Duisburg. Am Schauspiel Duisburg spielt Sina Ebell in „Iphigenia“ den packenden Monolog einer jungen Frau, deren Leben von Alkohol und Armut geprägt ist.

Mit einem gebrüllten „Tach!“ am Anfang und einem sanften „Nimmermehr...“ am Ende ist am Donnerstag im Foyer III des Duisburger Stadttheaters das erste Stück nach siebenmonatiger Corona-Pause über die Bühne gegangen. 22 Zuschauer erlebten den Monolog „Iphigenia“ zwar mit der gebotenen Distanz, aber Schauspielerin Sina Ebell machte ihn zu einem starken Theatererlebnis.

Der walisische Autor Gary Owen lässt seine Iphy 2015 durch die Straßen von Cardiff ziehen. Weiter entfernt als die Antike, in der Euripides die edle Prinzessin Iphigenia nach Aulis schickte, könnte diese Streunerin von ihrer Namensgeberin kaum sein. Alkohol und Armut, Suff und Sex bestimmen das Leben dieser jungen Frau, die vulgär und streitsüchtig stets Ärger sucht.

Sina Ebell zeichnet in Duisburg Iphy als wütende Kriegerin

Im Trainingsanzug mit Basecap und Kapuze steht sie mal breitbeinig da, mal tigert sie durch den Raum und schaut provozierend dem Publikum ins Gesicht: eine wütende, Furcht einflößende Kriegerin, die derbe Schläge austeilt. In der Inszenierung von Ariane Kareev muss dafür ein altes Schlagzeug einiges einstecken. Aber bei allem Selbsthass weiß Iphy: „Ich bin auch jemand anders.“

Ihr Panzer platzt, als sie Lee kennenlernt, den freundlichen Ex-Soldaten. Ihr wilder Sex hilft ihm über das Trauma des amputierten Beins hinweg, sie aber verliebt sich in einen Mann, der längst Familie hat. Wie Hochstimmung und Hoffnung langsam in Verzweiflung und Depression umschlagen, als sie erkennen muss, dass sie schon nach einer Nacht kalt abserviert worden ist, das spielt Sina Ebell immer leiser werdend, in sich zusammen fallend und mit zarter Wucht.

Die ungewollte Schwangerschaft verändert das Leben


Folge des One-Night-Stands ist eine Schwangerschaft, die zwar ungewollt ist, aber mit der Iphys Gefühl wächst, nicht mehr allein zu sein. Aus der gebrochenen Kriegerin wird eine Kämpferin für ihr Kind. Sie will es behalten, auch wenn sie nur von ihrer „Omma“, die mit 70 noch an der Supermarktkasse sitzt, und ihrem Ex-Sauf- und Sexkumpel unterstütz wird. Da hat das Stück dann auch rührend-komische Momente, bevor es in die Katastrophe steuert.

Iphy (Sina Ebell), ungewollt schwanger geworden,  träumt von einem neuen Leben mit Kind.
Iphy (Sina Ebell), ungewollt schwanger geworden, träumt von einem neuen Leben mit Kind. © Schauspiel Duisburg | Ole-Christian Heyer


Denn Iphy verliert ihr Frühchen, weil es im Krankenhaus an Hebammen und Ärzten fehlt. Sina Ebell gelingt es, Iphys Fahrt im Krankenwagen, der sie bei schon eingesetzten Wehen in eine Spezialklinik verfrachten soll, zu einem rasanten Kopfkino zu machen, bei dem man freilich ahnt, dass es nicht gut ausgehen wird.

Großer Edelmut und ein politischer Dreh

Was man nicht ahnt: Als sie nach dem Tod ihres Kindes die Chance hat, über eine Klage von der Klinik entschädigt zu werden, verzichtet sie auf das Geld, das sie doch dringend gebrauchen könnte. Warum so viel iphigenienhafter Edelmut? Weil sie sich als Retterin fühlen möchte für die Menschen, die nach ihr in ein Krankenhaus kommen, das ohne weitere Kürzungen arbeiten kann.

Fraglich, ob dieser politische Dreh am Ende eines Stücks nötig ist, das die Folgen von Armut und Perspektivlosigkeit so eindringlich schildert, dass es Schauspielintendant Michael Steindl als „sehr speziell“ angekündigt hat. Ja, es ist hart und sprachlich derb. Aber Sina Ebell zeichnet diese rotzig-freche junge Frau, der man anfangs nicht auf der Straße begegnen möchte, ehrlich und berührend. Betroffene Stille, dann langer Beifall.


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>>TERMINE UND CORONASCHUTZ

  • Für die Vorstellungen am 6., 8. und 16. Oktober jeweils um 19.30 Uhr gibt es noch Karten (12 Euro) unter www.theater-duisburg.de, an der Theaterkasse am Opernplatz unter 0203 283 62 100 sowie an der Abendkasse.

  • Name und Adresse müssen angegeben platzgenau beim Kartenkauf erfasst werden. Es werden an der Abendkasse nur Karten für die Vorstellung am jeweiligen Abend verkauft. Bei Vorstellungen im Foyer III gibt es kein Catering.