Duisburg. 14 Männer der Mafia-Organisation 'Ndrangheta sollen rund 680 Kilo Kokain verkauft haben. Staatsanwaltschaft Duisburg erhebt Anklage.

Bis zu 220 Kilo Kokain gingen bei einzelnen Deals der kalabrischen Mafia-Organisation 'Ndrangheta über den Tisch, versteckt zwischen Bananen oder Holz – insgesamt rund 680 Kilo. Jetzt hat die Staatsanwaltschaft Duisburg vor dem Landgericht Duisburg Anklage erhoben gegen 14 Tatverdächtige.

Betrug, Geldwäsche, Drogenhandel sowie die Mitgliedschaft oder Unterstützung einer ausländischen, kriminellen Vereinigung werden den Männern, die zwischen 30 und 56 Jahre alt sind, zur Last gelegt. Die Taten, die in unterschiedlichen Konstellationen verübt wurden, sollen zwischen 2014 und 2018 begangen worden sein.

36.000 Euro pro Kilo Kokain

Rund 36.000 Euro kassierten die Tatverdächtigen pro Kilo Kokain. Mindestens 16 Fälle sollen auf das Konto von fünf Mafia-Mitgliedern gehen, sechs der Angeschuldigten sollen die Mafiosi durch Darlehen in Höhe von mindestens 525.000 Euro unterstützt haben. Versteuert wurden die Einnahmen aus den Drogengeschäften nicht.

Die Gruppe wurde im Dezember 2018 hochgenommen, als bundesweit 440 Polizisten 65 Objekte durchsuchten – darunter eine Eisdiele im Duisburger City Palais. Bei der Razzia wurden vier Tonnen Kokain sichergestellt. Die deutschen Behörden hatten gemeinsam mit Italien, Belgien und den Niederlanden sowie Eurojust, die Agentur der Europäischen Union für justizielle Zusammenarbeit, und Europol ermittelt.

Kokain mit Lieferungen von Bananen, Holz oder Reis getarnt

Das Muster für den Kokainhandel sei immer gleich gewesen, erklärt das Landgericht: Die Drogen kamen aus Südamerika über den Luft- oder Seeweg in die Niederlande oder Belgien nach Europa und wurden dann in diverse Länder verteilt. Wie bei regulären Logistikern seien die Preise mit den Lieferanten abgestimmt worden, "Broker" hätten mit den Familien der 'Ndrangheta die Höhe der Investition abgestimmt.

Gezahlt wurde, wenn ein Vermittler sowohl die Zuverlässigkeit der Lieferanten als auch die Sicherheit des Transports garantieren konnte. Dafür wurden teils eigens Unternehmen gegründet, die zur Tarnung Bananen, Holz oder Reis bestellten, haben die Ankläger festgestellt.

Restaurants und Eiscafés als Stützpunkte der Drogendealer

Die Tatverdächtigen sollen abhörsichere Handys benutzt haben sowie Kurierfahrzeuge, die mit Verstecken ausgerüstet waren. Restaurants und Eiscafés sollen als Stützpunkte gedient haben. Fingierte Einbrüche und Versicherungsbetrug hätten zusätzlich für Bares gesorgt.

Acht der Tatverdächtigen sitzen in U-Haft, vier sind gegen Auflagen aktuell frei. Die Männer haben die italienische, türkische, niederländische, marokkanische, deutsche und portugiesische Staatsbürgerschaft. Sie kommen u. a. aus Duisburg, Mönchengladbach,
Düsseldorf, Köln, Solingen, Grevenbroich, Wesseling und Neuss. Die Staatsanwaltschaft Duisburg teilt mit, dass Vermögensarreste im Wert von rund fünf Millionen Euro erwirkt und Vermögenswerte in Höhe von rund 700.000 Euro gesichert werden konnten.

57 Umzugskartons voll mit Ermittlungsakten und Terabyte mit Daten

Das Landgericht entscheidet nun über die Eröffnung des Hauptverfahrens. Zuvor muss es Ermittlungsakten aus 57 Umzugskartons und mehrere Terabyte Daten sichten, in denen die Erkenntnisse aus Observationen und abgehörten Gesprächen festgehalten sind, berichtet Sprecherin Sarah Bader. In den kommenden Monaten können sich auch die Angeschuldigten zu den Vorwürfen äußern. Wenn die Richter die Anklage zulassen, wird vor der 4. Großen Strafkammer prozessiert – einer Wirtschaftsstrafkammer, weil auch Steuerstraftaten angeklagt sind.

Ursprünglich richtete sich das Ermittlungsverfahren gegen insgesamt
58 Personen, nach drei der Männer wird gefahndet, sagt Sprecherin Jennifer König. 24 Strafverfahren seien in Duisburg vorläufig eingestellt worden, darunter einige, weil es keinen hinreichenden Tatverdacht gebe. Gegen 16 Tatverdächtige laufen Verfahren in Italien, Belgien oder den Niederlanden, wo entsprechend hohe Strafen erwartet werden. In 20 Fällen würden durch die Duisburger Staatsanwaltschaft weitere Ermittlungen angestrengt.

Ermittlung gegen Mitarbeiter der Stadt Duisburg

Im Zuge des Ermittlungsverfahrens gegen mutmaßliche Mitglieder und
Unterstützer der kalabrischen Mafia-Organisation `Ndrangheta führt die
Staatsanwaltschaft Duisburg auch ein Ermittlungsverfahren
gegen eine Regierungsbeschäftigte, zwei Polizeibeamte und zwei zum
Teil ehemalige städtische Mitarbeiter, darunter einer aus Duisburg.

Ihnen wird der Verrat von Dienst- und Privatgeheimnissen vorgeworfen. Sie sollen behördliche Auskunftssysteme genutzt und daraus erlangte Erkenntnisse
weitergegeben haben. Laut Staatsanwaltschaft sollen die Beschuldigten aber nicht gewusst haben, dass es Verbindungen zur `Ndrangheta gibt. Die Motive sind rätselhaft: Persönliche Gründe, die auf Nachfrage nicht konkretisiert wurden, sollen im Vordergrund gestanden haben, finanzielle Aspekte sollen indes keine Rolle gespielt haben.