Duisburg. Mitten in Hochfeld gibt es ein Kloster. Die Schwestern Stephani und Martina erklären, wie sie Ostern feiern und was ihnen in der Krise Mut macht.
Mitten in Hochfeld gibt es ein Kloster. Von außen wirkt es eher unscheinbar, untergebracht ist es in einer Drei-Zimmer-Wohnung, hinter dem Sozialzentrum St. Peter. Martina Paul und Stephani Orlowski sind Missionsschwestern vom Heiligsten Herzen Jesu von Hiltrup. Bereits als junge Frauen haben sie ihr Gelübde abgelegt und sich verpflichtet, einen einfachen Lebensstil zu pflegen, „ihrer Überzeugung heraus verantwortlich zu leben“ und keine Ehe einzugehen, um für die Menschen und Gott da zu sein. In ihren Aufgaben haben Schwester Martina und Schwester Stephani unterschiedliche Schwerpunkte. Martina Paul engagiert sich stark in Hochfeld und leitet das Sozialzentrum. Stephani Orlowski bietet Kurse in Kontemplation an. Im Gespräch erklären die beiden, wie sie die Corona-Zeit erleben, was ihnen Kraft gibt und was sie sich für die Zukunft wünschen.
Als Ordensschwestern verzichten Sie auf Vieles. Vermissen Sie etwas?
Martina Paul: Ich habe mich mit 23 Jahren entschieden, ins Kloster einzutreten – allerdings nicht aus einer Situation des Mangels heraus, sondern wegen meiner Faszination von Jesus. Es war mir zum Beispiel von vorneherein klar, dass ich auf Familie verzichte, um meine Kraft in den Dienst der Gemeinschaft zu stellen. Wenn dann allerdings Freunde eine Familie gründen, dann zeigt sich noch einmal besonders, ob der eigene Glaube die Entscheidung trägt.
Stephani Orlowski: Als Schwestern entscheiden wir uns, Gott und den Menschen zu dienen. Ich habe als junge Frau gespürt, dass Gott mich ganz für sich will und war begeistert, dass es so viele Einsatzgebiete überall auf der Welt gibt.
Tut es den Leuten auch mal gut zu erleben, was es heißt, nicht alles kaufen zu können?
Martina Paul: Das ist anmaßend, das würde ich so nicht sagen. Das schlimmste an der Situation, ist die soziale Isolation. Deshalb schließen wir abends immer wieder Menschen in unsere Gebete ein, die uns anempfohlen wurden und es findet viel Seelsorge in den sozialen Medien statt. Wir skypen mehr als vorher.
Stephani Orlowski: Ich sehe in der Krise auch eine Chance. Es gibt derzeit viel Solidarität und die Möglichkeit, sich bewusst zu machen, was wirklich wichtig ist und Werte wieder zu entdecken. Das ist ein Hoffnungsschimmer.
Sie geben Kurse in Kontemplation. Was darf ich mir darunter vorstellen?
Stephani Orlowski: Das Gebet in der Stille findet immer mittwochs statt und ist unabhängig von Konfession oder Religion. Es hat seinen Ursprung in der mystischen Tradition der Religionen. In der Praxis sitzen wir drei Mal 20 Minuten. Dazwischen ist meditatives Gehen. Ruhe und Bewegung als Lebensprinzipien finden hier ihren spirituellen Ausdruck. Zur Konzentration hilft die innere Rezitation eines Mantras oder die Beobachtung des Atems. Das Sitzen schließt mit einer gemeinsamen Textrezitation.
Können die Teilnehmer das auch im Alltag abrufen?
Stephani Orlowski: Auf jeden Fall, sonst wäre es ein leerer Weg. Ein Teilnehmer hat mir einmal gesagt, dass für ihn die Meditationen und Gebete in der Stille eine Tankstelle für die ganze Woche sind.
Hand aufs Herz: Ruhen Sie immer in sich?
Martina Paul: Ich bin ein friedliebender Mensch, aber wenn ich Stammtischparolen höre, halte ich dagegen und kann auch aus meiner Haut fahren.
Apropos Stille. In Hochfeld sind die Straßen deutlich leerer oder täuscht der Eindruck?
Martina Paul: Das Straßenbild hat sich komplett geändert. Es ist viel weniger los. Aber die Menschen sind nicht weg. Die Tafel versorgt zum Glück noch rund 50 bis 80 Familien und bringt ihnen Essen, aber viele Ehrenamtlichen gehörten selbst auch zur Risikogruppe und mussten ihre Arbeit deshalb umstellen. Unsere Angebote für Kinder und Eltern können leider auch nicht mehr stattfinden. Dabei haben wir hier einen großen Tisch. Es wäre zum Beispiel hilfreich, wenn wir künftig für einige wieder etwas anbieten könnten und die Jugendlichen mit einem entsprechendem Abstand hier an ihren Hausaufgaben arbeiten könnten.
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Was bedeutet Ihnen Ostern in dieser Zeit?
Martina Paul: Es ist anders als sonst. Von der Pfarrei Liebfrauen werden Ostertüten gepackt mit Palmzweigen und liturgischen Texten, die wir an die Menschen verteilen, die nun nicht zum Gottesdienst kommen können. Es sind kleine Gesten der Verbundenheit.
Stephani Orlowski: Ostern geht es um die Auferstehung Jesu von den Toten. Die Botschaft, die die Evangelien vermitteln, lautet: „Das Leben selbst stirbt nicht. Christus, die Inkarnation des Göttlichen, ist immer gegenwärtig in Raum und Zeit.“ Die Kraft dieser Verbundenheit bedeutet für mich in diesem Jahr eine Erfahrung von Ostern, als Tor zu einem Leben, dessen Reichtum nicht in Macht und Geld zu finden sind, sondern in den Herzen der Menschen, die sich erinnern, wer wir wirklich sind und wofür wir leben.