Duisburg. Seit sechs Monaten kämpft eine gebürtige Duisburgerin darum, ihren Ehemann nach Deutschland holen zu können. Doch die Behörden stellen sich quer.

Scheitert die Integration an Corona oder doch am deutschen Amtsschimmel? Die gebürtige Duisburgerin Eylem Ucer-Kocer verzweifelt bei dem Versuch, ihre langjährige Liebe und nun auch Ehemann Sinan nach Deutschland zu holen. Obwohl dieser bereits eine zugesicherte Arbeitsstelle hat, darf er nicht einreisen. Ihm fehlt der Sprachnachweis A1, weil das zuständige Goethe-Institut in Istanbul monatelang geschlossen hatte – wegen Corona. Dennoch beharren Behörden darauf.

Das Eheglück und der sichere Arbeitsplatz des Ehemannes könnten nun im Dickicht der Bürokratie verloren gehen. Dabei bewegt sich Eylem Ucer-Kocer als gelernte Steuerberaterin gekonnt durchs komplizierte deutsche Steuerrecht. An der Ausländerbehörde, der Stadt Duisburg und dem Auswärtigen Amt jedoch scheiterte bislang auch sie. Bis zur Bundeskanzlerin ist die Duisburgerin immerhin gekommen. „Guten Tag liebe Frau Kanzlerin, vorerst möchten wir für Ihre tolle Arbeit, die Sie in der Politik leisten danken...“ Doch selbst warme Worte blieben ohne Erfolg.

Sprachinstitute sind durch Corona überfordert, Behörde beharrt dennoch auf Nachweis

„Leider können Anträge zur Familienzusammenführung nur mit einem A1-Sprachzertifikat bearbeitet werden, die von zertifizierten Anbieter ausgestellten wurden“, teilte die türkische Visastelle in Istanbul ihr schriftlich mit. Den Nachweis aber müsste das Goethe-Institut in Istanbul ausstellen. Das hatte zunächst monatelang wegen Corona geschlossen und machte anschließend „Sommerferien“. Nun aber läuft die Einrichtung vor Terminen über, schildert die Duisburgerin.

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Vor den Hürden zum Familienglück steht Eylem Ucer-Kocer seit nunmehr neun Monaten wie Asterix vor dem berüchtigten „Passierschein A38“ in der römischen Präfektur – dem „Haus, das Verrückte macht“. Denn nur mit dem Sprachnachweis A1 kann die Duisburger Ausländerbehörde tätig werden und den Visaantrag weiter bearbeiten. Ausnahmen? Nicht möglich. Die Behörde verweist an die Deutsche Botschaft und das Auswärtige Amt: „Für die Einreise nach Deutschland sind die deutschen Botschaften zuständig. Die Ausländerbehörde wird in einem solchen Fall nur beteiligt“, argumentiert die Stadt Duisburg.

Zudem seien laut Behörde „nach unseren Informationen Sprachschulen wieder geöffnet. Ob längere Wartezeiten bestehen bzw. ob ein Online-Verfahren möglich ist, kann nur durch die deutsche Botschaft vor Ort beurteilt werden.“

Dem Ehemann droht am Ende der Jobverlust aufgrund der langsamen Bürokratie

So irrt die Duisburgerin im Bürokratendschungel von Stelle zu Stelle. Dabei sollte das Anliegen der Eheleute ein Grund zur Freude sein. Ihren Ehemann Sinan kennt die Duisburgerin bereits seit zehn Jahren. Lange lief ihr Leben als Fernbeziehung. Anfang 2020 heirateten sie und beschlossen, endlich gemeinsam in Deutschland zu leben, wo Eylem Ucer-Kocer aufgewachsen ist und sich eine Existenz aufgebaut hat. Auch der gelernte Vertriebler Sinan hat hier eine Arbeitsstelle gefunden, besonders seine Zweisprachigkeit wird geschätzt und war der Grund für die Zusage. Alles könnte also perfekt sein.

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Doch nun läuft dem Ehemann die Zeit weg, denn ewig wird auch das Unternehmen auf ihn nicht warten, befürchtet seine Frau: Dann drohe am Ende wirklich, dass ihr Mann zwar einreisen könne, aber ohne Job.

Eheleute ernten Belehrungen statt Unterstützung durch das Auswärtige Amt

Beim Auswärtigen Amt erntet sie jedoch statt konkreter Hilfe nur Belehrungen: „Bei einem Visum zum Ehegattennachzug ist es grundsätzlich notwendig, dass Deutschkenntnisse auf dem Niveau A1 vor Einreise nach Deutschland nachgewiesen werden“, antwortet die Behörde schriftlich.

Damit solle sichergestellt werden, „dass sich der nachziehende Ehegatte von Anfang an in Deutschland verständigen kann. Dem Vorliegen einfacher Sprachkenntnisse ist als Schlüssel zur Integration und zur alltäglichen Partizipation ein hoher Stellenwert beizumessen.“

Die Duisburgerin Eylem Ucer-Kocer (l.) hat Anfang 2020 ihren türkischen Ehemann Sinan geheiratet. Doch seit neun Monaten kann er nicht nach Deutschland nachziehen, weil ihm der Sprachnachweis fehlt und die Sprach-Institutionen lange Zeit Corona bedingt geschlossen hatten. Die Eheleute ringen mit den Behörden in Deutschland und der Türkei.
Die Duisburgerin Eylem Ucer-Kocer (l.) hat Anfang 2020 ihren türkischen Ehemann Sinan geheiratet. Doch seit neun Monaten kann er nicht nach Deutschland nachziehen, weil ihm der Sprachnachweis fehlt und die Sprach-Institutionen lange Zeit Corona bedingt geschlossen hatten. Die Eheleute ringen mit den Behörden in Deutschland und der Türkei. © Eheleute Ucer-Kocer

Eylem Ucar-Kocer ärgert sich über die ,Belehrung’ in Sachen Integration: „Ich bin in Deutschland geboren, habe hier die Schulen besucht, mich weitergebildet und wohlgemerkt das schwierigste Recht in Deutschland studiert: Steuerrecht. Keinen Tag habe ich Arbeitslosengeld bezogen oder mich auf Kosten des Staates vergnügt. Im Gegenteil ich habe hier Grundstücke gekauft, um das Land zur stärken, wo ich lebe.“

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Seit sechs Monaten kämpft die Duisburgerin darum, endlich eine normale Familie werden zu können

Besonders kurios erscheint ein weiteres Schreiben des Auswärtigen Amts, in dem es sich auf ein Gespräch mit dem Generalkonsulat in Istanbul bezieht. Auch dort hatte der Ehemann versucht, seine Sprachkenntnisse nachzuweisen. „Beim Schaltergespräch gab es dahingehend keine ,auf-der-Hand-liegenden’ Anhaltspunkte bzgl. eines höheren Sprachniveaus“, behauptet das Auswärtige Amt. Das Interview sei daher auf Türkisch geführt worden. Ucar aber entgegnet: „Nicht mein Ehemann, sondern der Mitarbeiter des Konsulats konnte kaum Deutsch und war überfordert. Deshalb haben sie Türkisch gesprochen.“

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Doch hier steht nun Aussage gegen Aussage – mit schwerwiegenden Folgen, denn auch die hiesige Ausländerbehörde muss sich auf die Information des Auswärtigen Amts stützen. Eine Sonderbehandlung will Eylem Ucer-Kocer nicht, sondern einfach Unterstützung in dieser besonderen Pandemie-Ausnahmesituation, „und was Integration bedeutet, darüber muss mich ein Auswärtiges Amt nicht aufklären.“

>> DUISBURGERIN APPELLIERT BEI OB LINK AN DIE MENSCHLICHKEIT

  • Wir appellieren an Ihre Menschlichkeit und bitten um Ihre Hilfe“, richtete Eylem Ucar sich auch an OB Sören Link. „Die Ausländerbehörde kann eine Vorabzustimmung für die Erteilung eines Visums erteilen, stellt sich aber quer.“
  • „Ein persönliches Gespräch mit Herrn Oberbürgermeister Link ist derzeit leider nicht möglich“, antwortete ein Sprecher des OB jedoch knapp. Und: „Wie Sie mitteilten, verlangt die deutsche Botschaft, unabhängig von Corona, weiterhin den Nachweis über den Spracherwerb. Dieses Erfordernis sieht die Ausländerbehörde Duisburg genauso.“