Duisburg. 760.000 Euro fordert die Behinderten-Werkstatt von Ex-Chefin Rogg und Ex-Stadtdirektor Spaniel zurück. Vor Gericht geht es um Gehaltserhöhungen.

Das Gehalt von Roselyne Rogg (55) war im August 2019 plötzlich in aller Munde. Die 2011 eingestellte Geschäftsführerin der Duisburger Werkstatt für Menschen mit Behinderung (WfbM) hatte gut verdient. Zu gut. Ihre Bezüge waren 2013 und 2016 zweimal angehoben worden - ohne, dass es einen dazu erforderlichen Beschluss des Aufsichtsrates gab. Nun will die WfbM von ihrer früheren Geschäftsführerin und vom damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden, Ex-Stadtdirektor Reinhold Spaniel, 760.000 Euro zurück haben.

Beim ersten Verhandlungstermin vor der 2. Kammer für Handelssachen trafen sich allerdings nur die Anwälte der Beklagten. Persönliches Erscheinen von Rogg und Spaniel war nicht angeordnet worden, stattdessen tauschten ihre Rechtsbeistände Argumente aus und auch die Kammer signalisierte, wie sie die Sach- und Rechtslage nach Studium der Akten und der wechselseitigen Schriftsätze bislang sieht.

Duisburg: Richter gaben vorläufige Einschätzung ab

Roselyne Rogg, Oberbürgermeister Sören Link und Stadtdirektor Reinhold Spaniel 2017 bei einem Empfang im Duisburger Rathaus.
Roselyne Rogg, Oberbürgermeister Sören Link und Stadtdirektor Reinhold Spaniel 2017 bei einem Empfang im Duisburger Rathaus. © Foto: Udo Gottschalk

„Wir kämen bislang bei der Beklagten zu einer Haftung“, so der Vorsitzende. Roselyne Rogg habe selbst ihre eigenen Bezugserhöhungen in Kraft gesetzt. „Als Geschäftsführerin musste sie wissen, dass dazu Beschlüsse des Aufsichtsrates erforderlich waren. Sie kannte die Satzung und die Geschäftsordnung der gemeinnützigen GmbH.“

Bei der Frage, ob Reinhold Spaniel einen die Haftung begründenden Pflichtverstoß begangen habe, spiele nicht nur der Umstand eine Rolle, dass der Aufsichtsrat als Kontrollorgan niemals einen entsprechenden Beschluss fasste, so das Gericht. „Es ist auch zweifelhaft, ob die Angemessenheit der Vergütungshöhe geprüft wurde.“ Ein in solchen Fällen übliches Gutachten, das Vergleiche zu anderen kommunalen Tochter-Unternehmen oder ähnlichen Einrichtungen in umliegenden Städten zieht, wurde jedenfalls nie in Auftrag gegeben.

Anwälte: Rogg habe sich auf Zusicherung von Spaniel verlassen

Der Anwalt der Kläger sieht deutliche Anzeichen für Pflichtverletzungen und Untreue. „Seitdem kämpft die Werkstatt an zwei Fronten.“ Neben dem Prozess um die Schadenersatzforderungen müsse man sich immer noch mit dem Finanzamt auseinandersetzen und um die weitere Anerkennung der Gemeinnützigkeit ringen.

Ihre Mandantin sei vom Aufsichtsrat, wenn es um die Frage ihrer Bezüge ging, stets vor die Tür geschickt worden, betonen die Anwälte von Roselyne Rogg. „Sie hat sich auf die Zusicherung des Mitbeklagten verlassen, dass das schon alles seine Richtigkeit habe.“ Und nicht einmal Wirtschaftsprüfer hätten die Bezugserhöhungen beanstandet.

Hinweis auf den Beschluss des Aufsichtsrates fehlt

Der Vorsitzende der 2. Kammer für Handelssachen machte kein Hehl daraus, dass er sich besonders über einen Punkt wundert: 2013, bei einer vorzeitigen Vertragsverlängerung und gleichzeitiger Erhöhung der Vergütung für Roselyne Rogg waren an einem Tag zwei Vertragsdokumente angelegt worden.

Strafprozess wegen Untreue

Ungemach droht auch noch von anderer Seite: Die Staatsanwaltschaft Duisburg hat umfangreich ermittelt, Beweismittel zusammengetragen und die Beschuldigten gehört. Daher wird es aller Voraussicht nach zu einem Strafprozess wegen Untreue kommen.

Derweil erklärt Bildungsdezernentin und WfbM-Aufsichtsratsvorsitzende Astrid Neese, dass sie optimistisch sei, was „die geltend gemachten Schadensersatzansprüche angeht“. Das Landgericht Duisburg habe sehr klar zum Ausdruck gebracht, dass es deutliche Anzeichen für Veruntreuung sieht. aka

In dem einen, so der Richter, sei vorzeitig der Vertrag verlängert worden - unter ausdrücklicher Bezugnahme auf einen entsprechenden Beschluss des Aufsichtsrates.

Im zweiten Dokument sei die Erhöhung der Bezüge verschriftlicht worden. „Dort fehlt jeder Hinweis auf den Aufsichtsrat.“ Er sei verwundert, so der Richter, weil man üblicherweise einen solchen Sachverhalt doch in einem Vertrag regeln würde.

Kammer steht lange Beweisaufnahme bevor

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Es sei allgemeiner Konsens gewesen, dass man die erfolgreich arbeitende Geschäftsführerin der Behinderten-Werkstatt in Duisburg behalten wollte und deshalb auch ihre Bezüge erhöht werden mussten, betonen die Anwälte beider Beklagter. Roselyne Rogg habe die Werkstatt „zu einem florierenden mittelständischen Unternehmen“ gemacht.

Die Anwälte von Reinhold Spaniel sind zudem sicher, dass der Aufsichtsrat den Bezugserhöhungen zugestimmt hätte - wenn er denn jemals einen Beschluss hätte fassen müssen. „Das Resultat wäre das gleiche gewesen.“ Der Vorsitzende der Kammer blieb gelassen: „Dann werden wir die damaligen Mitglieder des Aufsichtsrates eben alle als Zeugen vernehmen müssen.“ Der 2. Kammer für Handelssachen steht voraussichtlich eine mühsame und umfangreiche Beweisaufnahme bevor.