Duisburg-Homberg. Die Fachkräfte können eingreifen, bevor Dinge eskalieren. Dennoch ist die Zukunft von 50 Schulsozialarbeitern in der Stadt derzeit ungewiss
Eigentlich sind sie unverzichtbar, aber Schulsozialarbeiter an Grundschulen haben schlechte Aussichten. „Zuallererst dürfen wir die Schulsozialarbeiter nicht mit den sozialpädagogischen Fachkräften verwechseln“, erklärt Petra Etgen, Schulleiterin der Kirchschule in Hochheide an der Kirchstraße. Ihre Lehrkräfte bekommen Unterstützung sowohl von zwei sozialpädagogischen Fachkräften, als auch von zwei Schulsozialarbeiterinnen, die sich allerdings die eine vorhandene Vollzeitstelle teilen.
Während sich die Pädagogen vorwiegend um fachbezogene Leistungsprobleme kümmern und den Kindern in puncto Sprachkompetenz weiterhelfen, geht das Aufgabenspektrum des Schulsozialarbeiters viel weiter. „Ihre Hauptaufgabe ist die Vertrauensbildung. Natürlich zu den Kindern, aber auch zu den Eltern. Das ist manchmal vielwichtiger als eine gute Note in Mathe. Aber auch deutlich schwieriger,“ wie Birte Adamek weiß. Sie ist seit 2016 als Schulsozialarbeiterin an der Kirchschule und hat sich ihren jetzigen Status quo in der Elternschaft hart erkämpfen müssen. „Es hat etwa ein Jahr gedauert, bis die Familien soviel Vertrauen zu mir gefasst hatten, dass sie mich auch bei Problemen aufgesucht haben, die nur am Rande oder gar nichts mit dem Kind zu tun haben.“
Das große Netzwerk hilft
Genau hier beginnt die komplexe Aufgabe von Adamek und ihren Kollegen. Als Sozialarbeiterin kennt sie sich mit vielen Problemlagen gut aus und erkennt soziale oder häusliche Schieflagen sehr schnell. Einmal die Woche übt sie im Klassenverband, wie man beispielsweise mit Konflikten vernünftig umgeht und lernt die Kinder dabei gut kennen. „Wenn ich dann merke, dass etwas nicht stimmt, dann schließe ich mich mit den Lehrern und der Schulleitung kurz und wir überlegen gemeinsam, was zu tun ist“, erklärt sie. Ist sich das Team einig, kommt ein ganz wichtiger Synergieeffekt zum Tragen: „Da viele Schulsozialarbeiter bei Verbänden wie zum Beispiel der Diakonie angestellt sind, können sie ganz schnell ihre Kontakte und Netzwerke nutzen, um die Familien an die richtigen Hilfsangebote zu vermitteln“, sagt Felicitas Hagmeier von der Grafschafter Diakonie, die für Rheinhausen zuständig ist.
Dass mittlerweile fast jede Duisburger Schule einen Schulsozialarbeiter beschäftigt, zeigt, dass ihre Tätigkeit kein theoretisches Konstrukt ist, sondern die Sozialarbeiter in der alltäglichen Praxis alle Hände voll zu tun haben. „Schulsozialarbeiter gibt es schon seit den 70er Jahren. Sie wurden zuerst an Gesamtschulen eingesetzt, aber heutzutage werden sie auch an den Grundschulen immer unverzichtbarer“, sagt Stefan Liebig von der Koordinationsstelle der Schulsozialarbeit der Stadt Duisburg.
Schule und Jugendhilfe arbeiten Hand in Hand
Die Idee ist, dass Schule und Jugendhilfe Hand in Hand arbeiten und nicht abgewartet werden muss, bis das Jugendamt sich einschaltet. Dann ist es nämlich zu spät. „Es ist schon vorgekommen, dass ich die Kollegen der Schuldenberatung gebeten habe, in unseren Beratungsraum in die Schule zu kommen, um in vertrauter Atmosphäre zwischen den Eltern und den Experten vermittelt habe“, erklärt Birte Adamek.
Erfahrung ist wichtig
Das klingt natürlich absolut sinnvoll, muss aber irgendwie bezahlt werden. Schulsozialarbeiter sind hochqualifizierte Akademiker, die sich ihrer großen Verantwortung bewusst sein müssen. „Wir können keine Berufsanfänger auf diese Posten setzen, die verfügen zwangsweise weder über das nötige Netzwerk, noch über die praktische Berufserfahrung“, erklärt Liebig. Zumeist ist es so, dass eine Schulsozialarbeiterstelle aus einer Lehrerstelle heraus besetzt wird. Allerdings freut sich momentan bei dem Lehrermangel keine Schule, wenn sie auf eine komplette Vollzeitstelle verzichten muss. Auch an der Kirchschule wäre das nicht so einfach machbar. Umso schlimmer ist es, dass die Kollegen, die den Job nicht aus der sicheren Position des Beamten heraus ausüben, nicht wissen, ob sie Ende kommenden Jahres noch Arbeit haben.
Das gilt wohlgemerkt nur für die Schulsozialarbeiter an Grundschulen und einigen Förderschulen. In Duisburg gibt es 120 Schulsozialarbeiter an allen Schulformen. Noch kommen 2,2 Millionen vom Land, den Eigenanteil von derzeit 600.000 Euro bestreitet Duisburg aus erstellten Rücklagen aus der anfänglichen Projektförderung.
50 Stellen müssten gestrichen werden, wird das Projekt eingestellt
Sollte das Land das Projekt an Grundschulen einstellen, müssten 50 Stellen gestrichen werden. Wie die Sache ausgehen wird, ist unklar. Nach Aussagen von Liebig hatte das Schulministerium mitgeteilt, die Entscheidung bis zum Ende der Sommerferien treffen zu wollen. Ergebnisse gibt es noch nicht. Wohl aber die beunruhigenden Nachrichten, dass die ursprünglich geforderten zusätzlichen Stellen zwar theoretisch gebilligt wurden, das nötige Geld dafür allerdings noch nicht bereit gestellt ist. Da kann man jetzt knobeln, ob und wie es weitergeht.
Unsicherheit ist belastend
„Diese Unsicherheit ist für uns insofern schlimm, weil die Fachleute, die diese Stellen besetzen, aufgrund der unsicheren finanziellen Situation nach und nach kündigen und sich Tätigkeitsfelder mit sicherer Zukunftsperspektive suchen“, erklärt der Koordinator besorgt. Bleibt abzuwarten, für wie wichtig das Ministerium die Arbeit von Birte Adamek und ihren Kollegen hält. Aber für das Bildungsministerium wird es auch darum gehen, wie viel der Etat hergibt.