Duisburg. Nach dem Tod eines Obdachlosen in einer Notunterkunft diskutieren Sozialverbände, welche Angebote in Duisburg fehlen. Suchtkranke rutschen durch.
Wie ist Duisburg aufgestellt bei der Versorgung Obdachloser? Ein erster Todesfall am Petershof, in den Notcontainern bei Pater Oliver, lässt diese Frage dringlicher denn je erscheinen.
„Marius war in Marxloh bekannt wie ein bunter Hund. Sein Tod bewegt viele Leute“, berichtet Pater Oliver. „Es kommen viele Leute, die ihn kannten, um zu trauern.“ Als grundlegendes Problem sieht Pater Oliver, dass sich die Stadt nicht eingestehe, „dass wir ein Problem mit Obdachlosen haben. Es geht hier um Menschen“, mahnt er Fortschritte an.
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Lücken in der Versorgung von Obdachlosen
Nach Schätzungen von Hilfsorganisationen geht es in ganz Duisburg um rund 300 Wohnungslose. „Die Wohnungslosenhilfe hat für sie gute Ansätze“, findet Dita Gomfers vom Suchthilfeverbund. Durchs Raster fallen aber Wohnungslose, die suchtkrank sind oder einen unklaren Aufenthaltsstatus haben. Einrichtungen wie das stationäre Übergangsheim Wolfgang-Eigemann-Haus des Diakoniewerks in Kaßlerfeld bietet männlichen Obdachlosen zwar ein Bett, ist aber darauf ausgerichtet, ihre Lebenssituation grundlegend zu verbessern.
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„Es gibt Menschen, die sich schwertun, Hilfe anzunehmen“, sagt Gomfers, da brauche es Zeit und Geduld. Dass sich jemand gar nicht helfen lassen will, „das erleben wir nicht“, betont die Geschäftsführerin. „Es werden aber auch nicht alle eine Therapie machen“, betont sie. Schuldenberge oder drohende Haftstrafen seien für manche Klienten drängender.
Eigene Notschlafstelle für Suchtkranke
Bei Notschlafstellen wie dem Hotel Salm in Marxloh hätten Sozialarbeiter Zugangs-Schwierigkeiten, erklärt Mustafa Arslan vom Suchthilfeverbund. Angebote zur Substitution etwa könne man den Obdachlosen dort nicht vermitteln. Der Verband wäre daher bereit, zehn Notschlafstellen einzurichten, wenn die Finanzierung gesichert ist.
„Das ist das Puzzleteil, das uns fehlt in Duisburg. Ein Ort, an dem Menschen untergebracht werden, ohne zu gucken, ob sie nüchtern sind oder Papiere haben.“ Niedrigschwellig könne ihnen geholfen werden - entweder bei der Rückkehr in die Heimat oder beim Sesshaftwerden.
Projekt Streetwork Osteuropa in den Startlöchern
Der Suchthilfeverbund hofft auf Zustimmung aus dem Rat, dann könnte es gemeinsam mit der Awo-Integration immerhin beim „Projekt Streetwork Osteuropa“ losgehen.
Zwei Streetworker sollen dafür in Hamborn installiert werden und auf Bulgarisch, Polnisch oder Russisch Kontakt aufbauen. In einem ersten Schritt soll der Bedarf ermittelt sowie erste Hilfe bei der Job- und Wohnungssuche sowie der Suchthilfe geleistet werden. Zusammen mit dem Einsatzwagen des „Vereins gegen Kälte“ wollen die Streetworker in den Stadtteilen unterwegs sein.
Die Mittel dafür sollen aus der Integrationspauschale des Landes kommen – einem 10,7 Millionen Euro schweren Paket, das nächste Woche durch den Rat abgesegnet werden soll.
Mit dem Geld sollen zur Hälfte die Kosten für geduldete Personen kompensiert werden, die andere Hälfte ist für Integrationsmaßnahmen gedacht. Gefördert werden Projekte zur Wohnraumbeschaffung, zur niederschwelligen Beratung für Menschen aus Südosteuropa, außerschulische Bildungsangebote und etliches mehr.
Fahrner Krankenhaus: Können Patienten nicht dauerhaft beherbergen
Ein Problem bleibt für obdachlose Migranten die Krankenversicherung. Das Fahrner Krankenhaus wehrt sich deshalb gegen den Vorwurf von Pater Oliver, „einen schwerkranken Patienten, der unmittelbar zuvor noch beatmet auf der Intensivstation lag“, ins Sozialpastorale Zentrum entlassen zu haben.
Der unversicherte Mann sei „monatelang behandelt worden“, so Klinik-Sprecherin Gaby Beyer. Auf der Rechnung in Höhe von rund 35.000 Euro werde das Krankenhaus wohl sitzen bleiben. „Fälle wie diese machen auch die Ärzte betroffen, wir erleben das oft auch bei Alten und alleinstehenden Menschen“, betont Beyer, „aber wir können Patienten nicht dauerhaft betreuen“.
100 Menschen durch das Diakoniewerk untergebracht
„Es ist eine tragische Situation“, sagt Udo Horwat. Der Geschäftsführer verweist auf „ein differenziertes und konkretes Hilfesystem für Obdach- und Wohnungslose, um das uns viele andere Städte beneiden“. Allein 1200 Klienten habe die Beratungsstelle des Diakoniewerks im vergangenen Jahr informiert und unterstützt. Etwa 100 Menschen finden derzeit in verschiedenen Häusern eine Unterkunft.
„Aber es gibt auch eine wachsende Zahl von Menschen, die von diesem System nicht erreicht werden, vor allem gestrandete Arbeitsmigranten aus Ost- und Südosteuropa“, so Horwat. Sie seien auf Menschen wie Pater Oliver und Initiativen wie „Gemeinsam gegen Kälte“ angewiesen, weil sie weder Anspruch auf Sozialleistungen noch auf medizinische Versorgung haben. Die zumeist ehrenamtlich Tätigen seien aber zusehens mit der Versorgung überfordert. Horwat: „Das ist ein Dilemma und da muss etwas passieren. Wir brauchen ein systematisches Konzept, dafür gibt es Beispiele aus anderen Städten.“
Zweigstellen im Duisburger Norden fehlen
Bislang seien zu viele Angebote der Sozialverwaltung und der Verbände in der Stadtmitte konzentriert, glaubt Horwat. Zweigstellen müsse es auch im Duisburger Norden geben. „Das Projekt des Suchthilfeverbundes kann nur der Anfang sein“, so der Geschäftsführer, der lange selbst in der Suchthilfe tätig war. „Wir brauchen konkrete Projekte für Arbeitsmigranten, müssen Perspektiven auch für die Rückkehr in die Herkunftsländer entwickeln.“ Gespräche darüber mit der neuen Sozialdezernentin der Stadt, Astrid Neese, seien bereits geplant.
Es gebe allerdings auch Menschen, die Hilfen ablehnen. Udo Horwat: „Wir können niemanden zwingen. Und es wäre sicher naiv zu glauben, dass es ein Hilfesystem gibt, das alle erreichen kann.“
Stadt: Schicksal ist uns nicht gleichgültig
Astrid Neese, seit April als Sozialdezernentin im Amt, äußerte sich am Montag nicht selbst zu den Vorwürfen von Pater Oliver. „Sie machen uns betroffen, das Schicksal der Menschen ist uns natürlich nicht gleichgültig“, so Stadtsprecher Peter Hilbrands.
Das Duisburger Konzept gegen Wohnungslosigkeit beruhe auf einem „tragfähigen Konzept“, so die Verwaltung, die aber einräumt: „Problematisch wird die Versorgung von Personen, die finanziell nicht ausgestattet sind und aufgrund ihrer Herkunft über keine Sozialleistungsansprüche verfügen.“ Deren auf 50 taxierte Zahl sei sorgfältig geschätzt worden. „Fakt ist, dass die nördlichen Stadtteile von Duisburg stärker betroffen sind.“
Die Stadt verweist auf 25.000 Euro, die sie für die Container am Petershof zur Verfügung stellte. „Wie zukünftig mit Personen umzugehen ist, die aufgrund fehlender Einkünfte und Sozialleistungsansprüche nicht mit Wohnraum zu versorgen sind, bedarf noch einer Entscheidung.“ Grundsätzlich gelte die Maßgabe, dass jederzeit ein Notübernachtungsplatz zur Verfügung gestellt werden kann.