Duisburg. Wenn das Herz aus den Takt gerät, eröffnet die Elektrophysiologie neue Möglichkeiten. Deshalb baut das Herzzentrum in Duisburg die Sektion aus.

Medikamente, die den Herzrhythmus verlangsamten, waren lange das Mittel der Wahl bei Vorhofflimmern. Sie dämpfen zwar die Symptome, beseitigten aber die Rhythmusstörung nicht. Das machen Fortschritte in der Elektrophysiologie möglich. Das Duisburger Herzzentrum setzt deshalb verstärkt auf die noch junge kardiologische Disziplin.

Dr. Ute Ruprecht, die nun als neue Sektionsleiterin in der Meidericher Klinik tätig ist, setzt mit einem Katheter-Eingriff gezielt künstliche Narben im Vorhof-Gewebe, damit das Herz wieder dauerhaft im rechten Takt schlägt.

Herzzentrum: Elektrophysiologen sind die Klempner unter den Kardiologen

Ja, der Vergleich mit Klempnern und Elektrikern sei durchaus zutreffend, sagt die Kardiologin, die nach Stationen in Dortmund und am Essener Krupp-Krankenhaus nun im Herzzentrum des Ev. Klinikums Niederrhein (EVKLN) tätig ist. „Das Herz ist der Motor des Körpers, wie im Auto braucht es eine steuernde Elektronik. Im Laufe eines langen Lebens können diese Leitungen gestört werden, wodurch die Leistung deutlich eingeschränkt ist.“

Der Herzschlag ist ein Stromimpuls der in einem gesunden Organ von A nach B fließt. „Aber wie bei einem Straßensystem kommt es im Laufe des Lebens zu Schäden, Sperrungen, Umleitungen“, vergleicht Ute Ruprecht, „wenn es schlecht läuft, kreisen die Stromimpulse wirr durch den Vorhof, sodass dessen Muskelzellen zu unterschiedlichen Zeiten durch startende und rückkehrende Impulse erregt werden.“ Bei anfallsartigem Vorhofflimmern sind diese Veränderungen die Ursache für die Rhythmusstörung.

3D-Medizintechnik wurde ursprünglich für das Militär entwickelt

Interdisziplinäre Arbeit mit den Herzchirurgen: Dr. Reza Rezwanian, leitender Oberarzt, Prof. Dr. Wolfgang Schöls, Chefarzt der Kardiologie im Herzzentrum Meiderich und Dr. Ute Ruprecht, Leiterin der Elektrophysiologie (v.l.)
Interdisziplinäre Arbeit mit den Herzchirurgen: Dr. Reza Rezwanian, leitender Oberarzt, Prof. Dr. Wolfgang Schöls, Chefarzt der Kardiologie im Herzzentrum Meiderich und Dr. Ute Ruprecht, Leiterin der Elektrophysiologie (v.l.) © FUNKE Foto Services | Foto: Tanja Pickartz

Im Herzen sind diese Sperren aus Bindegewebe, das keinen Strom leitet. Es entsteht, wenn sich Narben bilden – durch Infektionen, Infarkte, operative Eingriffe oder angeborener Herzfehler, wegen denen viele Patienten in Meiderich behandelt werden. Sichtbar werden sie für die Kardiologen durch 3D-Technologie, ursprünglich entwickelt für die israelische Luftwaffentechnologie. Ein elektromagnetisches Feld unterhalb des Patienten erzeugt farbige „Maps“, die Aufnahmen machen die Strukturen und den Verlauf der elektrischen Leitungen millimetergenau sichtbar.

Die präzise Darstellung ist die Voraussetzung dafür, dass Elektrophysiologen mittels eines Katheters den Ursprungsort der elektrischen Fehlimpulse orten und elektrisch isolieren können. Dies geschieht durch sehr feine gezielt gesetzte Narben, die durch die Spitze des Katheters erzeugt werden. Sie wirkt wie eine Mini-Mikrowelle. Das Problem wird damit zum Teil der Lösung: Die so erzeugten Narben sind nicht leitendes Bindegewebe, mit diesen gezielt gesetzten Sperren findet der Strom wieder den gewünschten Weg und das Herz seinen gewohnten Rhythmus.

Eingriffe erfordern viel Übung und Erfahrung mit der Technik

Der Eingriff erfordert Übung, der sichere Umgang mit der Technik viel Erfahrung. Da die Behandlung im Gegensatz zur Röntgentechnik live, während der gesamten Untersuchung immer wieder aus verschiedenen Perspektiven betrachtet werden könne, bestehe die Gefahr, Verödungen an falsche Stelle zu setzen eigentlich nicht, betont Ruprecht. „Das System navigiert den Arzt exakt an den gewünschten Ort und erst dann erfolgt die wenige Sekunden dauernde Energieabgabe.“

Elektrophysiologie galt zunächst als „Wellness-Medizin“

Die Elektrophysiologie habe etwas Zeit benötigt, um sich durchzusetzen, sagt Ute Ruprecht. Anfangs galt sie auch unter Kardiologen eher als „Wellness-Medizin“, da sie überwiegend Patienten mit starken Symptomen, wie Unruhezustände aufgrund von Herzrasen behandelte. Mittlerweile zeigen aber Studien, dass ein früh erfolgreich behandeltes Vorhofflimmern einen entscheidenden Einfluss sowohl auf die Schlaganfallrate, als auch auf die Zahl von Todesfälle aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen hat. Ruprecht: „Auch beim asymptomatischen chronischen Flimmern ist mittlerweile insbesondere für herzschwache Patienten bekannt, dass jede Stunde, die der Vorhof nicht flimmert sich positiv auf die Lebenserwartung auswirkt.“

Für das beste Behandlungsergebnis setzt das Herzzentrum auf Zusammenarbeit zwischen den Fachgebieten. Dr. Ute Ruprecht und die Herzchirurgin und Fachfrau für Rhythmus-Chirurgie Prof. Dr. Brigitte Oswald, leiten eine gemeinsame Monitor-Station. „Diese Sonderstellung für die interdisziplinäre Arbeit der Rhythmusabteilung ist im Ruhrgebiet einzigartig“, sagt der Leiter der Klinik für Kardiologie, Prof. Dr. Wolfgang Schöls.

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>>>> ELEKTROPHYSIOLOGIE: KÜNFTIG IN DUISBURG UND DINSLAKEN

  • Mit Dr. Ute Ruprecht bekommt die Elektrophysiologie im Ev. Klinikum Duisburg-Nord (EVKLN) eine neue Struktur. Der Schwerpunkt der Sektion, bislang im Ev. Krankenhaus Dinslaken, wird nach Meiderich verlagert. „Wir wollen Teil des Herzzentrums sein, es ist wichtig, dass wir für alle hier tätigen Spezialisten direkt ansprechbar sind“, sagt die neue Leiterin.
  • Die Kardiologen versorgen aber auch die Patienten in Dinslaken, wo Dr. Reza Rezwanian derzeit als leitender Oberarzt fungiert. Um hohe Qualität an beiden Standorten zu gewährleisten, kommt Anfang 2021 aus den Niederlanden noch ein weiterer Elektrophysiologe zum EVKLN. Er wird im Wechsel an beiden Standorten tätig sein. „Ich gehe davon aus, dass dieses Modell auch über den Umzug in den Neubau des Herzzentrums am Fahrner Krankenhaus Bestand hat“, sagt Chefarzt Wolfgang Schöls .