Duisburg. Die zweite Corona-Welle hat Duisburg erfasst, die Einstufung als Risikogebiet droht. Der Krisenstab sieht mehrere Unterschiede zur ersten Welle.
Den berüchtigten 50er-Grenzwert bei der Sieben-Tage-Inzidenz hat Duisburg – anders als jüngst etwa Herne, Wuppertal, Remscheid und Gelsenkirchen – noch nicht gerissen. Letzter Stand: 43,1 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner. Die zweite Corona-Welle aber auch Duisburg längst erfasst. 45 Neuinfektionen binnen 24 Stunden wurden dem Gesundheitsamt zuletzt gemeldet, am Donnerstagabend waren 245 Duisburger infiziert – mehr waren es zuletzt am 17. April (249). Vor einem Monat waren es noch 64 gewesen.
Wie also bewertet der städtische Krisenstab das dynamische Infektionsgeschehen?
Die Antwort der seit Oktober von Sicherheits- und Rechtsdezernent Paul Bischof geleiteten Stabsstelle: „Die aktuelle Lage ist durchaus etwas weniger kritisch einzustufen als zu Beginn der Krise. Zwar ist das Infektionsgeschehen ähnlich dynamisch, jedoch sind die Zahlen der schweren Krankheitsverläufe deutlich niedriger als im April oder Mai. Auch die Zahl der tödlich verlaufenden Erkrankungen ist wesentlich geringer als zu Beginn.“ Einer der Gründe für die milderen Verläufe sei, dass aktuell „eher eine jüngere Bevölkerungsgruppe von den Infektionen betroffen ist“.
Duisburg: acht Covid-19-Patienten auf Intensivstationen
Ein Blick auf die Daten bestätigt die Einschätzung zu schweren Verläufen: Seit Anfang September stieg die Zahl der Todesopfer mit Wohnsitz in Duisburg vergleichsweise gering von 67 auf 72. Zwischen dem 24. März und dem 31. Mai waren dagegen 53 Duisburger mit SARS-CoV-2 verstorben. Bis auf einen 31-Jährigen gehörten nach Angaben der Stadt alle Verstorbenen Risikogruppen an. In den Duisburger Krankenhäusern mussten am Freitag acht Covid-19-Patienten auf Intensivstationen behandelt, vier von ihnen beatmet werden. Laut DIVI-Intensivregister (siehe Infobox) waren am Freitag noch knapp 30 Prozent der hiesigen Intensivbetten verfügbar.
Als weiteren Grund für die vielen Neuinfektionen der letzten drei Wochen führt der Krisenstab die „große Zahl von Testungen asymptomatischer Patientengruppen“ an. Gemeint sind Abstriche bei Lehrern, Erziehern, medizinischem Personal und Reiserückkehrern. Bei etlichen seien „bisher unbemerkt gebliebene und beschwerdefrei verlaufende Infektionen festgestellt“ worden.
Das Infektionsgeschehen in Duisburg sei zurzeit „grundsätzlich breit gestreut“, wobei die Ausbrüche nach einer Hochzeitsfeier in Hochfeld und im St.-Josef-Heim der Caritas in Alt-Hamborn (wir berichteten) die Situation verschärft hätten.
Krisenstab besorgt: Abstands- und Hygieneregeln werden häufig missachtet
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Entwarnung gibt der Krisenstab freilich nicht, zumal ein einziges Ereignis in den Herbstferien weit reichende Folgen für viele Duisburger haben kann: Bei einem neuen Ausbruch in der Größenordnung der Hochfelder Hochzeit würde Duisburg wohl den 50er-Grenzwert überschreiten und zum „Risikogebiet“ – in die meisten anderen Bundesländer dürften Duisburger dann nicht mehr einreisen.
Die Krisenmanager im Rathaus besorgt, dass „bei einem großen Teil der Bevölkerung das Bewusstsein schwinde, dass die Pandemie immer noch andauert und sich das Virus weiterhin verbreitet. Da in vielen Bereichen mehr und mehr eine gewisse Normalität zurückgekehrt ist, werden häufig Abstands- und Hygieneregeln vernachlässigt.“
Dadurch sei ein erneuter Anstieg der Infektionszahlen „unvermeidbar. Gerade im privaten Bereich und Umfeld werden offenbar diese Regeln immer mehr vernachlässigt“, kritisiert der Stab.
>> DAS IST DAS DIVI-INTENSIVREGISTER
- Die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) und das Robert Koch-Institut (RKI) veröffentlicht eine tägliche aktualisierte Übersicht der intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten mit Angaben für alle Kommunen im Netz auf www.divi.de.
- Seit dem 16. April sind alle intensivbettenführenden Akutkrankenhäuser in Deutschland verpflichtet, täglich im DIVI-Intensivregister zu melden.
- Ziel des Registers ist es, die Verfügbarkeiten von Beatmungsbetten und erweiterten Therapiemaßnahmen bei akutem Lungenversagen sichtbar zu machen: „Die tagesaktuelle Erfassung der intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten zusammen mit COVID-19-Fallzahlen ermöglicht eine regional und zeitlich aufgelöste Echtzeit-Analyse der aktuellen und zu erwartenden Versorgungssituation. Damit ist eine gezielte und datenbasierte Steuerung von bevölkerungsweiten Maßnahmen und Ressourcenentscheidungen möglich. Von zentraler Bedeutung in der Pandemie ist es die Anzahl gleichzeitig behandelter Patienten unter den regional vorhandenen Versorgungsmöglichkeiten zu halten.“