kinder, für die Ameisen sehr beeindruckend sind, die Tiere auch gut beobachten können. Und wir wollten keine nackigen Terrarien“, fasst Zoo-Kurator Volker Grün die hehren Ansprüche zusammen.
Ein klarer Fall für Dennis Bautze. Der Mann aus Mönchengladbach, der sich vor zweieinhalb Jahren mit seiner Firma Handmade Terrarienbau selbstständig gemacht hat, ist ein Spezialist für die ungewöhnliche Gestaltung von Behausungen, in denen sich Reptilien, Amphibien und Co. wohlfühlen. Dabei ist fast kein Behältnis vor seinen fantasievollen Um- und Einbauten sicher. Aus Cola- und Spielautomaten hat er bereits voll funktionsfähige Terrarien gezimmert, ebenso wie aus Kühlschränken und alten Tanksäulen. Für das Rio Negro fiel seine Wahl auf alte Weinfässer und ausgediente Militärkisten. „Der Aussichtspunkt in der oberen Etage der Tropenhalle sieht ja aus wie eine Strandhütte, deshalb dachte ich, dass Strandgut wie Fässer und Kisten, die immer wieder angeschwemmt werden, gut passen könnten“, sagt Bautze.
Eigenhändig eingesammelt hat er diesen Zivilisationsmüll aber nicht, ebenso wenig wie er die Bundeswehr um die Überlassung von Ausschussware gebeten hat. Fündig wurde er hingegen in Antiquitätenläden. „Da gibt es welche, die haben immer eine Menge Bundeswehrdevotionalien“, meint Bautze lachend. Fässer und Kisten hätten zudem den Vorteil, dass sie gut ein- und ausbruchssicher gemacht werden könnten. Bautze: „Die Tamanduas sollen die Anlage ja nicht knacken können.“
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Ein ausgeklügeltes System
In den Wäldern Süd- und Mittelamerikas, der ursprünglichen Heimat der Blattschneiderameisen, bauen die Insekten der Gattung Atta ein weit verzweigtes System, in dem die Kolonie in Symbiose mit Pilzen lebt, die sie selbst züchtet und von denen sie sich ernährt. Das System verfügt zudem über mehrere Kammern für die Königin, die Ameisenbrut, Abfälle und die Pilze. Diese unterirdische Kleinstadt muss natürlich auch be-und entlüftet, sowie geheizt werden. Dieses komplexe Konstrukt hat der Zoo mit Hilfe von viel Technik, Klimaanlagen und Dennis Bautze im Rio Negro künstlich erschaffen, so dass nicht nur die Ameisen sich dort wohlfühlen, sondern auch die Besucher die Insekten auf verschiedenen Ebenen bei ihrer geschäftigen Arbeit gut beobachten können, sei es am Futterplatz, in der Abfallkammer oder in den Acrylglasröhren, die als Transportwege dienen. Eine knifflige Aufgabe wurde höchst ansprechend gelöst.
Uwe Thürnau füllt Raum mit Illusionen
In unmittelbarer Nähe zur Tropenhalle im hinteren Teil des Aquarium, wo einst Krokodile lebten, ist eine weitere Baustelle in Arbeit. Hier entsteht eine karibische Strandlandschaft für Leguane sowie eine Halbwüste für Baumratten. Und hier ist die Aufgabenstellung eine ganz andere: ein leerer Raum muss mit der Illusion gefüllt werden, dass wer ihn betritt, sich auf Kuba wähnt. Ein klarer Fall für Uwe Thürnau.
Der 69-jährige Berliner ist unumstrittener Meister seines Fachs. Unzählige Gehege in Tierparks und Ausstellungsräume in Naturkundemuseen hat der international gefragte Naturmaler schon in Landschaften aus aller Welt verwandelt. In Duisburg trägt ein Teil des Delfinariums und das Rio Negro bereits seine Handschrift. Jetzt zimmert er einen Palmenstrand in die 120 Quadratmeter große ehemalige „kleine Tropenhalle“ und kann dabei seiner Fantasie freien Lauf lassen.
Auge in Auge mit dem Leguan
Die basiert bei Uwe Thürnau aber stets auf eigener Anschauung oder auf gutem Fotomaterial. Die Grundlagen für sein Werke sind vor allem handgezeichnete Skizzen und selbst gebaute Modelle. „Ich bin alte Schule“, begründet der studierte Maler und Grafiker, warum er nichts am Computer entwirft. Auch den Traumstrand mit weißem Sand, sich im Wind wiegenden Palmen und kristallklarem Wasser hat er in Miniatur erst gezeichnet, bevor er ihn an die Wand malte und damit dem Raum mehr Tiefe gab. Dann folgte der Aufbau der Kunstfelsen aus Styropor, Drahtgeflecht und Spritzbeton. Aus diesen Materialien schafft Thürnau auch täuschend echt aussehende, von Salzwasser und Sonne gebleichte Baumstämme, die nicht nur am Strand liegen, sondern auch das Gehege eingrenzen. Die Plexiglasscheiben, die so stabilisiert werden, ermöglichen es auch Kindern, den Leguanen ungefährdet in die Augen zu schauen.
Für die karibischen Gefühle
„Meine Arbeit ist es, Dreidimensionales mit Eindimensionalem zusammenzubringen“, meint Thürnau schlicht. Ein Kunst, die er perfekt beherrscht. Nur wer genau hinsieht, entdeckt den Übergang vom gebauten Felsen in den gemalten. Das wird besonders schwierig, wenn Thürnau sein Werk auch noch mit echten Wurzeln und Blättern verziert. Hinter den Felsaufbauten ist alles an Technik versteckt, was notwendig ist, damit bei Leguanen, Ratten und Jamaika-Schlankboas karibische Gefühle aufkommen, das Gehege aber dennoch gut zu reinigen ist und die Tiere bestens versorgt werden können.
Vielfarbiges Bonbon
„Die Planung dauert immer am längsten“, sagt Thürnau, der mit seinem Team aus vier Leuten diese dann in Handarbeit umsetzt. „Und wenn der Auftraggeber in Ordnung ist, gibt es immer ein paar Bonbons obendrauf.“ Im Duisburger Zoo ist eines davon ein Vielfarbentodi. Den nur zehn Zentimeter großen bunten Vogel, der auch „Juwel von Kuba“ genannt wird, hat Thürnau in seine dem Strand gegenüberliegende Ansicht vom tropischen Regenwald gemalt. Ein Suchbild, das besonders jungen Zoo-Fans Freude bereiten dürfte. „Wer weiß“, geheimnist Zoo-Sprecher Christian Schreiner, „vielleicht entdeckt man ja auch eine Person am Strand?!“ „Nee“, macht Thürnau diese Illusion in breitem Berlinerisch augenzwinkernd zunichte, „die taucht gerade.“