Duisburg. Mit Trauer und Wut reagieren die Mitarbeiter des Duisburger Thyssenkrupp-Grobblechwerks auf die Konzernpläne. Chancen auf Verkauf sind gering.
Trauer, Wut und Schockstarre in Duisburg-Hüttenheim: Der Betriebsrat des Thyssenkrupp-Grobblechwerks hat am Donnerstagabend und Freitagmorgen seine Mitarbeiter über die Pläne des Konzernvorstandes informiert. Dieser will das Werk bis zum 30. Juni verkaufen. Sollte der dauerkriselnde Essener Traditionskonzern bis dahin keinen Käufer finden, will er die Grobblechproduktion schließen. Das seit Monaten befürchtete Aus für den Traditionsstandort rückt immer näher.
Konzernweit will der Vorstand etwa 6000 Arbeitsplätze abbauen, im Werk Duisburg-Süd der Thyssenkrupp Steel Europe AG sind noch 800 Mitarbeiter beschäftigt.
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Duisburg: Hiobsbotschaft für Grobblechwerk – Thyssenkrupp investiert nicht mehr
Die Hiobsbotschaft kristallisierte sich am Donnerstagnachmittag beim Treffen eines Arbeitskreises um Thyssenkrupp-Personalvorstand Oliver Burkhard heraus. „Auf einem Chart waren dann die Pläne für das Grobblechwerk dargelegt“, berichtet Dieter Lieske, der für die IG Metall bei der Runde am Tisch saß. Vereinfacht besagen die Pläne: Investitionen in den Standort wird es nicht mehr geben. Wird bis zum 30. Juni kein Investor gefunden, steht das Werk vor dem Aus.
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Die Nachricht schlug am Standort ein wie eine Bombe: Der Betriebsrat um den Vorsitzenden Mehmet Göktas trommelte mit der Gewerkschaft die Spät- und Nachtschicht um 21 Uhr am Werkstor für eine Infoveranstaltung zusammen. Dabei seien Tränen geflossen berichtete der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Uwe Schneider. Einige Mitarbeiter seien danach nicht mehr arbeitsfähig gewesen. „Für die Menschen ist das eine Ohrfeige“, sagt Göktas.
„Wir hatten wieder Hoffnung“
Im August hatte der damalige Vorstandschef Guido Kerkhoff das Werk im Süden auf den Prüfstand gestellt. Dann gelang, nach Aussage des Betriebsrats und der Belegschaft der Turnaround: Denn nach Jahren der Krise erzielte das Grobblechwerk unter neuer technischer Leitung zuletzt deutlich bessere Produktionsergebnisse. Im Januar produzierten die Arbeiter im Werk 45.000 Tonnen Grobblech. „Wir hatten wieder Hoffnung“, meint ein Beschäftigter, „aber jetzt ist scheinbar alles kaputt.“
Wut auf den TKS-Vorstand in Duisburg ist groß
Am Freitagmorgen sprach der Betriebsrat zur Belegschaft der Frühschicht. Auch Oberbürgermeister Sören Link wandte sich an die Mitarbeiter. Die Stimmung war eine andere als noch am Donnerstagabend: Der erste Schock scheint verarbeitet, es bleiben Wut und Unverständnis.
Im Fokus schwerer Vorwürfe: der Thyssenkrupp-Stahlvorstand. Mitarbeiter und Betriebsräte erinnerten an eine Ankündigung von Arnd Körfler, der bei einer Kundgebung Anfang Dezember angekündigt hatte, sich auch im schlimmsten Fall der Belegschaft zu stellen. „Wo sind die Leute jetzt?“, fragte Uwe Schneider vom Hüttenheimer Betriebsrat.
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Er und Link schätzen die Wahrscheinlichkeit, dass Thyssenkrupp das Werk bis in den kommenden vier Monaten verkaufen kann, gering ein. Zu kurz sei die Zeit, zu antiquiert die technische Ausstattung. „Man kann mit Grobblech noch gutes Geld verdienen“, meint hingegen Dieter Lieske, der das Grobblechwerk als „Bauernopfer“ sieht und in den Verhandlungen für den Erhalt des Standorts kämpfen will. Die Belegschaft sei erfahren und gut und stehe einem Investor positiv gegenüber.
Suche nach einem Investor wird schwierig
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Bei der schwierigen Suche nach einem künftigen Eigner scheiden die Hüttenwerke Krupp-Mannesmann und deren Gesellschafter nach ersten Tendenzen wohl aus. HKM muss selbst sparen – und wäre von der Werksschließung in der Nachbarschaft selbst betroffen: Etwa 90 Prozent des Stahls für das TKS-Grobblechwerk kommen aus den beiden Hochöfen der HKM.
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Wie geht für die Belegschaft weiter, wenn bis zum Stichtag 30. Juni kein Investor gefunden wird? Dann werde sich ein Schließungsszenario länger hinziehen, so die Einschätzung von Dieter Lieske. „Wir müssen uns schon jetzt damit beschäftigen, um den Menschen und ihren Familien eine Perspektive zu geben.“ Diese könnte für einen Großteil der Beschäftigten in den Werken im Duisburger Norden liegen.
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Die IG Metall verteilte in Hüttenheim bereits eine „Schnellinformation“, in der sie die Pläne des Konzernvorstandes ihre Forderungen verkündet. Der Vorstand schließe demnach betriebsbedingte Kündigungen „nur für drei Jahre aus“, „tarifvertragliche Leistungen wie freie Tage und Geld sollen wegfallen“, der Arbeitgeber streben eine „harte Regelung zu Versetzungen, Flexibilisierung, Altersprogrammen und Abfindungen“ an.
Die Gewerkschafter fordern im Gegenzug eine Garantie, auf betriebsbedingte Kündigungen bis 2030 zu verzichten, sozialverträgliche Versetzungen und die unbefristete Übernahme von Auszubildenden, außerdem die Zusicherung von Investitionen. Diese sollen Bestandteil des neuen Tarifvertrages „Zukunft Stahl“ werden, so die Forderung.