Duisburg-Rheinhausen. Mitten im Lockdown wurde Martin Goerlich Vize-Schulleiter in Rheinhausen. Mit einem fünftägigen Sitzungsmarathon wird das Schuljahr vorbereitet.

Martin Goerlich ist als stellvertretender Schulleiter ein Glücksfall für das Krupp-Gymnasium. Dass ein solches forsches und überschwängliches Urteil schon nach gut fünf Monaten möglich scheint, verblüfft. Aber Krisen sind Bewährungsproben. Der 44-jährige, gebürtige Krefelder trat seinen Dienst mitten im Lockdown Anfang April an, ließ sich von der teilweise grotesken Situation in der verwaisten Schule nicht beirren und startete in der Ausnahmesituation voller Elan durch. Schulleiterin Benedikte Herrmann dankt aber ihrem gesamten Kollegium, das in der schwierigen Zeit voller Tatendrang war und sich weit über das normale Maß engagiert habe. Es herrscht schon so etwas wie eine positive Aufbruchstimmung.

„Wir hatten sofort einen guten Draht“

Da Goerlich bei seinem Start weder Kontakt zum kompletten 70-köpfigen Lehrerkollegium noch zu den rund 720 Schülern, geschweige denn zu den Eltern hatte, stellte sich der Lehrer für Sport und Physik aus der Not erst einmal auf der Homepage vor. Für Schulleiterin Benedikte Herrmann war er der Wunschkandidat. Der Einfluss der Schulleitung bei Stellenbesetzungen ist begrenzt.

Die Entscheidung trifft die Bezirksregierung Düsseldorf und die ließ sich Zeit. Gespräche hat die 54-Jährige mit mehreren Interessierten geführt. „Wir haben sofort einen Draht zueinander gefunden, sehr schnell gespürt, dass wir einen ähnlichen Blick dafür haben, wie Schule gelingen kann und wie wir alle miteinander umgehen“, erzählt Herrmann. Beide wollen gestalten, sehen sich selbst als Lernende, haben Lust, Schule immer wieder neu zu denken und Bewährtes auf den Prüfstand zu stellen. Schule ist für beide ein Ort, den alle gerne aufsuchen, wo sich jeder respektiert fühlt und seine Talente entfalten kann. Motivation spielt dabei eine ebenso große Rolle wie der Teamgeist.

Der kritische Blick von außen

Wenn durch Corona in diesem Jahr keine Klassenfahrten möglich seien, helfe es beispielsweise nicht, das nur zu beklagen. Da muss man sich auch einen Ersatz überleben, der den Schülern ebenso Spaß macht. „Was ich besonders schätze, ist sein kritischer Blick von Außen“, sagt sie über ihren Stellvertreter, aber auch über die derzeit vier Referendare an der Schule. Wie in der Wirtschaft richtet Herrmann den neugierigen Blick über den Tellerrand hinaus auf andere Schulen und ist auf der Suche nach der nachahmenswerten „Best-Practice“.

Darum geht es auch derzeit in einer fünftägigen Vorbereitung auf das neue Schuljahr. Seit Mittwoch kommen alle Lehrer jeden Tag zu Konferenzen und Arbeitsgruppen von 9.30 bis 14 Uhr in die Schule. Auf einem Stundenplan signalisieren die Farben Rot, Grün, Geld und Orange direkt, um was für ein Format es sich handelt. Ziel ist es, Lehren aus dem Lernen auf Distanz zu ziehen, ganz allgemein, aber auch sehr konkret.

Masken sind mehr als lästige Pflicht

Neue Ansätze sind gerade in der Corona-Krise gefragt. Die Maskenpflicht im Unterricht kann niemanden glücklich machen. „Es ist eine Herausforderung, der wir uns stellen müssen“, sagt Herrmann und scheut die direkte Kritik am Erlass der Ministerin. Es ist

Benedikte Herrmann, Schulleiterin am Krupp-Gymnasium, hat viel zu tun, um das neue Schuljahr vorzubereiten. Sie kann sich auf ihr engagiertes Kollegium verlassen.
Benedikte Herrmann, Schulleiterin am Krupp-Gymnasium, hat viel zu tun, um das neue Schuljahr vorzubereiten. Sie kann sich auf ihr engagiertes Kollegium verlassen. © FUNKE Foto Services | Ulla Michels

ihr klar, dass die Masken nicht nur lästig sind, sondern auch das Zwischenmenschliche, das gerade an der Schule so wichtig ist, empfindlich hemmen. Emotionen werden verschleiert und die Menschen distanzieren sich noch weiter von einander. Zudem muss in den Klassenzimmern der Mindestabstand eingehalten werden.

Keine Gruppenarbeit möglich

Eine kommunikative Sitzordnung, bei der die Tische zu Gruppeninseln zusammen geschoben werden, ist da nicht möglich. Wie beim traditionellen Frontalunterrichtung sind die Bänke nach vorne ausgerichtet. Da gilt es, die alte Form mit modernen Methoden zu durchbrechen. Etwa durch den verstärkten Einsatz von selbstgedrehten Videos - ein Mittel, das alle Seiten beim Lernen auf Distanz zunehmend schätzen gelernt haben.

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Für Goerlich, der 15 Jahre lang in Marxloh am Elly-Heuss-Knapp-Gymnasium gelehrt hat, war das Krupp-Gymnasium erste Wahl. An einem ganzen Tag musste er seine Befähigung für eine Führungsposition unter Beweis stellen: So musste er eine Schulstunde gestalten, eine Stunde eines Kollegen beurteilen, eine Konferenz zu einem Thema halten und zu einem Ergebnis führen und im Gespräch seine pädagogischen Grundsätze darlegen und rechtliche Kenntnisse zeigen.

Den Geist der Schule spüren

In der Bewerbungszeit hatte er sich zunächst die Seite der Schule im Netz angeschaut und ging nach dem Gedankenaustausch mit Herrmann gemeinsam mit einem seiner Söhne quasi anonym zum Tag der offenen Tür, um den Geist der Schule wahrzunehmen. „In diesen kurzen Eindrücken konnte ich die gute Atmosphäre der Schulgemeinschaft sowie den respektvollen und vertrauensvollen Umgang untereinander spüren und hoffe, dass mir das Krupp schnell ans Herz wächst“, schrieb er beim Start auf der Homepage. Wer Goerlich über die Schule reden hört, hat den Eindruck, dass dies schon in Rekordzeit gelungen ist.

Austausch im virtuellem Lehrer-Café

Das Lernen auf Distanz haben die Schüler je nach Alter sehr unterschiedlich gut gemeistert. Sowohl die Jüngeren als auch die Oberstufenschüler wussten, auf was es ankommt. Es verwundert nicht, dass gerade die Schüler in der Pubertät Probleme hatten. Jetzt muss systematisch geprüft werden, wo ist besondere Förderung nötig, welche Inhalte können wegfallen. Und wie sind die technischen Voraussetzungen bei den Schülern zu Hause.

Unterschiedliche Kenntnisse gibt es auch bei den Lehrern, aber sie unterstützen sich gegenseitig. Ein Erfolg war das Treffen im virtuellen Lehrer-Café.