Duisburg. Die Botschaft kann nicht helfen, Ryanair hat alle Flüge gestrichen. Warum sich Ahlam Gandura-Kourich als Deutsche zweiter Klasse behandelt fühlt.
Bei Ahlam Gandura-Kourich und ihrer Familie liegen die Nerven blank. Die Duisburgerin ist mit ihrem Mann Mourad und Sohn Malik Anfang März, als das Thema Corona noch weit weg schien, nach Marokko geflogen, um den zweiten Geburtstag ihres Sohnes mit den Großeltern zu feiern. Zehn Tage wollten sie in der Königsstadt Fes verbringen. Doch dann strich Ryanair alle Flüge, Grenzen wurden dicht gemacht, Hotels geschlossen. Während Duisburger aus anderen Urlaubsregionen inzwischen nach Deutschland ausflogen wurden, hängen die Drei noch immer fest.
Duisburgerin fühlt sich von der deutschen Botschaft im Stich gelassen
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„Als die Hotels in Marokko gesperrt und eine Ausgangssperre verhängt wurde, haben wir uns entschlossen, zu den Großeltern aufs Land zu ziehen“, berichtet die 43-Jährige via Whatsapp. In dem Berberdorf Bir Tamtam im Norden Marokkos leben sie derzeit in einfachen Verhältnissen. Zu kaufen gibt es im Supermarkt wenig, gekocht wird auf offenem Feuer, die Familie ernährt sich von dem, was sie angebaut hat. „Momentan vor allem von Bohnen und Brot.“ Die Polizei patrouilliert regelmäßig und achtet darauf, dass nur, wer etwas einkaufen muss, das Haus verlässt. Immerhin: Der Zweijährige kann draußen spielen und sitzt nicht mit seinen Eltern unter Hausarrest in einem Hotelzimmer. Doch das ist für nur ein kleiner Trost. Ahlam Gandura-Kourich: „Die deutsche Botschaft kümmert sich einfach nicht. Wir fühlen uns belogen und vergessen.“
Für diesen starken Vorwurf nennt sie Gründe: Die Marketing-Fachfrau, die im Kindermuseum Explorado arbeitet, registrierte ihre Familie auf einer Liste, auf der sich Deutsche eintragen können, die sich aktuell im Ausland befinden. Auch bei Condor meldete sich Ahlam Gandura-Kourich. Die Fluglinie ist Teil der weltweiten Rückholaktion des Auswärtigen Amtes. Zusätzlich kontaktierte sie die deutsche Botschaft in Rabat und fand sich mit anderen (deutschen) Touristen in einer Whatsapp-Gruppe wieder. Hier spenden sie sich Trost und informieren untereinander.
Anfangs seien auch Deutsche aus Marokko geholt worden. Doch am 3. April wandte sich der Botschaft in einem Schreiben, das der Redaktion vorliegt, an die „lieben Landsleute.“ Darin heißt es: „Lassen Sie uns offen miteinander sein: Für die nähere Zukunft sehe ich keine weiteren Fährfahrten aus Marokko. Auch Evakuierungsflüge befreundeter europäischer Staaten werden immer schwieriger.“ Die deutsche Botschaft verweist auf die Anordnung der Behörden: „Marokko gestattet weiterhin Evakuierungen nur aus Casablanca (ausnahmsweise Marrakesch) und legt seinen Grundsatz eng aus, dass nur Touristen das Land verlassen wollen – hierunter fallen nicht diejenigen, die hier familiäre Wurzeln haben.“
Es ist dieser Satz, der Ahlam Gandura-Kourich auf die Palme bringt. Ihr Vater kam in den 1970er Jahren als Arzt aus Syrien und arbeitete in deutschen Kliniken. Ihre Mutter ist Ostfriesin. „Ich bin in Duisburg geboren, habe studiert, zahle Steuern und vor allem bin ich mit meinem Mann als Touristin nach Marokko eingereist.“ Mourad Kourich hat sie vor rund drei Jahren in Marrakesch kennen gelernt. Der Marokkaner hat in Duisburg seine Deutschprüfung abgeschlossen und ist gerade dabei, den deutschen Führerschein nach zu machen. Der studierte Dolmetscher arbeitet in einem Duisburger Hotel. Beide befinden sich gerade in Kurzarbeit, doch mittlerweile setzen sich auch ihre Arbeitgeber ein, damit Bewegung in die Sache kommt.
Arbeitskollegen schreiben Mails ans Auswärtige Amt
Auswärtiges Amt warnt aktuell vor Reisen ins Ausland
Insgesamt 50 Millionen Euro hat die Bundesregierung bereitgestellt, um Deutsche aus dem Ausland zurück zu holen. Für die Touristen, Studenten oder Freiwilligen, die im Ausland Soziale Dienste leisten, sind die Rückflüge nicht gratis. Sie werden an den Kosten beteiligt.
Auf der Internetseite des Auswärtigen Amtes heißt es aktuell: „Vor nicht notwendigen, touristischen Reisen in das Ausland wird derzeit gewarnt, da mit starken und weiter zunehmenden drastischen Einschränkungen im internationalen Luft- und Reiseverkehr, weltweiten Einreisebeschränkungen, Quarantänemaßnahmen und der Einschränkung des öffentlichen Lebens in vielen Ländern zu rechnen ist.“
Philline Fischer, eine Arbeitskollegin aus dem Kindermuseum, sagt: „Das Explorado ist geschlossen, aber gerade jetzt wäre es wichtig, wenn unsere Kunden auf Facebook und Instagram von uns hören würden.“ Sie hat eine E-Mail an das Auswärtige Amt geschickt und als Antwort bekommen, dass die Familie auf eine „Prioritätenliste“ gesetzt werde. Auf Nachfrage heißt es aus Kreisen des Auswärtigen Amtes darüber hinaus: „Das Auswärtige Amt und die deutsche Botschaft sind sich der Schwierigkeiten in Marokko befindlicher deutscher Reisender, insbesondere in entlegeneren Landesteilen oder mit Fahrzeugen bewusst. Derzeit sind unsererseits, angesichts der restriktiven Haltung der marokkanischen Behörden, keine weiteren Flüge geplant. Wir sind in enger Abstimmung mit unseren europäischen Partnern und bemüht, Lösungen zu finden.“
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Derweil kippe in Marokko unter den Deutschen die Stimmung, schreibt Ahlam Gandura-Kourich an unsere Redaktion. „Andere Nationen haben offenbar mit der Regierung verhandelt. Die Schweden haben einen Flieger geschickt, die Franzosen auch.“ Als nun in der Whatsappgruppe in Marokko die Nachricht auftauchte, dass eine polnische Maschine landen würde, wandten sich zahlreiche Deutschen an die polnische Botschaft und fragten, ob sie mitfliegen könnten. Die deutsche Botschaft veröffentlichte daraufhin auf Facebook am Montagmittag die Bitte: „Für Fragen zu eventuellen Ausreisemöglichkeiten mit Flügen anderer europäischer Partner werden alle deutschen Staatsangehörigen dringend gebeten, sich ausschließlich an die deutsche Botschaft in Rabat zu wenden.“ Am Dienstagmittag hieß es hingegen in einer Mitteilung auf Facebook: „Für den am 24. April geplanten Ausreiseflug der polnischen Fluggesellschaft LOT nach Warschau mit Zwischenlandung in Berlin stehen keine Plätze mehr zur Verfügung. Wir haben unsere Plätze nach Dringlichkeit vergeben.“
Die Duisburgerin wird traurig und wütend, wenn sie solche Zeilen liest. „Was sind das denn für Prioritäten? Erst erfahren wir gar nicht von der deutschen Botschaft, dass es so einen Flieger gibt und dann sind alle Plätze weg.“ Sie macht sich Sorgen – nicht nur, wie lange sie noch in Marokko ausharren muss, sondern auch, wie es danach in Deutschland weiter gehen könnte: Quarantäne, Kurzarbeit, Nachrichten an Arbeitgeber und Freunde – nicht alles lässt sich aus Marokko regeln. „Ein Langzeit-Urlaub ist das wahrlich nicht.“ Jammern möchte sie aber nicht. „Ich weiß, dass es noch viele andere Deutsche im Ausland gibt und die Botschaft viel zu tun hat.“ Allein ihre Cousine sitzt derzeit noch in Thailand fest.