Duisburg. Eine Vorsorgevollmacht sollte jeder ausfüllen. Was passiert, wenn sie nicht vorliegt, erlebten die Ballmanns aus Duisburg. Ihre Mahnung.

Sein Fall füllt einen ganzen Aktenordner, 15 Menschen vom Richter bis zum Amtsarzt waren beteiligt. Eine Lösung hat Johannes T aber nicht mehr erlebt. Während des Streits um eine Betreuungsvollmacht starb der 84-Jährige.

Winfried Ballmann hat sich ehrenamtlich um die Bestattung von Johannes T. gekümmert, „er liegt jetzt neben seiner Frau, so wie er es wollte“. Ehrensache, finden die Ballmanns. Gern hätten sie dem schwer kranken Mann auch sonst in seinen letzten Lebensmonaten als ehrenamtliche Betreuer zur Seite gestanden. Denn Angehörige hatte der Schwerkranke nicht. Stattdessen gab es eine Auseinandersetzung mit Ämtern und Behörden.

Entscheidungen treffen, aber nicht allein umsetzen können

Der 71-Jährige hat viele Jahre das Servicecenter der IHK geleitet, seine Frau Helen war Lehrerin. Auch als Rentner sind beide aktiv, Helen Ballmann ist ehrenamtlich im Pflegeheim tätig, lernte hier T. kennen. Der Mann litt an Parkinson, war aber ein wacher Gesprächspartner, politisch und sportlich interessiert, gut informiert.

Immer mehr Menschen errichten für sich eine Vorsorgevollmacht, damit eine Vertrauensperson ihre Angelegenheiten regeln kann, wenn sie selbst es nicht mehr können.
Immer mehr Menschen errichten für sich eine Vorsorgevollmacht, damit eine Vertrauensperson ihre Angelegenheiten regeln kann, wenn sie selbst es nicht mehr können. © Funke Mediengruppe

„Er saß im Rollstuhl, konnte Entscheidungen treffen, sie aber zum Teil nicht selbstständig umsetzen“, erklärt das Ehepaar. Helen Ballmann sollte seine ehrenamtliche Betreuerin werden. Wegen ihres weiteren Engagements im Heim ging das rechtlich nicht, deshalb sollte Ehemann Winfried einspringen - mit dem Einverständnis des Betroffenen.

Gutachter erklärt Betroffenen für geschäftsunfähig

Der Entschluss, dass die Ballmanns die Betreuung übernehmen, überschnitt sich mit einer gesetzlich angeordneten Betreuung, die vom Heim bereits initiiert war. Und dann passierte, was für die Eheleute noch heute unglaublich ist: Durch einen bestellten Gutachter wurde T. für geschäftsunfähig erklärt.

Die gesetzliche Betreuung zurückzunehmen und damit die Geschäftsfähigkeit wieder herzustellen, erwies sich als langwieriger und schließlich vergeblicher Kampf. „Dieser Eingriff in die Freiheit eines Menschen kann nicht größer sein und kommt einer Entmündigung gleich,“ empört sich Ballmann.

Mandat wegen des Rechtsstreits niedergelegt

Die ihrer Ansicht nach falsche Diagnose zur Geschäftsfähigkeit von T. können sich die Ballmanns nur dadurch erklären, dass sich der Gutachter zu wenig Zeit genommen hat. Denn Hausarzt, eine Mitarbeiterin des Gesundheitsamtes und die Pflegekräfte seien von der Geschäftsfähigkeit des Parkinson-Erkrankten überzeugt gewesen. Aufgrund der gesundheitlichen Einschränkungen brauche es nur Geduld, Aufmerksamkeit - und die Fähigkeit, zuzuhören.

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Seither stritt sich das Ehepaar mit dem Amtsgericht und einer als Verfahrenspflegerin bestellten Anwältin über die Einschätzung, wie fit T. ist. Parallel ging es um die Frage, wie man nachträglich seinem Wunsch entsprechen konnte, Winfried Ballmann zu seinem ehrenamtlichen Betreuer zu bestellen.

Die vom Gericht bestellte und erfahrene Betreuerin stellte ebenfalls die Geschäftsfähigkeit von T. fest und unterstützte das Ehepaar Ballmann. Gegenüber dem Gericht betonte sie, ihre Aufgaben nur so lange ausüben zu wollen, bis Ballmann übernimmt.

Brief an Justizminister Biesenbach: „Grundrechte entzogen“

„Es macht mir Angst, wie leicht einer äußerungs- und im wesentlichen zur Selbstbestimmung fähigen Person die Grundrechte entzogen werden können“, schrieb Ballmann an Justizminister Peter Biesenbach. Ballmann regte in seinen Schreiben an, den gegenwärtigen Prozess, wie die Geschäftsfähigkeit festgestellt wird, auf den Prüfstand zu stellen. Aus dem Justizministerium kam jedoch nur die Antwort, dass man Entscheidungen eines Gerichts „weder überprüfen, noch aufheben oder abändern dürfe“.

Was das Ehepaar Ballmann am meisten ärgert: Hätte es eine Vorsorgevollmacht gegeben, wäre das Amtsgericht gar nicht in den Fall gerutscht. Eine von T. nach der Feststellung der Geschäftsunfähigkeit unterschriebene Vorsorgevollmacht wurde vom Amtsgericht nicht anerkannt, berichtet das Ehepaar. Die einmal getroffene Entscheidung zu revidieren war den Entscheidern offenbar nicht möglich, bedauert Winfried Ballmann. „Dazu hätte es menschlicher Größe bedurft.“

Die Ballmanns haben aus dem Vorgang gelernt und wollen nichts dem Zufall überlassen. Für ihr eigenes Lebensende haben sie alles festgelegt, was ihren beiden Töchtern jede Einmischung von Außen ersparen wird. Das Ehepaar Ballmann betont: „Wir erwarten, dass uns bis zur letzten Stunde Respekt entgegen gebracht wird.“

Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung zum Download

Robert Timm vom Amtsgericht Duisburg erklärt zum konkreten Fall nur, dass die zuständige Richterin einen Wechsel des bestellten Betreuers geprüft habe und der Betroffene darüber leider verstorben sei.

Insgesamt seien Vorsorgevollmachten für den Fall einer Entscheidungsunfähigkeit formfrei möglich. Da ein Bevollmächtigter keiner Kontrolle unterliege, könne über eine Betreuungsverfügung jemand schriftlich bestimmt werden, dem man sein Vertrauen schenkt.

Liegen diese Verfügungen nicht vor, ermittele das Gericht den mutmaßlichen oder tatsächlichen Willen der Betroffenen. Grundsätzlich würden vom Gericht Angehörige oder dem Betroffenen nahe stehende Personen zu rechtlichen Betreuern bestellt, erklärt Pressesprecher Robert Timm.

Beim Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz kann man sich die Vorlage für eine Betreuungsverfügung herunterladen: www.bmjv.de

und hier geht es zur Vorsorgevollmacht.