Duisburg. 100 Tage Duisburger Nahverkehrsplan: Bei einer Diskussionsveranstaltung der Linken kritisierte Verdi-Geschäftsführer Thomas Keuer besonders hart.
Seit Ende Oktober 2019 gilt der neue Nahverkehrsplan in Duisburg. Und die Proteste gegen die von vielen Bürgern empfundene Fehlplanung werden nicht leiser. Abgeschnittene Stadtteile, weite Wege zu den Haltestellen, mehrfaches Umsteigen, lange Wartezeiten oder gänzlich fehlende Verbindungen – auch die Linken lassen kein gutes Haar am Nahverkehrsplan.
Die Ratsfraktion hatte deshalb 100 Tage nach Inkrafttreten zu einer öffentlichen Diskussion im „Kleinen Prinzen“ eingeladen. Thomas Keuer, zugleich Verdi-Geschäftsführer, attackierte gleich am Anfang die Stadtverwaltung besonders scharf.
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Als es 2017 um die Zustimmung zum Nahverkehrsplan ging, sei den Ratsfraktionen praktisch die Pistole auf die Brust gesetzt worden. „Es ist ein Paket geschnürt worden, das mit einer Direktvergabe an die DVG verbunden war“, so Keuer. „Wenn die Politik damals den Nahverkehrsplan nicht abgesegnet hätte, wäre er europaweit ausgeschrieben worden.“
„Schon 2017 war klar, dass es in Duisburg Proteste hageln wird“
Aufgrund der unabsehbaren Folgen hätten sich viele DVG-Mitarbeiter Sorgen um ihre Arbeitsplätze machen müssen. „Dies ist als Druckmittel genutzt worden, so dass auch die Linksfraktion am Ende aus Angst um die Jobs zugestimmt hat“, so der Verdi-Geschäftsführer. „Dabei war im Rat damals schon klar, dass es Proteste hageln wird.“
Auch Lothar Ebbers, Sprecher des Fahrgastverbands Pro Bahn NRW, der von den Linken zur Diskussionsveranstaltung eingeladen worden war, sprach von großen handwerklichen Fehlern. Von den neuen Ringlinien hält er gar nichts. Umsteigezwang oder große Fahrzeitverlängerungen haben demnach zu miserablen Stadtteilverbindungen geführt.
Pro-Bahn-Sprecher kritisiert ausgedünnte Takte und Verbindungen in Duisburg
Und im Duisburger Süden sorge die neue Linie 942 dafür, dass Ungelsheim seine Direktverbindung zum nächstgelegenen Nahversorgungszentrum verloren hat. Von guten Anschlüssen an die U79 könne auch keine Rede sein. Es habe an einigen Stellen zudem unnötige Taktverdichtungen wie etwa in Richtung Homberg gegeben, obwohl dort bereits die Niag ein ausreichendes Angebot vorhalte. Hingegen seien zum Beispiel im Duisburger Norden alle Ost-West-Verbindungen ausgedünnt, die Querverbindungen zwischen den Stadtteilen entlang der Linie 901 und denen entlang der 903 stark verschlechtert worden.
Proteste gab es auch wegen der veränderten Linie 908. Viele Bruckhausener Bürger fühlen sich vom Rest der Stadt abgehängt. Immerhin hatte Stadtplaner Ralf Zigan die Rückkehr der alten Linie in Aussicht gestellt. Für ADFC-Vorstandssprecher Herbert Fürmann, der für die Linke im Ausschuss für Wirtschaft sitzt, ist dies nur noch eine Frage der Zeit, zumal auch SPD und CDU zuletzt auf Verbesserungen gedrängt haben.
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ADFC-Vorstandssprecher sieht erweitertes Nachtnetz positiv
Auch auf der Montagsdemo ist der Ärger groß
Nahezu zeitgleich zur Diskussionsveranstaltung der Linken war der Nahverkehrsplan in Duisburg auch Thema bei der Montagsdemo. Auch dort war der Ärger groß.
Vor allem Menschen mit Handicap, ältere Menschen und Schüler seien auf den ÖPNV angewiesen und durch den neuen Plan extrem benachteiligt. Arztbesuche oder Einkäufe stellten einige allein wegen längerer Wege zu den Haltestellen vor unlösbare Probleme.
Fürmann sieht allerdings auch positive Ansätze beim neuen Nahverkehrsplan und sprach das erweiterte Nachtnetz an. Probleme von Schichtarbeitern, die frühmorgens schlechter zur Arbeit kommen, habe es auch schon beim alten Plan gegeben.
Skeptisch äußerte sich Fürmann zu einer Anregung aus dem Publikum, den Nahverkehr mit Kleinbussen flexibler zu gestalten. „Damit kommt man morgens im Berufsverkehr nicht weit.“ Ein größerer Fan ist er vom „myBus“-Konzept, bei dem Fahrten per App gebucht werden können. „Das ist etwas teurer als der normale Bus, aber ein gutes System. Leider gibt es diese Angebote nur an zwei Tagen in der Woche, freitags und samstags.“
Verdi-Geschäftsführer fordert radikale Veränderungen
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Verdi-Geschäftsführer Thomas Keuer fordert angesichts des Klimawandels einen stärkeren Ausbau des ÖPNV und scheut sich nicht vor radikalen Veränderungen. So unterstütze er die Forderung seiner Bundestagsfraktion nach einem Nulltarif für Bus und Bahn. „Das bedeutet für Duisburg allerdings, dass jetzt 30 neue Straßenbahnen und 100 neue Busse bestellt werden müssten, um das Ganze in fünf Jahren bedienen zu können.“