Duisburg. Famile Coß aus Duisburg ist im Spagat zwischen Beruf und Kinderbetreuung. Und obwohl ihre Bedingungen ideal sind, ist der Stress immens.

In Familien mit kleinen oder schulpflichtigen Kindern, wo sich in diesen Tagen Homeoffice und Homeschooling begegnen, ist das Leben ein anstrengender Ritt. Ein kleiner Einblick in den Alltag von Familie Coß aus Duisburg-Bergheim.

Bei Günes, Carsten, Sophia und Ilias ist alles durchgetaktet: Wenn morgens um sechs die Arbeit für Mama Günes startet, kümmert sich Papa Carsten parallel um die Kinder und seinen Job. Mittags, wenn die Verwaltungsbeamtin wieder da ist, wird abgeklatscht, dann steht die weitere Kinderbetreuung, der Haushalt, das Leben an.

Ausgefüllte Tage zwischen Homeoffice, Homeschooling und dem Leben

Carsten Coß ruft aus dem Hintergrund: "Es nervt!" Dann zieht er sich zurück, um sich endlich und erstmals an diesem Tag seiner Arbeit als Informatik-Kaufmann ungestört widmen zu können. Tochter Sophia kommt zum Glück oft alleine klar. Die 11-Jährige besucht ein Moerser Gymnasium und sitzt mit Laptop im Kinderzimmer, arbeitet emsig alle Aufgaben ab.

Günes Coß hatte die Redaktion angeschrieben. Zu sehr ärgert sie sich über das, was gerade Familien zugemutet wird. Während wir telefonieren, hört man es klappern: Die Spülmaschine wird parallel geleert. Kein Zeitfenster wird nur mit einer Sache ausgefüllt. Der siebenjährige Sohn Ilias platzt auch dazwischen: Wann es denn Essen gibt? Und was? Außerdem sei gerade im Garten beim Spielen was kaputt gegangen... Sanft wird der kleine redende Wasserfall wieder rausbugsiert.

Homeschooling bringt auch gut aufgestellte Eltern an die Grenzen

"Wir haben verdammtes Glück, sitzen auf der Sonnenseite des Lebens", sagt Günes Coß. Die 41-Jährige fühlt sich privilegiert, weil sie und ihr Mann sichere Jobs haben, sie ihre Kinder beim Homeschooling unterstützen können. Aber weil selbst sie schon an ihre Grenzen kommen, fragen sie sich, wie es anderen gehen mag, die weniger Glück haben, die arbeitslos oder alleinerziehend sind, vielleicht nur ein Smartphone als Basisausstattung für mehrere Kinder haben.

Auch Gymnasiastin Sophia Coß (11) lernt am heimischen Computer.
Auch Gymnasiastin Sophia Coß (11) lernt am heimischen Computer. © Lutz von Staegmann / FUNKE Foto Services

Überfordernd sei zudem die Fülle an Informationen, die Vielzahl der Kanäle, über die die Infos laufen - beruflich, schulisch, politisch. "Wir kriegen es hin, auch wenn der Kopf voll ist, aber was ist mit den anderen?" Es sei "todtraurig", dass die letzten Monate nicht genutzt wurden, um zumindest bessere Konzepte für die Beschulung zu finden. So jedenfalls sei es ein Spagat, denn zur Fürsorgepflicht für die Kinder komme die Verantwortung, die sie im Berufsleben trage, "man hat ja auch einen Anspruch an sich".

Mutter fordert: Sommerferien nutzen, um Unterricht nachzuholen

Ihre große Befürchtung ist, dass die Kinder zu viel verpassen und der fehlende Stoff an anderer Stelle später abgerufen wird. Sie fordert, dass je nach Stand der Pandemie zumindest die Hälfte der Sommerferien genutzt wird, um Unterricht nachzuholen. Diese Perspektive würde Eltern entlasten, glaubt die 41-Jährige. Denn zur Wahrheit gehört auch, dass der Siebenjährige mit seinen Aufgaben an manchen Tagen schon in 20 Minuten durch ist und auch die Elfjährige selten mehr als für zwei Stunden täglich Aufgaben hat. "Was fehlt da alles?", fragt Günes Coß sorgenvoll.

Die Pandemie nimmt die Familie sehr ernst. Günes Vater gehörte im März zu den ersten Covid-19-Fällen mit einem schweren Verlauf, monatelang lag er im Krankenhaus. Alle haben seither ihre Kontakte minimiert, vermissen schmerzlich Sport und Begegnung.

Das Grundrecht Schule im Ausnahmezustand

Aber Bildung sei ein Grundrecht für die Kinder und das werde nicht ernst genommen. Sohn Ilias, der als Zweitklässler im Grunde sein halbes Schulleben im Ausnahmezustand verbringt, habe Ängste entwickelt und findet Corona nur noch "sch.."

Seine Schwester Sophia ist froh, dass die Lehrer zumindest eine Video-Fragestunde eingerichtet haben. Außerdem kommuniziert sie per Whatsapp mit ihren Klassenkameradinnen. Die Einser-Schülerin findet sich in Mathe "nicht ganz so gut", im Präsenzunterricht würde es ihr leichter fallen, glaubt die Elfjährige. Dass sie nun so viel mit ihrem kleinen Bruder aufeinander hockt, gebe manchmal Streit, "aber wir verstehen uns schon".