Duisburg. Die Corona-Pandemie hat die traditionsreiche Duisburger Filmwoche aus dem Kino in den virtuellen Raum vertrieben – inklusive Preisverleihung.

Die 44. Duisburger Filmwoche unter dem Motto „Anspruch“ ist am Montag mit der Bekanntgabe der Preisträger zu Ende gegangen. Wegen der Corona-Pandemie konnte das Dokumentarfilm-Festival nicht im Filmforum in Duisburg über die Bühne gehen, sondern musste in den virtuellen Raum ausweichen. Die Filmemacher aber sind ganz nahe bei ihren Protagonisten geblieben.

Im Tanzfilm „If It Were Love“, der mit dem mit 6000 Euro dotierten Arte-Dokumentarfilmpreis ausgezeichnet wurde, hat sich Patric Chiha dem Raveparty-Stück „Crowd“ der Choreographin Gisèle Vienne genähert. Entstanden ist ein Zusammenspiel von Körpern und Affekten, von Musik, Kamera, Licht und Montage „voller Magie und Intensität“, so die Jury. Chiha habe einen „erschütternd sensuellen, erschütternd empfindsamen Film gemacht“ in einer Zeit, die nach Abstand verlangt.

Preis für einen Film über Menschen in einer Kunstwerkstatt

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Sabine Herpich hat in ihrem Film „Kunst kommt aus dem Schnabel wie er gewachsen ist“, der mit dem 3sat-Dokumentarfilmpreis ausgezeichnet wurde (6000 Euro), die Menschen in der Berliner Kunstwerkstatt Mosaik begleitet. Sie porträtiere damit einfühlsam nicht nur eine vorbildliche soziale und künstlerische Einrichtung, sondern werfe auch große Fragen wie die nach dem Wesen der Kunst, den Bedingungen ihrer Produktion und ihrer gesellschaftlichen Relevanz auf, begründet die Jury.

Der mit 5000 Euro dotierte Preis der Stadt Duisburg ging an „Wohnhaft Erdgeschoss“ von Jan Soldat. Er zeigt einen Menschen, der im Internet „Bettpinkler“ heißt und in einem zugemüllten Wohnzimmer lebt, ein porträtiert einen Menschen, als Kind geschlagen wurde und nach Zusammenbruch der DDR durch das soziale Netz fiel.

Publikumspreis geht an einen Film für die Opfer des NSU

Der „Carte Blanche“ – Nachwuchspreis des Landes NRW (5000 Euro) preist Lisa Webers „Jetzt oder morgen“. Sie hat in ihrer Milieustudie drei Jahre lang eine Familie in einer verrauchten Wiener Stadtrandwohnung begleitet: Claudia, die junge Mutter, ihren kleinen Sohn, die Oma und den arbeitslosen Bruder. „Schonungslos, weil nah am Alltag der Protagonisten und doch fürsorglich, erzeugt der Film Mitgefühl statt Mitleid und stellt die Familie nicht bloß“, so die Jury.

50 Jahre Filmforum in Duisburg – gefeiert wird späterDer mit 1000 Euro dotierte Publikumspreis geht an den Film „Spuren – die Oper des NSU“, der „einen einfühlsamen Blick auf die Hinterbliebenen der NSU-Opfer und deren Trauer“ richtet. „Er erinnert uns, dass der Urteilsspruch gegen die Haupttäterin keinen Schlusspunkt setzen kann und darf“, so die Jury.

Eine virtuelle Festivalwoche

Insgesamt standen 16 Dokumentarfilme aus Deutschland, Österreich und der Schweiz im Wettbewerb zur Auswahl. Im Online-Angebot der Duisburger Filmwoche wurden in der letzten Woche die nominierten Beiträge zusammen mit vorab produzierten Gesprächen, Kritiken und Texten präsentiert. „Diese virtuelle Festivalwoche war eine neue Erfahrung, reich an Herausforderungen und Inspiration“, so das Leitungsduo Gudrun Sommer und Christian Koch.

Die ausgezeichneten Filme sollen vom 19. bis 28. November noch einmal online für ein breites Publikum präsentiert werden.

>>ZUM ZEHNTEN MAL GROSSE KLAPPE

  • Die „Große Klappe“, der mit 5000 Euro dotierte europäische Filmpreis für den besten politischen Kinder- und Jugenddokumentarfilm ist an den britischen Film „The Circle“ gegangen. Darin begleitet Lanre Malaolu die Brüder David und Sanchez, die im Londoner Stadtteil Hackney täglich mit Rassismus und Vorurteilen konfrontiert sind.
  • Der Ecfa Documentary Award geht an Samuel N. Schwarz für seinen Film „Wellen aus Licht“; er erzählt von Frida, die nur Umrisse und Schatten erkennen kann. Sie ist stark, begabt, witzig und klug.