Duisburg. „Meet a Jew“ ist ein Begegnungsprojekt des Zentralrats des Juden. Vier junge Frauen und Männer besuchten die Leibniz-Gesamtschule in Hamborn.

Eine persönliche Begegnung bewirkt, was hundert Bücher nicht leisten können. Darauf setzt auch die Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Gesamtschule bei ihren Projekttagen zum Holocaust und zur Antisemitismus-Prävention. Vier junge Juden, die sich im Dialog-Projekt „Meet a Jew“ des Zentralratrats der Juden in Deutschland engagieren, waren am Donnerstag zu Gast bei den Hamborner Zehntklässlern.

Etwas schleppend kommt der Dialog im Stuhlkreis mit der 10c in die Gänge, bis Julia (21) und Jakob (19) jüdische Knabbereien auspacken. Ein idealer Eisbrecher. „Was koscher ist, ist auch halal“, erklärt der Student aus Frankfurt, als skeptische Blicke der muslimischen Schüler kommen. Damit ist er bei den Gemeinsamkeiten zwischen Judentum, Islam und Christentum – zwischen Tora, Koran und dem Alten Testament, den monotheistischen Religionen und dem gemeinsamen Stammvater Abraham.

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Die Vorzüge der Sabbat-Gebote

Beim Schweinefleisch, das Juden ebensowenig wie Muslime verzehren, bei den Fasten-Traditionen der Religionen, den gemeinsamen und unterschiedlichen Speise-Vorschriften, der Kleiderordnung für Frauen im Islam und im orthodoxen Judentum sowie der Frage, warum in manchen jüdischen Küchen zwei Kühlschränke stehen. „Weil’s einfach praktisch ist“, erklärt Julia, die in Bielefeld studiert und auch an den Sabbat-Geboten durchaus Vorzüge erkennt: „Manchmal schalte ich mein Handy 24 Stunden lang aus. Das ist sehr entspannend.“

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Thema: Lebenspartner einer anderen Konfession

Ihre Wünsche für friedliches Zusammenleben verschiedener Kulturen und Religionen haben die Gesamtschüler auf bunten Streifen formuliert und auf dem Schulhof aufgehängt.
Ihre Wünsche für friedliches Zusammenleben verschiedener Kulturen und Religionen haben die Gesamtschüler auf bunten Streifen formuliert und auf dem Schulhof aufgehängt. © FUNKE Foto Services | Foto: DANIEL ELKE

Die Frage nach der eigenen Identität - auch sie verbindet die beiden Gäste mit den Schülern. Julia und Jakob, die oft über ihren Glauben und nicht ihre deutsche Nationalität definiert werden. Wie viele jüdische Familien sind auch ihre aus Osteuropa zugewandert, als Kleinkinder kamen beide nach Deutschland. Viele Eltern der Schüler sind hingegen schon in Deutschland geboren – als Türke, Kurde oder Libanese sehen sich ihre Kinder dennoch weiterhin. „Wichtig ist der Mensch“, findet Julia während Jakob während eines Israel-Aufenthalts eine für ihn erstaunliche Entdeckung machte: „Da hab’ ich erst gemerkt, wie deutsch ich bin.“

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Können sich beide einen Lebenspartner anderer Konfession vorstellen? „Das ist so eine Sache“, sagen beide. „Meine Kinder wären dann nicht jüdisch“, erläutert Jakob. Er habe deshalb seinen Eltern versprochen „mich in jüdischen Kreisen zu bewegen“. Das gegenseitige Verständnis falle einem jüdischen Partner einfach leichter, findet Julia, doch auch sie legt sich nicht grundsätzlich fest: „Was passiert, passiert. Wenn man sich verliebt, kann man nichts dagegen machen.“

Die Grenzen der Normalität für Juden in Deutschland

Dass Normalität für junge Juden in Deutschland Grenzen hat, auch das erfahren die Schüler. Dass beim Anschlag auf die Synagoge in Halle auch einer ihrer Freunde knapp mit dem Leben davonkam, hat Julia bewegt. „Ich versuche, mich nicht abschrecken zu lassen“, sagt sie. Mobbing und Ausgrenzung habe er persönlich nie erfahren, betont Jakob. Freunde aber schon. „Lehrer wissen oft nicht, wie sie auf Antisemitismus reagieren sollen“, hörte er von ihnen. Die jüdische Schule, die er in Frankfurt besuchte, stand unter ständigem Polizeischutz. „Es ist traurig, aber man gewöhnt sich daran“, sagt der 21-Jährige. Jeder Jude habe ein Recht, in Israel zu leben – das ist eine Konsequenz der Shoah. „Es ist gut zu wissen“, findet Jakob.

Schüler mit vielen verschiedenen kulturellen Wurzeln

Bei den vielfältigen kulturellen Hintergründen sei diese Begegnung „besonders spannend“, sagt Karl Hußmann, Leiter der Leibniz-Gesamtschule. „Wir wollen, dass die Schüler zu Botschafter für eine Gesellschaft werden, die von friedlichem Zusammenleben geprägt ist“, sagt Dr. Steffen Leibold, der die Projekttage organisiert hat. Auch ein Besuch im jüdischen Gemeindezentrum stand dabei auf dem Programm. „Was es gebracht hat, werden wir erst in Zukunft wissen“, sagt der Lehrer. Für Julia, die jüdische Studentin, hat sich der Besuch in Hamborn gelohnt: „Ich habe hier etwas über den Islam gelernt.“

„Meet a Jew“: Schulen können sich bewerben

Bislang gab es die unabhängig voneinander arbeitenden Projekte „Likrat – Jugend und Dialog“ und „Rent a Jew“. Sie haben sich Ende 2019 zusammengeschlossen und bündeln nun ihre Kräfte im gemeinsamen Projekt „Meet a Jew“ unter dem Dach des Zentralrats der Juden in Deutschland.

Das Projekt wird gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend mit Mitteln des Bundesprogramms „Demokratie leben!“. Das Engagement geht nahtlos weiter. Anfragen für Begegnungen können gestellt werden per E-Mail an: meetajew@zentralratderjuden.de. In Kürze geht eine Projektwebseite zu „Meet a Jew“ online.