Duisburg. Die Folgen der Corona-Pandemie sind für die Gerichte in Duisburg eine Herausforderung. Was passiert wenn Zeugen und Angeklagte in Qurantäne sind.

DasCorona-Virus bestimmt weite Teile des öffentlichen Lebens. Auch die Justiz hat die Auswirkungen der weltweiten Epidemie deutlich zu spüren bekommen. Mit vielen Folgen haben Richter und Justizbeschäftigte zu kämpfen. Doch von einem Zusammenbruch der Rechtspflege und Rechtsprechung sei man derzeit noch weit entfernt, heißt es beim Landgericht und beim Amtsgericht Duisburg.

„Aufgrund der ersten Welle wurden im März und April viele Verfahren verschoben oder ganz ausgesetzt“, so Richterin Sarah Bader, Sprecherin des Landgerichts. „Auch in der zweiten Welle kommt es zu Terminsaufhebungen und Verzögerungen. Allerdings sind das derzeit noch eher Einzelfälle.“ Dass sich die Rückstände dennoch in einem überschaubaren Rahmen halten, sei dem hohen Einsatz der Richter und Justizbeschäftigten zu verdanken, betont Bader.

„Dass sich die Rückstände bei Verfahren in Grenzen halten, ist dem hohen Engagement der Richter und Justizbediensteten zu verdanken“, so Richterin Sarah Bader, Sprecherin des Landgerichts Duisburg.
„Dass sich die Rückstände bei Verfahren in Grenzen halten, ist dem hohen Engagement der Richter und Justizbediensteten zu verdanken“, so Richterin Sarah Bader, Sprecherin des Landgerichts Duisburg. © FUNKE Foto Services

Mehrarbeit durch aufgeteilte Verfahren und Verzögerungen durch Zeugen in Quarantäne

Bei Strafverfahren gebe es immer mal wieder Verzögerungen, weil Zeugen oder Angeklagte in Quarantäne müssen. So wie aktuell im großen Mafia-Prozess, den die 4. Strafkammer des Landgerichts Duisburg im Hochsicherheitstrakt des Oberlandesgerichts Düsseldorf führt. Heikel seien Prozesse mit vielen Beteiligten, weiß die Sprecherin des Landgerichts. „Seit Mai werden deshalb Verfahren, bei denen manchmal sechs oder acht Angeklagte beteiligt sind, in zwei bis drei Prozesse aufgeteilt.“ Das bedeute viel zusätzliche Arbeit, da alle Beweisaufnahmen komplett zwei- oder dreimal durchgeführt werden müssten. „Da müssen dann auch die selben Zeugen zwei- oder dreimal aussagen.“

Im Zivilbereich kommt es teilweise zu Verzögerungen, was allerdings nicht ganz so dramatisch ist, weil dort kein so straffes Fristen-Korsett wie im Strafprozessrecht besteht. Schon allein deshalb, weil kein Zivil-Beklagter in Untersuchungshaft sitzt. Die Zivilkammern haben dafür das Problem, dass ihre Sitzungssäle oft zu klein sind, um ausreichenden Abstand zwischen Beteiligten zu gewähren.

Unmissverständlich! Wer sich nicht dran halten will, fliegt raus - oder kommt gar nicht erst rein.
Unmissverständlich! Wer sich nicht dran halten will, fliegt raus - oder kommt gar nicht erst rein. © Foto: Malsch

Vorbereitungen nehmen viel mehr Zeit in Anspruch

„Deshalb weicht man dann auf größere Säle aus, die sich mehrere Kammern teilen“, erklärt Sarah Bader. Was auch zu für die Justiz eher ungewohnten Verhandlungsterminen am frühen Morgen oder späten Nachmittag führt. „Und wir versuchen die Zahl der Hauptverhandlungstermine dadurch zu beschränken, dass wir auf das schriftlich geführte Verfahren ausweichen. Das geht, wenn keine Zeugen vernommen werden müssen und alle Beteiligten einverstanden sind.“

„Die Vorbereitungen für Verfahren nehmen derzeit sehr viel mehr Zeit in Anspruch“, weiß auch Richter Rolf Rausch, Sprecher des Amtsgerichts am König-Heinrich-Platz. „Um Sorge dafür zu tragen, dass der Seuchenschutz gewährt ist, bedarf es eines ausgefuchsten Saal-Managements und es müssen im Bedarfsfall sitzungspolizeiliche Anordnungen getroffen werden.“ Abstand von Verfahrensbeteiligten, eine ausreichende Anzahl von Trennscheiben im Sitzungssaal, gegebenenfalls Maskenpflicht auch während der Verhandlung, Belüftung, Desinfektion von Sitzplätzen und nötigenfalls Beschränkung der Zuschauerzahl müssen geregelt werden. Was eigentlich nicht die Kernaufgabe von Richtern und Justizbeschäftigten darstellt.

Betroffene benötigen ein wenig Geduld

In einigen Bereichen zeigt die Pandemie deutliche Auswirkungen. „So ist uns aufgefallen, dass besonders häufig Polizisten als Zeugen bei Strafprozessen oder Ordnungswidrigkeitenverfahren ausfallen, weil sie sich in Quarantäne befinden“, berichtet Rausch. Im Betreuungsrecht sei man damit konfrontiert, dass die Richter-Termine in Heimen wegen Corona nur unter schwierigen Bedingungen durchgeführt werden können oder aufgrund von Quarantäne ganz verschoben werden müssen. „Aber wir lassen keinen Betreuten im Stich“, betont Rausch. „Wir kommen, wann immer möglich.“

Neue Aufgabe für Protokollführerinnen: Zwischendrin muss der Zeugenstand mit Desinfektionstüchern gereinigt werden.
Neue Aufgabe für Protokollführerinnen: Zwischendrin muss der Zeugenstand mit Desinfektionstüchern gereinigt werden. © Foto: Malsch

Im Zivilbereich gibt es insbesondere beim Reiserecht Verschiebungen: „Statt um Reisemängel wird jetzt vor allem um Storno-Kosten gestritten“, offenbart Rausch. Der erwartete Anstieg von Gewaltschutzsachen, also Übergriffen in den Familien, sei allerdings ausgeblieben, so Rolf Rausch. Da in weiten Teilen der amtsgerichtlichen Zuständigkeit, wie bei der Rechtsantragsstelle oder den Erbschaftsangelegenheiten, nichts ohne vorherige Terminabsprache geht und vieles, was sonst persönlich geklärt werden konnte, schriftlich gemacht werden muss, geht manches nicht ganz so schnell. „Betroffene benötigen da schon ein wenig Geduld“, bittet Rolf Rausch um Verständnis.

Pandemie fordert die Kreativität der Gerichte

„Wenn es nicht nich schlimmer kommt, sind wir mit einem blauen Auge davon gekommen“, meint Richter Rolf Rausch, Sprecher des Amtsgerichts Duisburg.
„Wenn es nicht nich schlimmer kommt, sind wir mit einem blauen Auge davon gekommen“, meint Richter Rolf Rausch, Sprecher des Amtsgerichts Duisburg. © Foto: Stephan Eickershoff

Haftsachen haben bei der Justiz auch in Corona-Zeiten Vorrang. Und ein gerade Festgenommener muss dem Haftrichter des zuständigen Amtsgerichts auch dann vorgeführt werden, wenn er nicht nur einer Straftat verdächtig ist, sondern zudem befürchtet werden muss, dass er Corona hat. „In solchen Fällen haben wir Vorführungen schon im Freien auf dem Hof gemacht“, gibt Rolf Rausch Einblicke in die Kreativität der Justiz.

Die ist auch bei Zwangsversteigerungen gefragt. „Es ist erstaunlich, wie viele Leute trotz Corona zu solchen Versteigerungen kommen“, wundert sich Rausch. „Und jeder Bieter hat einen Anspruch auf persönliche Teilnahme.“ Das mache Mindestabstände zuweilen unmöglich und habe schon dazu geführt, dass Versteigerungstermine – zum Ärger weit angereister Bieter – ausgesetzt werden mussten. Das Amtsgericht hat für einige Versteigerungen, bei denen viele Interessenten erwartet werden, nun die Homberger Glückauf-Halle angemietet.

>>AUCH FÄLLE AUS OBERHAUSEN UND MÜLHEIM WERDEN IN DUISBURG VERHANDELT

  • Zum Bezirk des Landgerichts Duisburg gehören die Städte Duisburg, Oberhausen, Mülheim, Dinslaken und Wesel. In erster Instanz ist es für Verfahren um schwere Straftaten und für Zivilklagen mit höheren Schadenssummen zuständig. Zudem ist es Berufungsinstanz für alle angefochtenen Straf- und Zivilentscheidungen der zum Gerichtsbezirk gehörenden sieben Amtsgerichte.
  • Das Amtsgericht Duisburg ist für die Stadtteile Innenstadt, Rheinhausen und Süd zuständig. Es bearbeitet in erster Instanz kleinere Straftaten und Zivilstreitigkeiten bis zu einem Streitwert von 5000 Euro. Darüber hinaus hat es spezielle Zuständigkeiten für den gesamten Landgerichtsbezirk, zum Beispiel bei Verstößen gegen den Umweltschutz, das Lebensmittelrecht sowie Steuer- und Wirtschaftsvergehen.
  • Unter anderem führt das Amtsgericht auch das Grundbuch, das Handels- und das Vereinsregister. Es ist für Familien-, Betreuungs- und Erbschaftsangelegenheiten zuständig.