Duisburg. Von wegen verstaubte Geschichte: Wie der Tag der Archive in Duisburg, mit einer vielseitigen Ausstellung die Lust am Forschen wecken will.
Im Verkehr mit der Bevölkerung dürfe der nötige Takt und die menschliche Wärme nicht fehlen, wies Stadtkämmerer Gustav Giere die Duisburger Beamten an. 1948 – kurz nach dem Sieg über die Nazis und ihre menschenverachtende Bürokratie – wollte man mit Bürgernähe und Demokratie andere Zeichen setzen, verrät Andreas Pilger. Der Stadtarchivleiter hat diese Bonmots der Bürokratie zusammengetragen und zeigt sie unter anderem am Samstag zum Tag der Archive.
Die Mühen der Verwaltung und der Ärger der Bürger – nicht nur dieser Ausschnitt scheint irgendwie zeitlos schön zu sein. Etliches haben das Stadtarchiv, Grillo-Archiv, Thyssenkrupp Konzernarchiv, Universitätsarchiv, Landesarchiv NRW sowie das Archiv für Alternatives Schriftentum (afas) zu einer unterhaltsamen wie aufschlussreichen Ausstellung „Kommunikation“ zusammengetragen. In den Räumen des Stadtarchivs am Karmelplatz 5 ist sie am 7. März zu sehen.
Das Grillo-Archiv zeigt die Anfänge des „World Wide Wireless“ – das Radiogramm
Die Überschrift bildet zugegeben eine weite Klammer, und doch können die sechs Duisburger Archive jeweils mit ihren Besonderheiten glänzen. So zeigt etwa das Grillo Archiv ein „WWW“ der anderen Art: Unter „World Wide Wireless“ – zu deutsch: weltweite Drahtlosübertragung – firmierte 1930 schon das Radiogramm. Genutzt wurde das Telegramm schon damals von der Wirtschaft, „etwa um Preise abzusprechen“, verrät Archivleiterin Monika Fehse mit Augenzwinkern.
Über diesen Funk lief einst die sich formierende globalisierte Welt. 1931 erging daher eine solche „Telegraphische Depesche“ des Aufsichtsratsvorsitzenden des Unternehmens Grillo, Hugo Reinhard, von der „königlichen Eisenbahn Betriebs-Telegraphen-Station“ sogar nach New York. Grillo nutzte die Technik der Telegramme übrigens seit den 1860er Jahren.
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Vom Polizei-Notruf zur Nazi-Propaganda: Über die Kommunikation im öffentlichen Raum
Wie wurde einst in der Öffentlichkeit kommuniziert? Die öffentliche Notrufanlage durfte erst nur die Polizei, ab 1926 dann auch der Bürger bedienen. Schaltpläne und Fotos dieser beeindruckenden Anlage zeigt das Landesarchiv NRW. Und von wegen Gleichschaltung öffentlicher Medien: Den propagandistischen Staatsfunk der Nationalsozialisten gab es 1936 direkt auf der Straße. So genannte Rundfunksäulen setzen die Nazis zur Indoktrination auf öffentlichen Plätzen ein, wie verschiedene Fotografien des Archivs dokumentieren.
Tagesprogramm mit Führungen und Büchertrödel
Der Tag der Archive startet am Samstag, 7. März, ab 11 Uhr. Im Stadtarchiv am Karmelplatz 5 ist die gemeinsame Ausstellung zu sehen.
Verschiedene Führungen führen aber auch von dort aus in das Archiv für alternatives Schriftentum an der Münzstraße, das Landesarchiv NRW (Schifferstraße 30) sowie ins Stadtarchiv selbst. Die jeweiligen Führungen beginnen um 12, 14 und 16 Uhr und sind kostenlos.
Zusätzlich begleiten ein Büchertrödel, ein Filmprogramm (11.30-16 Uhr) sowie das Café Kurz mit Kaffee und Kuchen den Tag des Archivs.
Noch ältere Beispiele zeigen, wie man schon 1261 für Fälschungssicherheit etwa bei wichtigen Verträgen sorgte: per Chirograph. Man schrieb die Inhalte nebeneinander auf ein Blatt. Dazwischen setzte man den Begriff Chirograph oder einen Denkspruch, anschließend trennte man das Blatt der Länge nach, mitten durch das Wort oder den Satz. Wenn man beide Seiten aneinanderhielt, musste es zu lesen sein, sonst war die andere Seite eine Fälschung.
Wie man kommuniziert ohne zu reden, demonstriert das Thyssenkrupp Archiv
Doch wie kommuniziert man dort, wo man sich nicht verstehen kann, etwa weil es zu laut ist? Andreas Zilt vom Thyssenkrupp Konzernarchiv hat Beispiele der nonverbalen Verständigung zusammengetragen. Daumen hoch ist sowohl im Alltag als auch in den geschäftig lärmenden Hallen des Konzerns verständlich. Der gestreckte Arm und Finger nach unten heißt hier hingegen: ausgießen, verrät Zilt.
Weitere Einblicke in den Büroalltag gibt das Archiv von Thysenkrupp, zeigt etwa einen der ersten Personal Computer für das Büro – einen Commodore von 1979 mit damals acht Kilobyte Speicher. 3000 D-Mark kostete er übrigens Ende der 70er Jahre.
Von der Propaganda zum Protest: Plakate der Frauen- und Studentenbewegung
„Statt Kinder, Küche, Kirche: Karriere, Knete, Kinder“ – Plakate können gelegentlich ernüchtern, bedenkt man, dass diese Forderung der „Fraueninitiative 6. Oktober“ gut und gerne 40 Jahre alt ist. Und bis heute an Aktualität kaum verloren hat. Jürgen Bacia vom Afas hat solche Plakate, Banner und bemalte Westen zusammengetragen, die die Forderungen alternativer Bewegungen dokumentieren.
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Gegründet hat sich das freie Archiv 1985, „weil die Stadtarchive damals solche sozialen Bürgerbewegungen nicht erfasst hat“, erläutert Bacia. Wie aufschlussreich das aber sein kann, zeigt ein Banner mit Sprüchen eines gewissen Staatspolitikers: „Ich will Amerika wieder groß machen“, kommt manchem vertraut vor, ist aber eine Äußerung des amerikanischen Präsidenten Ronald Reagan. „Aufrüstung, Scharfmacherei, Säbelrasseln – ohne uns!“, plakatierte man schon in den 1980ern. Geschichte wiederholt sich.
Und das gilt nicht weniger für die Studentenproteste, wie das Universitätsarchiv mit vielen Bildern belegt. Bafög, Studienreform und ständig teurer werdende Studitickets geben Anlass zum „Lucky Streik“, wie 1997 ein T-Shirt verheißt. Und wo ist der Protest heute? Im Internet, wie vieles: „Studierende greifen oft auf soziale Medien zurück, um sich zu organisieren“, sagt Elke Donath vom Universitätsarchiv, auch der Protest sei schnelllebiger geworden.