Duisburg-Duissern. Ein erster Open-Air-Gottesdienst für Senioren hat gut geklappt. Jetzt will Pfarrer Martin Winterberg die Kirche in weitere Seniorenheime bringen.
Die Glocken der Lutherkirche läuten. Der Gottesdienst steht kurz bevor. Doch unter dem Kirchturm, auf den Bänken im Schiff, ist niemand zu sehen – Corona bremst die religiöse Zeremonie aus. Was also tun, wenn das Gotteshaus die Pforten für die Gläubigen geschlossen halten muss? „Dann bringen wir den Gottesdienst eben zu den Menschen“, sagt Pfarrer Martin Winterberg und organisierte kurzerhand einen Open-Air-Gottesdienst am Hewag-Seniorenstift.
Am Montag gesellen sich fast 30 Bewohner zum Gebet an der frischen Luft. Auf dem Innenhof der Seniorenresidenz ist genügend Platz, um die Abstandsregeln einzuhalten. Die Sonne scheint auf die Gesichter der betagten Damen und Herren. Manche kneifen die Augen etwas zu, damit sie die beiden Personen auf der gegenüberliegenden Anhöhe besser sehen können. Es sind Martin Winterberg, Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Alt-Duisburg, und Andreas Lueken, Kantor der Lutherkirche.
Pfarrer: In der Corona-Krise ist spirituelle Begleitung besonders wichtig
„Ich denke, die spirituelle Begleitung in diesen Tagen ist vielleicht wichtiger als zuvor“, meint der Pfarrer. Er hat eine Musikbox und ein Mikrofon mitgebracht, damit jeder seinen Worten lauschen kann. Andreas Lueken hat für die Lieder eine Trompete dabei. „Das Klavier wäre zu schwer für den Transport“, scherzt er. „Besondere Zeiten bedürfen besonderer Formen“, sagt Winterberg zur Begrüßung.
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Der Geistliche erzählt eine Geschichte aus der Bibel, bei der sich zwei Jünger nach der Kreuzigung Jesu allein fühlen. „Zuhören und Reden vertreibt die Einsamkeit“, sagt der Pfarrer und verknüpft den Psalm mit der aktuellen Corona-Situation: „Es ist gut, dass wir heute telefonieren, uns Briefe schreiben und Päckchen zusenden können.“
Gläubige singen im Open-Air-Gottesdienst mit Schutzmasken
Dann ertönt die Trompete zum Osterlied. Die Gottesdienstbesucher singen im Chor „Halleluja, Halleluja“ und tragen das Lied in die Duisserner Nachbarschaft. Durch die Schutzmasken hindurch klingen die Stimmen gedämpft, die sakrale Stimmung steigt trotzdem. Die Natur sorgt für weitere atmosphärische Akzente: Ein Rotkehlchen schwirrt zwischen den Geistlichen umher, eine Böe lässt das weiße Beffchen um den Hals des Pfarrers tänzeln. Und so endet nach 15 Minuten der Open-Air-Gottesdienst mit dem „Vater Unser“ und einem Extra-Applaus für Trompeter Lueken.
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„Das tat so gut“, urteilt Johanna Hänsge nach der Freiluftmesse. Die 86-Jährige ist derzeit über jede Ablenkung froh. Das Besuchsverbot und die Ausgangssperre im Seniorenstift trifft die Bewohner hart: „Einkaufen gehen, die Sitzgymnastik, die gemeinsamen Bingo- und Singveranstaltungen – das alles findet nicht statt oder nur mit drei, vier Leutchen“, sagt Hänsge. Katharina Ackermann (94), ebenfalls Bewohnerin, findet es schade, dass die Rommé-Runde komplett ausfällt. „Jetzt begnügen wir uns damit, der Sonne rund ums Haus zu folgen“, meint Ackermann.
Corona-Krise: Seniorenheim bekommt zehnmal so viel Post wie sonst
Die beiden Damen bemerken, dass in diesen Tagen besonders viel Post reinkommt. „So viele Briefe und Pakete kamen noch nie“, freut sich Katharina Ackermann über die außergewöhnliche Anteilnahme der Angehörigen. Marius Birkemeyer, Leiter des sozialen Dienstes, spricht von zehnmal so viel Post wie üblich. „Außerdem nutzen unsere Bewohner und deren Familien jetzt viel häufiger Facetime und Skype. Wir wollen, dass der persönliche Kontakt aufrecht erhalten bleibt – trotz Besuchsverbot ist das möglich.“
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Indes bleiben Johanna Hänsge und Katharina Ackermann zuversichtlich. Was sie als erstes machen, wenn sie wieder raus dürfen? „Ab in die Natur und shoppen!“
Martin Winterberg betreut neben dem Hewag-Seniorenstift drei weitere Altenheime. Sein Ziel: Regelmäßig bei den vier Seniorenresidenzen Open-Air-Gottesdienste abzuhalten. Der nächste Gottesdienst soll, laut Winterberg, am Awo-Seniorenzentrum auf dem Philosophenweg stattfinden. Ein Termin steht noch nicht fest.