Duisburg. „Operation Pollino“: Acht Verdächtige nach Razzia weiter in U-Haft. Ermittlungen in Duisburg gegen die `Ndrangheta-Mafia sind bald abgeschlossen.

In einem Eiscafé im Citypalais in der Duisburger Innenstadt rückten Spezialeinheiten am 5. Dezember 2018 an. Es war ein Schauplatz der „Operation Pollino“. Vor mehr als einem Jahr gelang den Ermittlungsbehörden etwas Außergewöhnliches: ein internationaler Schlag gegen die `Ndrangheta, einen mächtigen Zweig der Mafia. An diesem Tag durchkämmten 440 Polizisten bundesweit 65 Objekte - mit Schwerpunkt in Nordrhein-Westfalen.

Mafia in Duisburg: Ermittlung auf der Zielgerade

14 Verdächtige wurden festgenommen. Auch der Besitzer des Eiscafés kam danach in Untersuchungshaft. Die Gruppierung soll vom Rheinland aus im großen Stil mit Kokain gehandelt haben. Mit federführend in dem Verfahren ist die Duisburger Staatsanwaltschaft. Nach mehr als einem Jahr gehen die Ermittlungen nun auf die Zielgerade.

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Es ist ein Mammut-Verfahren: Inzwischen ermittelt die Duisburger Staatsanwaltschaft nach eigenen Angaben gegen insgesamt 58 Beschuldigte. Sie stammen unter anderem aus Duisburg, Köln und Düsseldorf und sind zwischen 27 und 69 Jahren alt sind. Gegen zwölf von ihnen habe die Staatsanwaltschaft Duisburg Haftbefehle erwirkt, sagt deren Sprecherin Jennifer König. Acht von ihnen befänden sich derzeit noch in Untersuchungshaft. Vier seien von dem Vollzug der Untersuchungshaft gegen Auflagen verschont worden.

Nicht alle Verdächtigen waren auch Mitglieder der `Ndrangheta

„Den Beschuldigten wird unter anderem bandenmäßiges unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge - namentlich Kokainhandel - zur Last gelegt“, sagt König. Außerdem laute ein Vorwurf auf Mitgliedschaft in beziehungsweise Unterstützung einer kriminellen Vereinigung.

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Nicht alle Verdächtigen seien nach den bisherigen Ermittlungen also „Vollmitglieder“ der `Ndrangheta gewesen. „Es ist in bezüglich eines Teils dieser Beschuldigten zeitnah mit einer Abschlussentscheidung zu rechnen“, deutet König an. Eine Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft dürfte der zu erwartende nächste Schritt des Verfahrens sein.

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Die Verdächtigen sollen im Zeitraum von 2014 bis zu ihrem Auffliegen Ende 2018 einen schwunghaften Handel mit Kokain betrieben haben. Konkretere Angaben zum Umfang und zu den Erlösen macht die Staatsanwaltschaft derzeit noch nicht. Nur soviel: In einem Fall soll Kokain im dreistelligen Kilogramm-Bereich umgesetzt worden sein.

„Die Ermittlungen haben ergeben, dass die Dimension des internationalen Kokainhandels in Nordrhein-Westfalen auch unter Beteiligung italienischer OK-Strukturen als sehr bedeutsam zu bewerten ist“, sagt König. (OK = Organisierte Kriminalität - Red.)

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Beamte sollen Dienstgeheimnisse verraten haben

Besonderer Aspekt dieser Ermittlungen: Die Gruppierung könnte Unterstützer in Behörden gehabt haben. Die Staatsanwaltschaft Duisburg ermittelt auch gegen eine Regierungsbeschäftigte, zwei Polizisten aus dem Rheinland und zwei Mitarbeiter der Städte Wesseling und Duisburg, von denen einer mittlerweile aus dem Dienst ausgeschieden ist. Sie sollen den mutmaßlichen Dealern Dienstgeheimnisse verraten haben, indem sie verbotenerweise Informationen aus Auskunftssystemen der Behörden weiter gegeben haben.

Rätselhaft bleibt ihre Motivlage: Geld sollen sie für den mutmaßlichen Verrat nicht erhalten haben. Auch hätten sie durch die Weitergabe die Ermittlungen gegen die Mafia-Organisation nicht konkret gefährdet, sagt König. Die Ermittlungen in diesen Verfahren dauerten derzeit noch an.

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Auch das Bundeskriminalamt (BKA) erklärte nach der „Operation Pollino“ den Handel mit Rauschgift zu einer der Haupteinnahmequellen der `Ndrangheta, die seit Langem auch in Deutschland aktiv ist. Schon während der Ermittlungen seien europaweit rund vier Tonnen Kokain und „beträchtliche Mengen“ an synthetischen Drogen beschlagnahmt worden.

Duisburger Mafia erlangt traurige Berühmtheit

Mit den Einnahmen aus dem Drogenhandel sollen laut früheren Angaben des BKA in Deutschland Immobilien und Restaurants gekauft und wiederverkauft worden sein. Die illegal erlangten Gelder seien so „gewaschen“ worden.

In Duisburg gelangte die `Ndrangheta bereits im Sommer 2007 zu trauriger Berühmtheit, als vor dem Restaurant „Da Bruno“ nahe dem Hauptbahnhof im Rahmen einer Fehde zwischen zwei verfeindeten Clans sechs Menschen erschossen worden waren.

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Vor dem Landgericht Köln läuft bereits ein Prozess

Vor dem Landgericht Köln läuft bereits ein Prozess gegen fünf Angeklagte, die ebenfalls im Rahmen der „Operation Pollino“ festgenommen worden waren, darunter auch einer der mutmaßlichen Haupttäter. Der frühere Gastronom aus Pulheim sitzt wie ein Mitangeklagter weiter in Untersuchungshaft.

Die insgesamt fünf Angeklagten in diesem Verfahren, drei Männer und zwei Frauen, sollen über einen präparierten Pferdetransporter in 23 Fällen Kokain im zweistelligen Kilobereich von den Niederlanden nach Großbritannien verschifft haben. Ihnen wird bandenmäßiger Drogenschmuggel und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Auch hier ist es ein Mammut-Verfahren für die Justiz: In dem Prozess sind nach Angaben des Landgerichts noch bis Ende August etliche Verhandlungstage angesetzt.