Duisburg. Duisburgs Krisenstab mahnt, die Corona-Lage sei „kritisch“. Viele infizieren sich im privaten Bereich. 82 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern.

Das Robert Koch-Institut (RKI) hat am Donnerstag mit 16.774 Corona-Neuinfektionen einen neuen Tageshöchstwert für Deutschland gemeldet. Im täglichen „Situationsbericht“ der Bundesoberbehörde für Infektionskrankheiten taucht auch Duisburg wieder als Hotspot auf. Die Stadt hatte am Mittwoch mit 240,8 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner bundesweit die vierthöchste Sieben-Tage-Inzidenz – die höchste Infektionsrate in NRW. „Der gegenwärtige Anstieg ist besorgniserregend und Ausdruck eines exponentiellen Wachstums“, sagt Dezernent Paul Bischof, seit Oktober Leiter des Duisburger Krisenstabes. Die Lage sei „kritisch“.

Die Dynamik, mit der Sars-CoV-2 zwischen Rahm und Alt-Walsum grassiert, überrascht selbst im Dauer-Hotspot Duisburg und trotz aller Warnungen vor der zweiten Welle. Die wenigsten der knapp 499.000 Einwohner hätten es wohl vor drei, vier Wochen für möglich gehalten, dass sich in kurzer Zeit so viele von ihnen anstecken – ohne dass die Behörden größere Ausbrüche oder Hotspots im Stadtgebiet identifizieren können.

Duisburg: Jeder Infizierte steckt mehr als eine Person an – vor allem im Privaten

Es gebe weiterhin „keine großen Ausbrüche“, erklärte Bischof am Donnerstag, stattdessen wie in den letzten Wochen „ein diffus ansteigendes Infektionsgeschehen, das sich über weite Teile des Stadtgebietes hinzieht“. Diffus, das bedeutet unklar, ungeordnet – das Virus ist überall, der Ursprung vieler Ansteckungen liegt im Dunkeln.

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Die Zeitspanne, in der sich die lokalen Fallzahlen verdoppeln, hatte sich seit Mitte September immer weiter verkürzt. Nur eine Woche dauerte es zuletzt, bis aus 550 aktiven Fällen (21. Oktober) 1181 wurden (28. Oktober). Und selbst nach der Überschreitung der zweiten Hunderter-Schwelle macht die Sieben-Tage-Inzidenz binnen 24 Stunden mitunter noch große Sprünge, am Mittwoch von 201,5 auf 240,8.

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Warum? Wo kommen die vielen neuen Infektionen – 1026 waren es vom 21. bis 27.10. – her? „Die Menschen“, antwortet Bischof, „haben zu viele Kontakte.“ Im Moment stecke „jeder Infizierte mehr als eine weitere Person an“.

Die meisten infizieren sich „im privaten Bereich“ mit Sars-CoV-2, im Kreise von Freunden und Verwandten. Die Situation sei „auch deswegen schwierig“, so Bischof, „weil es eben nicht den einen großen Ausbruch gibt“.

82 Covid-19-Patienten in Duisburger Krankenhäusern

Bei einem weiteren exponentiellen Wachstum würde nicht nur die Kontaktpersonenverfolgung durch das Gesundheitsamt kollabieren (wir berichteten), auch die Situation in den Krankenhäusern könnte schnell außer Kontrolle geraten – so wie zurzeit bereits in einigen Regionen der Nachbarländer Belgien (Sieben-Tage-Inzidenz landesweit: 895,8) und Niederlande (386,7).

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Denn obwohl im Moment viele junge Menschen positiv getestet werden – etwa ein Fünftel der bislang rund 5000 betroffenen Duisburger ist 20 bis 29 Jahre alt –, steigt mit der Kurve der Fälle auch die Zahl der in Duisburg stationär behandelten Covid-19-Patienten. Am Donnerstag waren es bereits 82 (am Montag noch 63). 19 von ihnen müssen intensivmedizinisch behandelt, elf beatmet werden (siehe Infobox unten).

Nach den Angaben, die Krankenhäuser täglich ans DIVI-Intensivregister melden, waren bei der jüngsten Aktualisierung von 253 Intensivbetten in Duisburg noch 52 frei. 180 Intensivbetten wurden für Intensivpatienten ohne Covid-19 benötigt.

Das von der Feuerwehr und der Hilfsorganisation I.S.A.R. Germany Ende März in der Helios Rhein-Klinik in Beeckerwerth eingerichtete Behelfskrankenhaus mit 50 Betten „kann bei Bedarf aktiviert werden“, sagt Bischof.

Weiter steigende Fallzahlen in Duisburg wahrscheinlich

Paul Bischof, Dezernent für Sicherheit und Recht, leitet den Corona-Krisenstab seit Oktober.
Paul Bischof, Dezernent für Sicherheit und Recht, leitet den Corona-Krisenstab seit Oktober. © FUNKE Foto Services | Zoltan Leskovar

Er hofft, dass die am Mittwoch von Kanzlerin Merkel verkündeten Maßnahmen nun „schnell auf Länderebene umgesetzt werden. Nur dann haben die Kommunen die Chance, den Kreislauf der Neuinfektionen zu durchbrechen und wieder vor die Lage zu kommen.“

Die Duisburger Verwaltung hat ihren kommunalen Handlungsspielraum im öffentlichen Raum mit der Maskenpflicht in 28 Einkaufsstraßen und dem strengen Kontaktverbot genutzt: Seit Donnerstag bereits dürfen sich im öffentlichen Raum nur noch zwei nicht miteinander verwandte Personen treffen, Verstöße werden mit einem Bußgeld in Höhe von 250 Euro geahndet.

Dennoch werden die Fallzahlen wohl noch einige Tage ansteigen, wie es auch das Prognosemodell der Informatiker aus Osnabrück und Jülich (wir berichteten) „mit einer Wahrscheinlichkeit von größer 95 Prozent“ vorhersagt. Denn der erhoffte Effekt der kommunalen Maßnahmen und des bundesweiten Teil-Lockdowns ab Montag wird sich frühestens nach zehn Tagen zeigen.

>> PATIENTENZAHLEN UND POSITIVENQUOTE

■ Stadtsprecher Jörn Esser erklärt zu den Patientenzahlen der Duisburger Krankenhäuser, dass in diesen auch Kranke aus Nachbarstädten behandelt werden, umgekehrt Duisburger beispielsweise auch in Moers, Düsseldorf und Dinslaken stationär aufgenommen werden. Die Amtsstatistik der Corona-Fallzahlen enthält dagegen ausschließlich in Duisburg gemeldete Personen.

■ In der Woche vom 21. bis 27. Oktober haben Stadt und Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNO) außerhalb von Arztpraxen und Krankenhäusern 5381 Corona-Tests durchgeführt. In diesem Zeitraum wurden in Duisburg insgesamt 1026 positive Befunde registriert (darunter auch solche aus Praxen und Kliniken). Noch nie haben Stadt und KVNO so viele Abstriche wie im jüngsten Vergleichszeitraum genommen. In den sieben Tagen zuvor waren es 4430 (504 positive Befunde in Duisburg).

■ Die erhöhte Anzahl an Tests ist jedoch nicht der Hauptgrund für den Anstieg, denn der Anteil der positiven Befunde („Positivenquote“) ist in den vergangenen Wochen auch in Duisburg deutlich gestiegen (Archiv mit Corona- und Testzahlen: www.waz.de/du-sars).